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Baby-Leichen in Brieskow-Finkenheerd Baby-Leichen in Brieskow-Finkenheerd: Mutter will Kinder allein entbunden haben

02.08.2005, 06:02
Im brandenburgischen Brieskow-Finkenheerd südlich von Frankfurt (Oder) liegen am Dienstag (02.08.2005) Blumen vor der Gartentür zum Grundstück des Fundortes der neun toten Neugeborenen, die hier seit vielen Jahren versteckt waren. (Foto: dpa)
Im brandenburgischen Brieskow-Finkenheerd südlich von Frankfurt (Oder) liegen am Dienstag (02.08.2005) Blumen vor der Gartentür zum Grundstück des Fundortes der neun toten Neugeborenen, die hier seit vielen Jahren versteckt waren. (Foto: dpa) dpa-Zentralbild

Frankfurt (Oder)/dpa. - Die Mutter der neun toten Babys ausBrandenburg hat die Kinder nach eigenen Angaben ohne fremde Hilfe zurWelt gebracht, will aber keine Erinnerung an die Todesumstände haben.Das berichtete die Staatsanwaltschaft Frankfurt (Oder) am Dienstagaus ersten Vernehmungen. «Sie will sich nur an die Entbindung derersten beiden Kinder erinnern», teilte Staatsanwältin Anette Bargendamit. Als Grund nannte die Beschuldigte ihren starken Alkoholkonsumvor den Geburten.

Sie sei bei den Geburten stets betrunken gewesen. In dieserSituation habe sie eine Decke über das Neugeborene gelegt und seierst wieder zu sich gekommen, als das Kind tot war. In keinem derneun Fälle habe die Frau «Gewalt gegen die Kinder» eingeräumt, hießes. Zur Todesursache wurden keine Angaben gemacht. Die Ermittlerwollten noch Laboruntersuchungen abwarten. Die sterblichen Überresteder Kinder wurden obduziert.

Die toten Kinder hatte die Frau in Blumenkästen verscharrt unddiese später in Brieskow-Finkenheerd (Oder-Spree) auf dem Grundstückder Eltern abgestellt. Dort waren sie am Sonntag entdeckt worden. Aufdem Anwesen sowie an anderen Aufenthaltsorten der Frau gingen amDienstag die Durchsuchungen weiter. «Wir ermitteln überall», sagteBargenda. Bisher gebe es aber keine Hinweise auf mögliche weitereOpfer. Von den neun Kinder soll eins in Goslar (Niedersachsen), dieanderen acht in Frankfurt (Oder) geboren worden sein.

Die Staatsanwaltschaft schränkte den Zeitraum der Geburten auf dieJahre 1988 bis 1999 ein. Ein mögliches Tatmotiv könnte sein, dass dieFrau, die damals schon drei Kinder hatte, keinen Nachwuchs mehrwollte, hieß es. Den Angaben zufolge ist die Frau derzeit nichtschwanger.

In bestimmten Familien sind Babys nach Einschätzung des CottbuserKinderarztes Thomas Erler regelrecht unerwünschte Personen.«Internationale Untersuchungen zeigen, dass bestimmte Gruppen vonKindern gefährdet sind, vernachlässigt, misshandelt oder sogargetötet zu werden wie die neun Babys in Brieskow-Finkenheerd», sagteder Chefarzt der Kinderklinik des Carl-Thiem-Klinikums.

Nach Einschätzung des Bundes Deutscher Hebammen (BDH) kann dieinnere Ablehnung einer Schwangerschaft bei einer Mutter massiven Hassauf ihr Kind erzeugen und ihr sogar die Angst vor dem Töten nehmen.«Will eine Frau kein Kind bekommen, leugnet sie ihre Schwangerschaftund verhindert so ihre Muttergefühle», sagte Medizinethnologin EdithWolber.

Zu dem Phänomen der neun unentdeckt gebliebenen Schwangerschaftensagte Bargenda, sie stehe da vor einem Rätsel. Die Familie sowie dervon der Frau inzwischen geschiedene Ehemann seien erschüttert. «Mannund Kinder haben glaubhaft versichert: wir haben nichts mitbekommen.»

Der Ehemann soll nach Meinung der Beschuldigten auch der Vater derneun toten Kinder sein. Das soll mittels DNA-Test geprüft werden. Beider Vernehmung habe die Frau den Eindruck erweckt, dass sie über dieEntdeckung der Taten froh sei, hieß es.

Insgesamt hat die Frau vier lebende Kinder: Eine 21-jährigeTochter, zwei Söhne im Alter von 20 und 18 Jahren sowie ein kleinesMädchen unter zwei Jahren. Das Jugendamt Frankfurt (Oder) betreutekurzzeitig das jüngste Kind. Zwischen der Frau und ihremLebensgefährten war es im Juni zu Streitigkeiten gekommen. Nachbarnriefen die Polizei. Da die Beamten das Kind in verwahrlostem Zustandvorfanden, übergaben sie es zunächst der Großmutter und schaltetendas Jugendamt ein.

Frankfurts Oberbürgermeister Martin Patzelt (CDU) sagte, seineBehörden hätten keinerlei Indizien gehabt, dass diese schrecklichenTaten passierten. Er sprach von einem bestürzendem Geschehen.

Die Frau soll die Taten nach den bisherigen Erkenntnissen alleinbegangen haben. Gegen die 39-Jährige war am Montag Haftbefehlerlassen worden. Sie sitzt in Untersuchungshaft.

(Grafik: dpa)
(Grafik: dpa)
dpa