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Regie-Debüt von Robert Gwisdek Käptn Peng macht Kino: Surreal sinnlich

Der als Käptn Peng bekannte Musiker Robert Gwisdek legt seine erste Regie-Arbeit vor. Der Film „Der Junge, dem die Welt gehört“ ist ein wunderbar rätselhaftes poetisches Feuerwerk.

Von Mathias Schulze 18.04.2024, 16:53
Auszeit auf Sizilien: Filmszene mit Julian Pollina, als Musiker bekannt als Faber, und Chiara Höflich
Auszeit auf Sizilien: Filmszene mit Julian Pollina, als Musiker bekannt als Faber, und Chiara Höflich (Foto: Kreisfilm)

Halle/MZ. - „Ach, wenn es so einfach wäre. Leider ist das kulturelle Feld nicht automatisch der Ort, an dem man Glück findet. Es gibt viele Menschen, die sich im Kunst- und Kulturzirkus, in ihrer Eitelkeit und Selbstvermarktung verlieren.“ Hat man Robert Gwisdek, Jahrgang 1984 und geboren in Ost-Berlin, am Telefon, muss er sich natürlich Fragen nach seiner Herkunft gefallen lassen. Der Schatten der berühmten Eltern. Die Mutter ist die Schauspielerin Corinna Harfouch, der Vater der 2020 gestorbene Charakterdarsteller Michael Gwisdek. Heute ist der Sohnemann Musiker („Käptn Peng“), Schauspieler, Sprecher, Produzent, Autor, Regisseur und Inhaber des eigenen Labels „Kreismusik“.

Positives Gleichgewicht

Also, Hand aufs Herz: Wurden Sie, Robert Gwisdek, ins Glück hineingeboren, weil sie das kulturelle Kapital, die Gestik und Mimik, das soziale Verhalten einer Künstlerfamilie mit der Muttermilch aufgesogen haben? Gwisdek wird neben der Erwähnung der Abgründe des „Kulturzirkusses“ grundsätzlich: „In der Kunstwelt gibt es den Hang zur Selbstausbeutung. Und man kann sich wunderbar um sich selbst drehen, die persönlichen Fragen und den gesellschaftlich-politischen Blick aus den Augen verlieren. Die Gefahr, die Perspektive auf das Wesentliche zu verlieren, ist groß.“

Selbstredend muss der Regisseur des neuen Schwarz-Weiß-Filmes „Der Junge, dem die Welt gehört“ nun erklären, was das Wesentliche denn sei. Gwisdek, der heute mit seiner Frau und drei Kindern im Gebiet der Schorfheide im Land Brandenburg lebt, antwortet zügig: „Das Wesentliche ist die Suche nach einer positiven mentalen Stabilität.“

Eine mentale Stabilität – schon ist der Übergang zum Film geschafft. Die Hauptfigur Basilio, gespielt vom Schweizer Singer-Songwriter Julian Pollina alias Faber, lebt allein in einer sizilianischen Villa. Dort soll Musik entstehen, dort wird er von einem mysteriösen Mentor – Denis Lavant spielt ihn als wunderbar rasenden und rappeligen Quälgeist – heimgesucht. Schnell wird klar, dass hier Basilios eigene Seele spricht, dass er sich mit seinen Ahnen, seiner Herkunft und mit Klischeevorstellungen über das Künstler-Sein auseinandersetzen muss.

Was ist Poesie, was Freiheit, was Liebe? Soll der Künstler die Welt belauschen und ihre Töne in Kunst verwandeln? Oder braucht es eine eigene Sprache, um die Phänomene der Schöpfung und sich selbst zu deuten? Und dann trifft Basilio auf die geheimnisvolle Karla, gespielt von Chiara Höflich. Beide suchen mentale Stabilität.

Villa in Sizilien

Was nach einem verkopften Arthouse-Kino klingt, entpuppt sich als ein atmosphärischer, surrealer, rätselhafter und fantastischer Trip, der mit biblischen und psychoanalytischen Anspielungen, mit Musik vom Duo „Olicía“ und von Sophie Hunger garniert wird. Schauspielerische Glanzleistungen gibt es obendrein. Ein Film, dessen vollständige Erschließung schwer zu greifen, dessen Sinnlichkeit aber stets zu spüren ist. Sogar die politische Ebene, die danach fragt, wem eigentlich die Welt gehört, warum sie in Privatgrundstücke geteilt ist, wird wunderbar poetisiert. Ein außergewöhnliches Regie-Debüt mit einer speziellen Entstehungsgeschichte.

Inmitten der Corona-Pandemie stand in Sizilien das Leben still. Die prachtvolle Villa, die heimliche Hauptdarstellerin des Filmes, wurde zum Wohnort des Filmteams. Es wurde musiziert, geschrieben und gemeinsam auf eine apokalyptisch anmutende Zeit geschaut. Die Straßen Palermos, die sonst von Touristen überflutet werden, waren leergefegt. So konnte man eine knisternde Atmosphäre und eine prächtige Landschaft einfangen, die dem Film den Zauber einer majestätischen Erhabenheit verleiht. Glück im Unglück.

„Vom Schreiben des Drehbuches bis zum Abdrehen des Films vergingen nur drei Monate. Es gibt Dinge, die schreibe ich in einer wahnsinnigen Geschwindigkeit aus dem Bauch heraus, das Drehbuch dauerte zwei Wochen“, erzählt Gwisdek, der besonders den zwei Freunden, die den Film finanziell förderten, danken möchte: „Wir – also meine Familie, Freunde und ich – haben alles selbst gemacht, wir hatten keine Filmförderung im klassischen Sinne, haben viel über Selbstausbeutung geregelt. Und jetzt gehen wir mit einem Bus als Familienunternehmen drei Monate auf Kino-Tour.“

Bald mit Christian Friedel

Aber warum zieht es Gwisdek nun in den Regie-Stuhl? „Ich liebe es, Bilder zu kreieren. Es gibt kein besseres Medium, um Bilder und Sprache zu kombinieren, als den Film.“ Robert Gwisdeks Debüt macht Lust auf mehr. Schon jetzt darf man sich auf seine zweite Regie-Arbeit freuen: „Ein Film über den Tod“ mit Christian Friedel kommt vermutlich schon Ende des Jahres in die Kinos.

„Der Junge, dem die Welt gehört“: ab 2. Mai im Kino; am 24. April um 19.30 Uhr im Magdeburger Moritzhof am Moritzplatz 1 und am 5. Mai um 17 Uhr im Puschkino Halle in der Kardinal-Albrecht-Straße 6, jeweils in Anwesenheit von Robert Gwisdek und Chiara Höflich