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Zuckerartistik Zuckerartistik: Stets süße und oft heiße Kunst

Von Ilka Hillger 23.12.2002, 15:20

Dessau/MZ. - Mit dem süßen Kram hatte die gelernte Köchin eigentlich viele Jahre gar nichts am Hut, sie hatte doch eher die kalten Platten und das Dekorieren im Sinn. Jahrelang als Küchenleiterin auch am Dessauer Klinikum und zuletzt in Haldensleben tätig, gab es schließlich Anlässe genug, die kreative Ader auszuleben. Beate Tausendfreunds Kochkünste waren offensichtlich schon immer auch ein Augenschmaus. Ausschließlich als solcher ist denn auch die Zuckerartistik gedacht. Der Besuch einer Messe in der Schweiz gab den Ausschlag für das Hobby, das nun zum Beruf werden soll. "Da wurde live aus Zucker eine Mickey Maus geformt", schwärmt die Köchin noch Jahre später. Und ihr Lebensgefährte Kurt Rüdisüli, Küchenchef am Dessauer Klinikum, erinnert sich: "Ich konnte die Beate dort nicht mehr wegziehen." Dass er dies nicht schaffte, beschert ihm nun eine Freundin, die sich fast tagtäglich mit heißen, süßen Dingen beschäftig und sich dabei so manches Mal die Finger verbrennt.

Vier Kurse brauchte es, bis Beate Tausendfreund von sich sagen konnte, im Bereich der Zuckerartistik ein Profi zu sein. Bei Othmar Fassbind, dem Schweizer Meister in diesem ausgefallenen Gebiet der Kochkunst, belegte Beate Tausendfreund den einwöchigen Grundkurs für angehende Zuckerartisten. Drei Fortsetzungskurse schlossen sich an. Das war 1996 / 97, und die Köchin erinnert sich gern an die Zeit in Luzern. Sowohl Praxis als auch Theorie standen an den Unterrichtstagen auf dem Programm. "Wir haben den Zucker selbst gekocht und dann gleich mit ihm gearbeitet", erzählt sie. Und davon, dass die Begeisterung der Kursteilnehmer so groß war, dass man sich abends nach regulärem Unterrichtsende wieder im Atelier einfand, um weiter an den Skulpturen zu arbeiten.

Dass Beate Tausendfreund dies ausgesprochen gut machte, beweist nicht zuletzt ihr Meisterabschluss, den sie für ein sehr weihnachtliches Arrangement erhielt. Ein Weihnachtsmann mit Bowlingkugel zielt nach drei wenig erfreuten Schneemännern. Vier Jahre war das Meisterstück gut verwahrt. Heute gibt es nur noch Fotos davon. "Beim Umzug kam Luft dran. Das war es dann. Ich hab gedacht, es ist jemand gestorben." Zuckerartistik ist eben vergänglich. Die Feuchte der Luft lässt die Plastiken glänzen und dann zerlaufen, wenn man sie nicht sorgsam davor schützt.

Deshalb sind die guten Stücke, die im Laufe der Jahre am heimischen Herd und Küchentisch entstanden, hinter Plexiglaskuppeln verwahrt, Löschkalk unter dem Sockel saugt die Feuchtigkeit auf. Bevor freilich Rehkitze, Engel, Eulen, lustige Figuren und all die Plastiken unter der Haube sind, macht Beate Tausendfreund ihren süßen Job, der damit beginnt, dass der Zucker zu klarem Sirup gekocht wird. Dann gibt es viele Möglichkeiten der Weiterverarbeitung. "Man kann mit Zucker so viel machen", weiß Frau Tausendfreund selbst am besten. Sie zieht die Masse - je nach Bedarf ist diese durch Lebensmittelfarbe bunt -, bis diese hauchdünn ist, und formt die grazilsten Gebilde.

Dies ist auch jener Moment, in dem es für die Finger gefährlich wird. "Angst vor Verbrennungen darf man nicht haben, durch die Hitze, das sind zwischen 180 und 220 Grad, ist die Arbeit nicht ganz ungefährlich." Manchmal werden die Figuren gegossen, und schließlich wird alles bemalt. Und bei all dem klebt es - und zwar ganz gewaltig. "Man hat ständig das Gefühl, dass man mit den Schuhen hängen bleibt", lacht Beate Tausendfreund.

Da sieht es mit ihrer zweiten Vorliebe doch ganz anders aus. Denn jüngst erst entdeckte sie ihr Herz auch für die Gemüseschnitzkunst, die nun gar nicht heiß und klebrig ist. "Das wird mein zweites Standbein", ist sie sich sicher. Kann man doch die Gemüseschnitzerei das ganze Jahr über machen und ist nicht wie bei der Zuckerartistik von der Luftfeuchtigkeit abhängig. Alles was schnitzbar ist, kommt bei Beate Tausendfreund in dieser Sparte unters Messer. Dabei entstehen die phantastischsten Gebilde und Körbe, die wohl jede Tafel zieren.

Bestellen soll man sich die Zuckerartistik als auch die Gemüseschnitzereien ab kommenden Jahr können, wenn Frau Tausendfreund in Haldensleben ihr Gewerbe eröffnen will. "Milami Zuckerartistik und Gemüseschnitzkunst" soll das Geschäft heißen, für das es nun nur noch die Kunden braucht. Bislang hat die einstige Köchin noch keines ihrer Stücke regulär verkauft, denn: "Rechnet man den Arbeitsaufwand dagegen, wäre das meiste nicht bezahlbar." Deshalb kam ihr auch die Idee, die Zuckerplastiken zu vermieten. "Das wäre sicher für Hotels und Gaststätten überlegenswert", denkt Frau Tausendfreund. Kleine Zuckerkunstwerke seien doch ein weitaus ansehnlicher Tischschmuck als staubige Kunstblumen. Und den Service gibt es bei der Vermittlung dazu. Lässt sich doch nicht ausschließen, dass dann und wann mal jemand neugierig am Rosenblatt knabbert.

Beate Tausendfreund würde das freilich nie passieren. Ganz offen gesteht sie, dass sie Bonbons noch nie gerne aß. "Dann doch lieber Marzipan." So kann sie arbeiten, ohne ständig ans Naschen zu denken. Und weiter Preise gewinnen, wie zum Beispiel jene Bronze-Medaille bei der Olympiade der Köche vor zwei Jahren anlässlich der Internationalen Kochkunstausstellung oder Gold beim Köcheball in Magdeburg. Unter dem Motto "Süß und salzig" ließ sie echtes Meeresgetier auf einem Zuckerspiegel aus Meer und Wellen schwimmen. "So was hat noch keiner gesehen", lobt Freund Kurt Rüdisüli seine Freundin noch immer. "Jetzt musst Du nur noch Eisskulpturen machen. Das ist zur Zeit sehr modern", drängt er die Freundin. Doch Beate Tausendfreund bleibt bei ihrem Zucker und dem Gemüse: "Das einzige, wofür ich mich nicht interessiere, ist, Eis zu meißeln." Die Zuckerartistik ist schließlich schon gefährlich genug.

Kontakt: Beate Tausendfreund, Telefon 03904 / 464733

Im Internet unter: www.fabilo.ch