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Landkreis Harz Landkreis Harz: Auf einmal dicht

Von STEFFEN HÖHNE 05.01.2011, 19:03

BALLENSTEDT/MZ. - Fünf Tonnen fasst der kleine Silo, in dem sich geschrotetes Getreide befindet. Daneben stehen Tanks mit Schlempe, Fett und Soja. Über eine Computeranlage werden die Futterstoffe in einem Edelstahlbehälter miteinander vermengt. Das Mischfutter des Guts Asmusstedt wird dann über Leitungen im Boden direkt in fünf große Schweineställe geleitet. Wenn die Futtersonden den flüssigen Brei ausgeben, beginnt das große Fressen. Die Jungtiere, die sich zu je zwei Dutzend in Boxen befinden, haben reichlich Platz. Kein Kot liegt auf dem Boden. Die Wärme für den Stall liefert demnächst eine Biogasanlage. Der Hof, der in einer kleinen Senke am Harzrand bei Ballenstedt liegt, könnte zur Werbung für moderne, mittelständische Mastwirtschaft dienen.

Doch das Gut mit rund 6 000 Schweinen ist seit Dienstag gesperrt. Das Veterinäramt des Landkreises Harz hat Landwirt Markus Jacobs mitgeteilt, dass sein Futter dioxinbelastet war. Der Hof ist einer von mehr als 1 000 Schweine-, Geflügel- und Rinderbetrieben in Deutschland, die von der Firma Harles & Jentzsch aus Schleswig-Holstein verunreinigtes Fett direkt oder indirekt bezogen haben. Statt Fetten für Futtermittel wurden offenbar technische Fette geliefert, die dioxinbelastet waren. Dioxin ist ein Gift, das Krebs auslösen kann.

Erst vom Harzer Veterinäramt erfuhr Jacobs, dass eine Lieferung von acht Tonnen am 29. November betroffen war. Der Hersteller hat sich bis heute nicht gemeldet. "Bis zum 20. Dezember hatten wir dies bereits verfüttert", sagt der Landwirt. Das Fett werde als Energieträger eingesetzt. "Fett ist die Schokolade der Tiere."

Das Veterinäramt schloss nicht nur den Hof, sondern ließ auch drei Schweine schlachten. Das Gewebe der Tiere, in welches sich das Dioxin einlagert, wird nun daraufhin untersucht, ob die Grenzwerte überschritten werden. Am Freitag erwartet Jacobs den Befund. Es ist eine Geduldprobe. Für ihn, die Familie, die Angestellten. Er hofft, dass die Belastung gering ist und der Hof wieder liefern darf. "Fett hat nur einen Anteil von 0,3 Prozent beim Futter", sagt Jacobs. Nach den bisherigen Ermittlungen über den Dioxinanteil dürften die Grenzwerte rein rechnerisch nicht überschritten sein. Sicher ist dies nicht. Schlimmstenfalls müssen weitere Tiere getestet werden. Alte Tiere, die kurz vor der Schlachtung stehen, fressen besonders viel - etwa 2,5 Kilogramm am Tag. Sie dürften auch mehr Dioxin aufgenommen haben, sagt der 36-jährige Landwirt. Dies sei derzeit aber alles Spekulation.

Eine längere Sperrung des Betriebs wegen zeitaufwendiger Tests würde den Betrieb finanziell hart treffen. Pro Woche werden etwa 300 Schweine an die Schlachthöfe in Halberstadt und Weißenfels verkauft. Dies entspricht Einnahmen von mehr als 40 000 Euro, auf die der Familienbetrieb mit acht Mitarbeitern angewiesen ist. Nach der Wende hat Jacobs Vater den Betrieb aufgebaut. Seit 1998 betreiben sie Schweinezucht. Dafür wurden Millionen investiert. "Es ist unklar, ob wir Schadensersatz erhalten", sagt Jacobs.

Noch mehr beschäftigt ihn: Etwa 1 200 Schweine, die dioxinbelastetes Futter erhielten, sind bereits ausgeliefert. "Dies ist alles extrem ärgerlich." Denn das Gut Asmusstedt achtet auf Qualität. Im Bürogebäude hängen Zertifikate aus. QS heißt das System, eine Art Tüv für Schweinezucht. Das bedeutet auch, dass alle Zulieferer nach den QS-Richtlinien arbeiten müssen. "Mit dem System soll eigentlich verhindert werden, dass ein Lieferant mangelhafte Ware verkauft."

Der Harzer Hof wird jedes Jahr durch eine staatliche Behörde geprüft und führt einmal Eigenkontrollen durch. Der Landwirt hält dies für ausreichend. "Über unseren eigenen Anbau und Lager haben wir einen Überblick." Allerdings müssten nach seiner Ansicht Unternehmen, die etwa tierische- und technische Fette parallel verarbeiten, stärker kontrolliert werden. Das Risiko sei da größer.

Der Schweinemäster ist auf Top-Qualität bei seinen Zulieferern angewiesen. "Auf unseren 900 Hektar können wir Getreide als Futtermittel selbst anbauen", meint der Unternehmer. Doch Soja als Eiweißlieferant wachse nun einmal nicht in Deutschland, und eine eigene Fettproduktion lohne sich für kleine Betriebe erst recht nicht.

Der Ruf nach schärferen Gesetzen ist dem bodenständigen Mann jedoch zuwider. Seit der BSE-Krise im Jahr 2001 habe es deutliche Verbesserungen bei der Kontrolle gegeben. So könne heute der Weg aller Waren detailliert nachvollzogen werden. Schlamperei oder Kriminalität würden aufgedeckt. "Es ist wichtig, dass schwarze Schafe schnell zur Rechenschaft gezogen werden", sagt Jacobs und fügt nüchtern hinzu: "100 Prozent Schutz wird es aber nie geben."