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Kreistagswahl im Saalekreis Die Linke im Interview: Neue Windräder ja, aber nicht überall

Welche Ziele und Konzepte haben die Parteien und Vereine, die in allen Wahlkreisen zur Kreistagswahl antreten, für die Zukunft des Saalekreises? Die MZ fragt nach. Folge 3: Die Linke.

Aktualisiert: 19.04.2024, 08:56
 Richard Höhne und Kerstin Eisenreich
Richard Höhne und Kerstin Eisenreich Foto: Briest

Merseburg/MZ - Die Linke ist mit acht Vertretern im aktuellen Kreistag die drittstärkste Kraft. Doch wie wirkt sich die Abspaltung des BSW auf die Partei aus? Darüber und warum die Linke für neue Windparks, Beiräte für Senioren und Kinder sowie eine Übernahme des Busverkehrs im Norden durch die Kreistochter PNVG ist, sprach Robert Briest mit Kreisvorstandsmitglied Richard Höhne und der Landtagsabgeordneten Kerstin Eisenreich, die zum Kreistag als Kandidatin im Wahlkreis II antritt.

Die Linke hat einen bewegten Winter hinter sich, der im Abgang von Sahra Wagenknecht gipfelte, die mit dem nach ihr benannten Bündnis (BSW) nun eine eigene Partei hat. Die tritt im Saalekreis nicht an. Erwarten Sie dennoch Auswirkungen der Trennung auf die Wahlen?

Richard Höhne: Auf alle Fälle. Wir merken, dass wir an Ständen von Leuten gefragt werden, die sagen, sie hätten bisher die Linke gewählt, wen sie jetzt wählen sollen.

Die Linke stellt nicht mehr für alle Stadt- und Gemeinderäte Kandidaten. War es ein Nachteil für die Kandidatenfindung?

Kerstin Eisenreich: Wenn man sich die Mitgliederentwicklung der Linken anguckt, hatten wir auch ohne die Abspaltung des BSW schon mit der demografischen Entwicklung zu kämpfen. Es gibt Mitglieder in meinem Alter, die sagen, sie schaffen ein politisches Ehrenamt wegen ihrer Belastung im Job nicht.Höhne: Wir hatten wegen der Abspaltung einige Austritte. Es kommen aber auch Neumitglieder, die sagen: Sie kommen jetzt, weil Wagenknecht nun in der Partei nicht mehr das Sagen hat.

Mit welchen drei Zielen wollen Sie die Wähler am Stand überreden, im Juni im Kreis die Linke zu wählen?

Eisenreich: Ich sehe da keine unterschiedlichen Themen zwischen Europa- und Kommunalwahl. Unsere Überschrift lautet für beide: sozial, gerecht, nachhaltig. Soziale Gerechtigkeit ist das Kernthema, aber die geht heute nicht ohne das Thema Nachhaltigkeit.

Was heißt das konkret?

Eisenreich: Beispiel soziale Gerechtigkeit: Es ist ein Gewinn, dass wir mit dafür gesorgt haben, dass Schüler mit Fahrberechtigung jetzt ein Deutschlandticket haben. Ich empfinde es aber als ungerecht, dass es nur diese sind. Wir wollen ein Deutschlandticket für alle Schüler, weil gerade jene, die in den Schulorten wohnen, häufiger in sozial benachteiligten Verhältnissen leben. Höhne: Der Saalekreis befindet sich derzeit in einer Transformation. Es wäre aber schlecht, wenn dabei jetzt Industrien entstehen, die wegen künftiger Probleme, wie Wasserknappheit, später eine zweite Transformation bräuchten. Wir müssen daher gucken, welche Industrien zukunftsfähig sind.

Wie wollen Sie die Ansiedlungen aus dem Kreistag oder den Stadträten heraus beeinflussen?

Höhne: Zum Beispiel, indem man Impulse setzt, etwa für industriellen Hanf als nachhaltiges Baumaterial. Dazu gibt es Forschung an der Hochschule, ein Unternehmen im Geiseltal, das sich damit beschäftigt. Das kann man politisch unterstützen, indem man dafür sorgt, dass es Modellprojekte gibt.Eisenreich: Bei der Energiewende muss die öffentliche Hand Vorbild sein. Sie muss bei der Vergabe darauf achten, dass Kriterien wie alternative Baustoffe in die Ausschreibung kommen.

Die Linke befürwortet den weiteren Aufbau von Windparks und Photovoltaikanlagen?

Eisenreich: Ja. Da kommen wir nicht drumherum. Aber wir sagen, die Standorte müssen passen. Wir wollen nicht, dass an jeder Ecke ein Windrad und auf jedem Acker eine PV-Anlage steht. Wir haben da eine klare Abstufung. Zuerst sollen Dächer und Konversionsflächen für PV genutzt werden. Erst dann kämen wertgeminderte Böden. Wenn höherwertige Böden für Anlagen genutzt werden sollen, muss es zumindest noch eine Doppelnutzung geben, also zum Beispiel weiterhin eine landwirtschaftliche Nutzung möglich sein.

Sie fordern, dass Bürger und Kommunen von PV- und Windanlagen profitieren sollen. Kommunen können laut Gesetz schon jetzt 0,2 Cent je erzeugter Kilowattstunde erhalten. Wie sollen die Bürger direkten Nutzen von den Anlagen haben?

