1. MZ.de
  2. >
  3. Kultur
  4. >
  5. Deutsch-Israelischer Jugendaustausch: Deutsch-Israelischer Jugendaustausch: Dialog der Bürger zum Verhältnis der Staaten

Deutsch-Israelischer Jugendaustausch Deutsch-Israelischer Jugendaustausch: Dialog der Bürger zum Verhältnis der Staaten

Von Andreas Hillger 20.11.2001, 17:48

Wittenberg/MZ. - Dabei schien bereits die Besetzung des Podiumsein Garant für Kontroverse: Neben der PDS-Bundestags-VizepräsidentinPetra Bläss und dem vielbeschäftigten Studienleiterder Evangelischen Akademie, Friedrich Schorlemmer,erwies sich vor allem der ehemalige israelischeBotschafter in Deutschland, Avi Primor, alsbrillanter Mitstreiter. Nachdem ModeratorThomas Lutz von der Stiftung "Topografie desTerrors" einen knappen Abriss des aktuellenDiskurses zwischen Vergangenheits-Besessenheitund Erinnerungs-Imperativ gegeben hatte, markiertePrimor extreme Erfahrungen und mögliche Lehrenfür die Zukunft.

So berichtete der Diplomat von der Wahrnehmungder DDR in Israel, die man in Wittenberg wohlnoch nie so radikal referiert bekommen hatte.Der ostdeutsche Staat, der fast zeitgleichmit der jüdischen Nachkriegs-Gründung entstandenwar und diese dennoch nie anerkannt hatte,sei den Israelis immer als "feindseligstesLand im kommunistischen Block" erschienen.Weil man sich dort einerseits massiver Hasspropagandaausgesetzt sah und andererseits von der Unterstützungdes sozialistischen Regimes für extremistischePalästinenser-Organisationen wusste, sei dieDDR für Israel "direkt an Terrorakten beteiligt"gewesen.

Darum habe der damalige Staatschef ItzchakShamir nach dem Mauerfall auch als einzigerSpitzenpolitiker offen vor einer Wiedervereinigunggewarnt. Dass sich Primors eigene Besorgnisbei persönlichen Begegnungen in Ostdeutschlandschnell in Wohlgefallen aufgelöst hätten,wertet er auch als Beispiel für den Abbauvon Vorurteilen durch direkten Kontakt.

Derartige Beobachtungen könnten auch zum Gegenstanddes gemeinsamen Europäischen Geschichtsbucheswerden, dessen Entwicklung Primor als Vorstandsmitgliedaus dem Zukunftsfond der Stiftung "Erinnerung,Verantwortung und Zukunft" finanzieren will.Am Beispiel der in Deutschland als Völkerwanderungbekannten und in Frankreich unter dem BegriffBarbareninvasion gelehrten historischen Epochemachte er deutlich, welches Ziel er mit diesemProjekt verfolgt: Neben der Beschäftigungmit Nationalgeschichte soll deren Wahrnehmungdurch den jeweiligen Nachbarn erfahrbar werden.Ein Bestreben, das tendenziell auch Leitmotivdes deutsch-israelischen Jugendaustauschsist.

In eine solche komplexe Publikation könntendann wohl auch die Erinnerungen aufgenommenwerden, die Petra Bläss und Friedrich Schorlemmerzur Debatte beisteuerten. Während der Theologeüber den großen Unterschied zwischen den offiziellenAnti-Doktrinen der DDR und der differenzierterenBetrachtung des israelischen Staates durchostdeutsche Intellektuelle sprach, beschriebdie Politikerin ihre Erfahrungen als jungeGermanistin in den 80er Jahren wesentlichunbefangener. Angesichts eines Informations-Vakuums,das in ihrer Altersgruppe zu jener Zeit zumThema Israel herrschte, habe sie dem jüdischenStaat nach der Wende unvoreingenommen gegenübergestanden.Auch diese Wahrnehmungs-Differenz innerhalbostdeutscher Generationen dürfte die Notwendigkeitnachhaltiger Begegnungen zwischen Deutschenund Israelis - nicht nur auf Jugend-Ebene -belegen.