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EU setzt Weisenrat ein und streitet über Balkan

14.12.2007, 19:03

Brüssel/dpa. - Streit über den Balkan spaltet die Europäische Union - und das schon kurz nach der Demonstration von Geschlossenheit bei der Unterzeichnung des neuen Reformvertrags.

Nur mühsam einigten sich die Staats- und Regierungschefs beim Brüsseler EU-Gipfel am Freitag auf gemeinsame Formeln zum Umgang mit Serbien und dem Kosovo. Den Weg in die weitere Zukunft der Gemeinschaft soll ein «Rat der Weisen» ebnen, dem der Gipfel allerdings strenge Vorgaben machte.

Bundeskanzlerin Angela Merkel erklärte, der «Rat der Weisen» werde keine Vorentscheidungen zur künftigen Größe der EU treffen. «Wer Mitglied der EU wird, kann nur politisch entschieden werden», sagte Merkel. Die Kanzlerin trat damit Überlegungen des französischen Präsidenten Nicolas Sarkozy entgegen, das neue EU-Gremium könnte die Weichen für oder gegen eine Aufnahme der Türkei in die Union stellen.

Eine politische Entscheidung zur weiteren Annäherung Serbiens an die EU vermied die Gipfelrunde. Das Schlussdokument bekräftigt, dass die Zukunft des westlichen Balkans in der EU sei. «Aber wir haben sehr deutlich gemacht, dass der Schlüssel dafür bei Serbien selbst liegt», sagte der niederländische Außenminister Maxime Verhagen.

Die Regierung in Belgrad müsse bei der Auslieferung mutmaßlicher Kriegsverbrecher an das Internationale Tribunal in Den Haag voll mitarbeiten, bevor die EU das fertig ausgehandelte Stabilisierungs- und Assoziierungsabkommen unterzeichne und Serbien später EU- Kandidatenstatus gebe. Verhagen zufolge haben sich die Niederlande und Belgien mit dieser harten Position gegen andere Länder durchgesetzt, die in der Hoffnung auf eine nachgiebigere Haltung Serbiens in Kosovokonflikt europäische Zugeständnisse wünschten.

Die serbische Führung in Belgrad wies ein mögliches Koppelgeschäft von EU-Beitrittsgesprächen gegen eine Aufgabe des nach Unabhängigkeit strebenden Kosovo zurück. «Geschäfte mit unserem Staatsgebiet stehen außer Frage», sagte Außenminister Vuk Jeremic. «Serbien wird Kosovo nicht verkaufen.» Zugleich äußerten Zypern, Griechenland, die Slowakei, Spanien und Rumänien beim EU-Gipfel Vorbehalte, ein unabhängiges Kosovo anzuerkennen.

Ungeachtet der internen Konflikte zeigte sich Kanzlerin Merkel zuversichtlich, dass die EU geschlossen mit dem Problem Kosovo umgehen könne. «Der politische Wille ist gegeben», sagte Merkel. Auch der österreichische Bundeskanzler Alfred Gusenbauer versuchte, die Wogen zu glätten: «Ich bin sehr optimistisch, dass die große Mehrheit der Mitgliedstaaten gemeinsam vorgeht.»

Bundesaußenminister Frank-Walter Steinmeier wertete den Beschluss, eine «Rechtsstaats-Mission» der EU für das Kosovo voranzutreiben, als Ausdruck von mehr Gemeinsamkeit in der Außenpolitik. Die EU plant den Einsatz von 1800 Experten zur Stärkung von Polizei und Justiz im Kosovo. Strittig ist, ob der Einsatz die Zustimmung des UN- Sicherheitsrates braucht.

Zu Serbien meinte Steinmeiers luxemburgischer Kollege Jean Asselborn: «Meiner Ansicht nach könnte das Stabilisierungs- und Assoziierungsabkommen in den nächsten Wochen auch dann unterzeichnet werden, wenn die Zusammenarbeit Belgrads mit dem UN- Kriegsverbrechertribunal noch nicht perfekt ist.» Frankreichs Staatspräsident Nicolas Sarkozy meinte, die EU habe angesichts der Wunsches der Kosovaren nach Unabhängigkeit kaum Alternativen.

Sarkozy hatte auch den «Rat der Weisen» zur Zukunft der EU vorgeschlagen, den der Gipfel in abgeschwächter Form beschloss. Der frühere spanische Premierminister Felipe González wird die neunköpfige Gruppe von Vordenkern leiten. Sie soll im Sommer 2010 eine Vision für die Gemeinschaft in den folgenden zwei Jahrzehnten vorlegen. Vizepräsidenten der Gruppe werden die frühere lettische Präsidentin Vaira Vike-Freiberga und Nokias Ex-Chef Jorma Ollila.

Manche Länder stellten den «Rat der Weisen» grundsätzlich in Frage, stimmten seiner Gründung aber letztlich zu. «Nachdenken können wir auch selbst», meinte der dänische Regierungschef Anders Fogh Rasmussen. Der stellvertretende tschechische Regierungschef Alexandr Vondra sagte: «Wir hatten große Bedenken gegen die Gruppe.»

Ausführlich ging das Schlussdokument des Gipfels auf die Migrationspolitik ein. Der Gipfel betonte die Zuständigkeit der Mitgliedstaaten bei der Einwanderung auf die Arbeitsmärkte und den Vorrang für Unionsbürger. Er fordert die EU-Kommission zugleich auf, im kommenden Jahr weitergehende Vorschläge zu einer «gemeinsamen Einwanderungspolitik» zu machen. Die zuständigen Minister sollen die Arbeit an einem gemeinsamen Antragsverfahren für hoch qualifizierte Einwanderer fortsetzen, heißt in dem Papier.

Von Roland Siegloff, dpa