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Bahnhistorie Bahnhistorie: Auf den Gleisen von Buna und Leuna

Von HANS-JOACHIM WEISE 04.01.2010, 17:25

SCHKOPAU/MZ. - Hierzulande fehlt wohl ihr Modell auf keiner Anlage, schon gar nicht auf einer, die dem Eisenbahnbetrieb im "Chemie-Dreieck" gewidmet ist. Ob vor Reise- oder Güterzügen: ohne sie war Zugverkehr über Jahrzehnte undenkbar, zumindest wenn die Züge auf Strecken ohne Fahrleitung übergingen: Am 31. Dezember 1959 war mit der Baumusterlok V 180 001 die erste Maschine der für die Deutsche Reichsbahn geplanten Großdiesellok-Baureihe im VEB Lokomotivbau in Potsdam-Babelsberg fertig gestellt worden und stand zur Erprobung bereit.

Der Weg bis dahin war aber nicht leicht. Durch den Zweiten Weltkrieg und seine Folgen fehlte es an Erfahrungen beim Bau leistungsstarker Diesellokomotiven und Möglichkeiten zur Fertigung der Motoren und Strömungsgetriebe. Zuvor war auch Konzeptionelles zu entscheiden: Elektrische oder hydraulische Kraftübertragung. Verbrennungsmotoren können nämlich im Gegensatz zu Dampfmaschine und Elektromotor nicht unter Last anlaufen. Sie benötigen Kupplung und Getriebe zur Übertragung der Kraft auf die Antriebsachsen. Das vom Kraftwagen her bekannte Zahnradgetriebe eignet sich jedoch nur für Dieselloks kleiner Leistung.

So fiel die Entscheidung zugunsten hydraulischer Kraftübertragung mittels Strömungsgetriebe. Bei der im Januar 1960 begonnenen Erprobung erwies sich die Baumusterlok als besonders betriebstüchtig. Aber es waren noch Änderungen erforderlich. Sie war die erste Großdiesellok, die eine bis dahin nur bei Straßenbahnen, Industrielokomotiven

und U-Bahn-Fahrzeugen verwendete wartungs- und verschleißfreie Metall-Gummi-Federung besaß.

Noch waren weitere Probleme zu lösen: So war das Lokgewicht zu hoch, die importierten Getriebe waren durch einheimische zu ersetzen, für den Reisezugdienst war eine Heizanlage erforderlich und der Einsatz auf Nebenbahnen musste ebenfalls möglich sein.

Die neuen Erkenntnisse flossen in die 1962 fertigen Musterloks 003 und 004 ein, ein Jahr später wurde mit V 180 005 die Serienfertigung begonnen. Die Lieferung endete schon mit der 87. Maschine 1965, da die Leistung beider Motoren mit je 900 PS (662 kW) knapp bemessen war. Inzwischen war eine mit 1 000 PS stärkere Ausführung erfolgreich erprobt worden, weshalb die Serienfertigung der konstruktiv verbesserten Loks V 180 101 bis V 180 182 begonnen hatte. So konnten ab 1966 endlich Dampflokomotiven in größerem Umfang ersetzt werden. Ein Problem blieb: Die vierachsige V 180 war für viele Strecken im Nebenbahnnetz zu schwer. Deshalb wurde eine sechsachsige Ausführung entwickelt, deren erste Maschine V 180 201 vor nunmehr 45 Jahren geliefert wurde. Die Bauart wurde auf Strecken des Thüringer Waldes eingesetzt. Mit der V 180 406 verließ 1970 die letzte sechsachsige Maschine das Werk. Dazu kamen neun Stück, die als Werkloks auf den Gleisanlagen der Leuna- und der Buna-Werke eingesetzt wurden. Sie verkehrten auch auf Reichsbahngleisen, wo sie Kohle- und Kesselwagenzüge zogen.

Buna hatte 1968 insgesamt vier Maschinen erhalten, die mit den Nummern 201 bis 204 in den werkseigenen Lokpark eingereiht und bis 1991 vor Pendelzügen eingesetzt wurden. Mit ihnen waren die alten preußischen Dampfloks der späteren Baureihen 55 und 57 abgelöst worden.

Die Leuna-Werke erhielten 1969 insgesamt fünf fabrikneue V 180, die mit den Nummern 201 bis 205 eingereiht wurden. Sie erledigten vor allem die Kohlezufuhr aus Braunsbedra für die eigenen Kraftwerke, die Müllabfuhr nach Lochau und Übergabefahrten zwischen Leuna II und den Bahnhöfen Großkorbetha und Weißenfels. Gelegentlich halfen sie auch der Deutschen Reichsbahn bei Lokmangel.

Der wichtigste Unterschied zu den an die Bahn gelieferten V 180 bestand in der fehlenden Zugheizanlage. Eine weitere als V 240 vorgesehene Ausführung mit zwei 1 200-PS-Motoren blieb zunächst unverwirklicht. Die Musterlok V 240 001 sollte nach der Erprobung der Verschrottung anheim fallen, wurde aber mit Teilen von Unfall-Loks an die Serie V 180.2-4 angeglichen und 1971 als 118 202-1 in Dienst gestellt. Die mit ihr gewonnenen Erfahrungen führten zur Umrüstung weiterer sechsachsiger Maschinen auf die stärkeren 1 200-PS-Motoren, die auch im Thüringer Wald unentbehrlich werden sollten. Ab 1976 wurden bei der ersten V 180.0 die alten 900-PS-Anlagen durch 1 000-PS-Motoren ersetzt, womit die Reihe 118.5 entstand.

Bei allen drei Grundausführungen gab es je eine Maschine, die sich schon äußerlich von den anderen Loks durch Stirnseiten aus glasfaserverstärktem Polyester (GFP) und blendfreie Frontscheiben auffällig unterschied.

Die Deutsche Bahn AG hat die ab 1992 als Reihe 228 bezeichneten Loks aufs Abstellgleis geschoben. Bei Privatbahnen und Gleisbauunternehmen leistet manche von ihnen aber noch gute Dienste und in Eisenbahnmuseen ist eine der "schönen Babelsbergerinnen" ohnehin eine Selbstverständlichkeit.