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Bitterfeld-Wolfen Bitterfeld-Wolfen: Auch Rehe gehören zu den Besuchern auf Friedhöfen

Von BÄRBEL HELBIG 17.05.2010, 15:55

BITTERFELD-WOLFEN/MZ. - Wenn von Stiefmütterchen oder Rosensträußen auf dem Friedhof über Nacht nur noch kahle Stängel übrig sind, dann waren Feinschmecker am Werk: Rehe, die den Grabschmuck als Delikatesse entdeckt haben. "Sie lieben besonders die Frühjahrsbepflanzung, denn so etwas finden sie zu dem Zeitpunkt nicht in der Natur", sagt Günther Rolle, der für die öffentlichen Anlagen verantwortliche Sachgebietsleiter in der Stadtverwaltung Bitterfeld-Wolfen. Das Wild auf Friedhöfen sei aber nicht nur in Bitterfeld-Wolfen oder Sandersdorf, sondern deutschlandweit ein Problem. Und überall habe sich herausgestellt, dass sich die Tiere nur ganz schwer vertreiben lassen.

Wie auf dem Bitterfelder Friedhof. Nach dem Hochwasser wurde ein neuer Zaun gesetzt, seitdem kommen keine Wildschweine mehr durch. Doch Rehe finden nach wie vor Zugang. Sie kommen nicht nur als gelegentliche Besucher, sie haben sich hier sogar einquartiert. "Manche Friedhofsbesucher beobachten sie und finden es schön", sagt Rolle. Andere Bürger seien wegen der Schäden nicht so begeistert. So hat er bereits mit Jägern und auch mit der Feuerwehr beraten, wie die Rehe vertrieben werden könnten. Bislang ohne Ergebnis, auf dem 13 Hektar großen Gelände finden die Tiere zu viele Verstecke. Und ein Abschuss kommt mitten in der Stadt auch nicht in Frage. So kann Rolle Bürgern nur den Rat geben, bei der Grabbepflanzung zu berücksichtigen, was Rehe besonders gern fressen, zum Beispiel gelbe Stiefmütterchen. In Fachgeschäften gibt es nach seinen Worten auch Mittel, mit denen Tiere vergrämt werden können.

Wie wirksam diese Mittel sind, muss sich jedoch in Bitterfeld erst einmal in der Praxis erweisen. Einfache Dinge wie der Tipp, die Blumen mit Buttermilch zu besprühen, brachten nach entsprechenden Berichten in Gartenzeitschriften jedenfalls keinen Erfolg. In den Kommunen wurden auch andere Mittel ausprobiert: Elektrozäune, Böllerschüsse und Schutznetze über den Pflanzen - alles mit mäßiger Wirkung.

Wie weit sich Rehe den Menschen in der Stadt nähern, das weiß auch Stadthof-Betriebsleiter Andreas Patzak. "Auf unserem Betriebshof in Wolfen laufen sie auch herum", berichtet er. Und er hat auch oft genug erlebt, dass sie ohne weiteres in der Lage sind, Hindernisse wie einen anderthalb Meter hohen Zaun problemlos zu überwinden. So gelangen sie auch auf den Friedhof in Wolfen. "Sie springen vom Wall aus über den Zaun und sind tagsüber nicht zu sehen", sagt Patzak.

Doch Rehe, Kaninchen und andere Tiere sind für Günther Rolle nicht das größte Problem auf den neun Friedhöfen in der Stadt Bitterfeld-Wolfen. "30 Hektar Fläche mit mehr als 3 000 Bäumen, Sträuchern, Wegen und Flächen, die für Bestattungen vor- und nachzubereiten sind, wollen gepflegt sein." Nach dem Zusammenschluss zur großen Stadt wurde eine neue Struktur gebildet, um effektiver arbeiten zu können, Rolle weiß aber auch, dass die Veränderungen nicht nur Beifall gefunden haben. "Die Leute waren gewöhnt, dass ständig jemand da war." Das ist nun anders. Die Gräber werden nicht mehr von Gemeindearbeitern ausgehoben, sondern von Bestattungsunternehmen. Mitarbeiter des Stadthofes pflegen den Rasen, reinigen die Wege und erledigen andere Arbeiten. "Wir haben Verträge mit den Ämtern und bekommen auch Einzelaufträge", berichtet Andreas Patzak, Chef des Eigenbetriebes Stadthof. Kollegen seien täglich vor Ort, vier auf dem Friedhof in Wolfen, drei in Bitterfeld, einer in Holzweißig, Bobbau und Siebenhausen.

Neben kleineren Dingen wie das Reinigen der verschmutzten Bänke auf dem Friedhof in Wolfen, über die sich Besucher beschwert hatten, stehen vor dem Sachbereich Öffentliche Anlagen in der Stadtverwaltung noch eine Reihe größerer Aufgaben. "Bitterfeld und Holzweißig sind Schwerpunkte", stellt Günther Rolle fest und nennt ein Beispiel. "In Holzweißig haben die Säulenpappeln ein solches Alter und einen solchen Zustand erreicht, dass sie weggenommen werden müssen." Im Herbst soll eine neue Reihe mit Blütenbäumen gepflanzt werden. Auch die Urnengemeinschaftsanlage und die Feierstelle sollen saniert und aufgewertet, die Wege komplett neu mit Splitt belegt werden.

"Wir gehen Schritt für Schritt vor, um überall eine Grundordnung herzustellen. Doch es bleibt Nachholbedarf wie die Toiletten in der Trauerhalle oder die desolate Einfriedung, was nicht wenig kosten wird", weiß Rolle.