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Denkmäler Denkmäler: Vorzeige-Bau der Moderne

23.10.2001, 15:47
Johanna Wanka entfährt ein Stoßseufzer derErleichterung: «Diese Lösung ist für uns ein großer Glücksfall.» Diebrandenburgische Kulturministerin preist die gelungene Rettung desBauhaus-Ensembles in Bernau bei Berlin. Nach drei Jahren Leerstandund einsetzendem rapiden Verfall übernimmt die HandwerkskammerBerlin an diesem Mittwoch den einzigartigen Komplex. Sie willdarin das Internat für ihre nahe gelegene Bildungsstätteunterbringen.
Johanna Wanka entfährt ein Stoßseufzer derErleichterung: «Diese Lösung ist für uns ein großer Glücksfall.» Diebrandenburgische Kulturministerin preist die gelungene Rettung desBauhaus-Ensembles in Bernau bei Berlin. Nach drei Jahren Leerstandund einsetzendem rapiden Verfall übernimmt die HandwerkskammerBerlin an diesem Mittwoch den einzigartigen Komplex. Sie willdarin das Internat für ihre nahe gelegene Bildungsstätteunterbringen. dpa

Bernau/dpa. - Nach drei Jahren Leerstandund einsetzendem rapiden Verfall übernimmt die HandwerkskammerBerlin an diesem Mittwoch den einzigartigen Komplex. Sie willdarin das Internat für ihre nahe gelegene Bildungsstätteunterbringen.

«Diese Wiederbelebung der einstigen Nutzung ist ideal», lobt dieMinisterin. Denn der Schweizer Architekt und Direktor des BauhausesDessau, Hannes Meyer (1889-1954), hatte den Z-förmigen Bau 1928 bis1930 mit seinem Kollegen Hans Wittwer als Bundesschule für denAllgemeinen Deutschen Gewerkschaftsbund (ADGB) errichtet. Neben demHauptgebäude gehörten dazu Internatsblöcke, ein Seminar- undBibliothekstrakt sowie eine Turnhalle. Das vor allem aus Klinkern,Glas, Stahl und Beton gefügte Ensemble liegt am Bernauer Stadtrand inmärkischem Kiefernwald. Für die Rekonstruktion fließen Mittel aus demProgramm national bedeutende Denkmale, so Wanka.

«Das ist einer der wichtigsten Bauten der Moderne», sagt RolandSchneider, Referent des Landesamtes für Denkmalpflege, respektvoll.«Hier zeigt sich auf klassische Weise das Bauhauskonzept derharmonischen Verbindung von Innen- und Außenraum sowie der strengfunktionalen Gliederung des Baukörpers». Dem Laien,räumt der Denkmalschützer ein, bleibe die ganze Großartigkeit desEnsembles im jetztigen Zustand womöglich verborgen.

Denn in der DDR wurde der Komplex stark umgebaut. Das Problem seinicht der klare Erweiterungsbau, den Georg Waterstradt von 1959 anausführte und der gleichfalls unter Denkmalschutz steht, sagtSchneider. Störend sind die provisorischen An- und Umbauten der 80erJahre, darunter ein zweiter Speiseraum und eine Garderobe.

Heute ist nur noch ein kleiner Teil der großen Stahlfenster ausden 20er Jahren erhalten. Die gläserne Wand der Turnhalle wird durcheine Mauer teilweise verdeckt. Und der lange Glasgang, der dieHauptachse durch das Gelände bildete, ist gekappt. «Doch man kann denursprünglichen Bau wieder frei schälen», ergänzt Schneideroptimistisch. So sieht das Konzept vor, die provisorischen Bautenabzureißen. Bald schon sollen die Holzfenster durchStahlkonstruktionen ersetzt werden. Noch für dieses Jahr hat das Landeine halbe Million Mark Denkmalpflegemittel bereitgestellt. Für daskommende Jahr wollen Bund und Land jeweils 300 000 Mark (153 400Euro) an Zuschüssen geben.

Die Handwerkskammer wollte in den 90er Jahren in Bernau ein neuesInternat errichten, berichtet ihr Präsident Hans-Dieter Blaese zurVorgeschichte des Projekts. Davon erfuhr die damaligeFinanzministerin Wilma Simon (SPD) und bot der Kammer den Hannes-Meyer-Bau an, der 1998 durch den Auszug der Verwaltungsfachhochschuledes Landes freigeworden war. Blaese zu überzeugen bedurftees wohl nicht viel - er ist von beruf Restaurator. «Für uns alsKammer ist es eine tolle Aufgabe, eines der letzten großen Objekteder Bauhausära für die Nachwelt zu bewahren», schwärmt er.Architekten aus aller Welt kämen schließlich nach Bernau, eigens umdas Ensemble als eines der wenigen erhaltenen Werke Meyers zu sehen.

Im Frühjahr 2002 soll nach Angaben Blaeses mit der Sanierung undRekonstruktion begonnen werden. Der Umfang und damit die Kosten desRückbaus der DDR-Anbauten seien derzeit noch nichtabzuschätzen. Die Kammer werde schrittweise umbauen und dabei soinvestieren, dass die Anlage bald nutzbar sein könne.

Der Gewerkschaftsbund als erste Auftraggeber hatten den Bau nichtlange nutzen können. Die Nationalsozialisten schmähten Meyer undWittwer wegen des modernen Baus als «Bauhausmarxisten». Gleichwohlscheuten sie sich nicht, nach der Zerschlagung der Gewerkschaften1933 das Gebäude zu übernehmen. Hitler eröffnete darin im selben Jahrdie Reichsführerschule der NSDAP. Später wurden dort Angehörige derSS und der Gestapo ausgebildet. Nach dem Krieg diente es der RotenArmee als Lazarett, bis es 1946 dem Gewerkschaftsbund FDGBzurückgegeben wurde.