1. MZ.de
  2. >
  3. Deutschland & Welt
  4. >
  5. Politik
  6. >
  7. Streitgespräch: Streitgespräch: Lauter Streit oder längst stiller Konsens?

Streitgespräch Streitgespräch: Lauter Streit oder längst stiller Konsens?

Von Markus Decker und Stefan Sauer 02.07.2001, 16:09

Halle/MZ. - Herr Geis, Herr Özdemir, brauchenwir Zuwanderung?
Geis: Dass wir Zuwanderung brauchen,ist Konsens unter den Parteien im Bundestag.Die Zuwanderung muss aber in Grenzen erfolgenund gesteuert sein. Wir sind schließlich keinklassisches Einwanderungsland wie Australienoder die USA.

Wozu benötigen wir die Zuwanderer?
Geis: Zum einen benötigen wir Einwanderer,weil wir einen Rückgang der Bevölkerung verzeichnen.Um das Jahr 2050 werden wir nur noch rund60 Millionen Einwohner haben. Allerdings werdenwir mit Zuwanderung das Problem nicht lösenkönnen. Wenn wir die Bevölkerungszahl stabilbei etwa 80 Millionen halten wollten, müsstenjährlich 3,4 Millionen Menschen nach Deutschlandkommen - das können wir uns nicht leisten.Zum anderen brauchen wir Leute, die uns inbestimmten Produktionssparten helfen können,unseren Wohlstand zu erhalten. Aber das kannauf beiden Ebenen nur eine begrenzte, gesteuerteZuwanderung sein, die sich nach den deutschenInteressen richten muss..

Özdemir: Auch Albert Einstein, HenryKissinger und Madeleine Albright waren Einwandereroder Kinder von Einwanderern in die USA,und es hat den Vereinigten Staaten nicht geschadet,im Gegenteil. Wir haben uns in der Diskussionum Zuwanderung lange sehr schwer getan. AlsKind von Arbeitsmigranten freue ich mich besonders,dass die Zuwanderungsdebatte inzwischen offenerund rationaler geführt wird. Ich trinke gernemeinen Württembergischen Trollinger, aberdazu müssen die Trauben geerntet werden -auch von ausländischen Saisonarbeitskräften,weil das deutsche Arbeitskräfte aus verschiedenenGründen nicht machen. Ich will auch, dassHigh-Tech-Arbeitsplätze geschaffen werden.Wir müssen zur Kenntnis nehmen, dass wir nichtgenügend Leute ausgebildet haben. Das darfaber nicht dazu führen, dass in den USA undKanada High-Tech-Arbeitsplätze entstehen,und wir schauen zu. Es gibt also auf dem Arbeitsmarktunterschiedliche Sektoren, in denen wir aufZuwanderer angewiesen sind.

Geis: Ihr erst genanntes Beispielscheint darauf hinauszulaufen, dass Zuwanderunggrenzenlos erfolgen soll. Das darf nicht sein.

Özdemir: Natürlich muss ein Einwanderungsgesetzden Prozess steuern und begrenzen. Wir Grünenhalten die Vorschläge der Süssmuth-Kommission,soweit sie bekannt sind, für sehr tragfähig.Die Kommission will die Zuwanderung vorerstauf 20000 bis 40000 Menschen pro Jahr begrenzen.Und die Kommission unterscheidet unterschiedlicheFormen der Zuwanderung. Es gibt Bereiche,wo wir Tempo benötigen: für Menschen, diegar nicht hier bleiben wollen, sondern alsSaisonarbeiter in der Landwirtschaft arbeitenmöchten. Es gibt andere Bereiche, in denenes keinen Sinn macht, die Aufenthaltsdauerzu begrenzen.

Wie steht es um die Greencard?
Özdemir: Wir haben bei der Green-Carderlebt, dass mit einer Begrenzung auf fünfJahre Spitzenkräfte in ausreichender Zahlgar nicht zu uns kommen wollen. Nebenbei:Wir haben der SPD im vergangenen Jahr diefünf Jahre noch abtrotzen müssen. Die SPDwollte ursprünglich nur drei Jahre. Heutespricht weder die Union, noch die FDP oderdie SPD mehr von einer Aufenthaltsbegrenzung.Alles in allem halte ich das Konzept der Süssmuth-Kommissionfür eine ideale Grundlage, um einen Konsenszu erreichen.

Wie müsste ein konsensfähiges Zuwanderungsgesetzdenn aussehen?
Bitte lesen Sie hier weiter