Eisenreich: Für die Beteiligung der Kommunen steht im Bund ein Kann im Gesetz. Wir haben im Land jetzt ein Gesetz eingebracht, da es ein Muss wird. Der Bürger könnte etwa durch günstigere Strompreise partizipieren.

Ist das etwas, was Sie kommunal durchsetzen können?

Eisenreich: Ja. Es geht schließlich um Bebauungspläne. Bei denen muss man knallhart mit den Investoren verhandeln. Das ist bisher zu wenig passiert. Höhne: Es gebe auch die Möglichkeit, Parkplätze mit PV zu überbauen. Hier könnte man sagen: Während Sie einkaufen sind, können Sie Ihr Auto kostenlos laden. Der überschüssige Strom wird eingespeist.

Aber warum sollte ein Investor Geld in so ein Projekt stecken, um dann Strom kostenlos abzugeben oder sollen Kreis und Kommunen selbst bauen?

Eisenreich: Einige Kommunen haben schon eigene Energieversorger, wie etwa die Stadtwerke. Das bietet sich auch für kleinere Kommunen an. Auch der Kreis könnte das machen. Energieversorgung ist Daseinsvorsorge und gehört in öffentliche Hand. Höhne: Manchmal hilft ein Vertrag, manchmal muss man es selbst in die Hand nehmen.

Kreis und Kommunen sollen also eigene Windräder und PV-Anlagen errichten?

Eisenreich: Durchaus, ja.

Die Linke will das Basedow-Klinikum in kommunaler Hand halten? Das hat aber knapp 22 Millionen Euro Investitionsstau, kämpft mit einer unzureichenden Finanzierung. Bis zu welchem Punkt kann sich der Kreis das Klinikum leisten?

Eisenreich: So schön es ist, dass im Kreistag alle Fraktionen für das Klinikum sind, muss man kritisieren, dass dieselben Parteien im Landtag gegen mehr Geld für die Kliniken stimmen. Das Geld vom Land reicht nicht. Das Klinikum wird sich sicher mit Umstrukturierungen beschäftigen müssen. Da ist es aber auf einem guten Weg. Wir werden aufpassen, dass dabei nicht Bereiche wie die Küche als erstes eingespart werden.

Der Busverkehr im Saalekreis ist momentan zweigeteilt. Die kreiseigene PNVG fährt im Süden, die private OBS dagegen im Norden. Die Linke will den Busverkehr auch im Norden an die PNVG geben. Warum?

Eisenreich: Wir finden es richtig, wenn der Nahverkehr im Saalekreis in einer Hand ist, und zwar der einer Kreisgesellschaft. Das Problem mit privaten Unternehmen ist, dass jede Veränderung, die man machen will, schwer zu verhandeln ist. Weil die Leistungen irgendwann zu bestimmten Konditionen ausgeschrieben werden, muss jede Änderung teuer bezahlt werden. Mit einer eigenen Gesellschaft ist das einfacher. Außerdem fordern wir gleichen Lohn für gleiche Arbeit, wissen aber, derzeit sind die Löhne in den Unternehmen unterschiedlich. Höhne: Ein guter ÖPNV ist wichtig. Gerade für junge Menschen ist es wohnortentscheidend für die Teilhabe am kulturellen Leben, ob ich abends noch irgendwo hinfahren kann. Hierfür sollte der Saalekreis Modelle erproben, vielleicht auch im Rahmen wissenschaftlicher Projekte, wie beispielsweise Shuttlebusse, die man bestellen kann oder die Aufnahme von Taxis ins 49-Euro-Ticket.

Sie fordern Beiräte für Senioren, Kinder und Menschen mit Behinderung sowie Migranten im Saalekreis. Was sollen die bringen?

Eisenreich: Die Gruppen brauchen mehr direkte Mitspracherechte. Das kann man am besten über Beiräte lösen. Diese müssten verpflichtend angehört werden bei Themen, die die Gruppen betreffen. Ein Stimmrecht im Kreistag hätten sie nicht.Höhne: Ich fände aber ein Vorschlagsrecht vernünftig. Deutschland schneidet bei Kinderrechten eigentlich immer gut ab, außer bei der Partizipation, weil Kinder und Jugendliche nicht gefragt werden.

Das sind die Kandidaten der Linken

Die Linke schickt in den vier Wahlbezirken für die Kreistagswahl am 9. Juni insgesamt 22 Kandidaten ins Rennen. Sie verteilen sich wie folgt:

Im Wahlkreis I (Braunsbedra-Merseburg) treten an: Tilo Berndt, Angelika Hunger, Jutta Walther, Michael Finger, Richard Höhne, Detlef Walloch.

Im Wahlkreis II (Bad Dürrenberg-Schkopau-Kabelsketal) treten an: Steffen Eigenwillig, Kerstin Eisenreich, Uwe Müller, Matthias Dupke.

Im Wahlkreis III (Nördlicher Saalekreis) treten an: Christian Kupski, Stefanie Stoof, Klaus-Dieter Iffarth, László Müller, Michael Papendieck, Matthias Bönicke, Uwe Lehmer, Sascha Schilling, Andreas Schneider.

In dem Wahlkreis IV (Teutschenthal-Querfurt) treten an: Alexander Sorge, Silvan Arndt, Udo Boskugel.