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Anhalt-Bitterfeld Anhalt-Bitterfeld: Hat Hochwasser keine Chance mehr?

Von DETMAR OPPENKOWSKI 28.07.2010, 18:12

RAGUHN/RÖSA/MZ. - Acht Meter lang sind die Spundwände, die die Spundwandramme bis zur Hälfte in den Boden versenkt. Seit Juni laufen in Raguhn am Spittelwasser zwischen Hallischer Brücke und Friedhof die Arbeiten. Ende des Jahres soll das etwa 600 Meter lange Stück fertig gestellt und die Raguhner Innenstadt vor möglichen Muldehochwassern geschützt sein. Mit der Fertigstellung dieses Teilstücks endet dann auch die "Instandsetzung des Stadtdeiches Raguhn", erklärt Bernd Ebenrett.

Er ist der Projektverantwortliche für diese Maßnahme des Landesbetriebs für Hochwasserschutz und Wasserwirtschaft Sachsen-Anhalt (LHW) und hat als Bauleiter einen Teil der neun Bauabschnitte mit insgesamt drei Kilometern Deichanlagen und Hochwasserschutzwänden in Raguhn betreut. Zur Gesamtmaßnahme gehören noch der Deich Kleckewitz und der Deich Neustadt mit weiteren zwei Kilometern Deichanlage.

Auf 11,2 Millionen Euro - finanziert durch die Europäische Union, den Bund und das Land Sachsen-Anhalt - belaufen sich die Bau- und Planungskosten nur für den innerstädtischen Hochwasserschutz. Allein der letzte Bauabschnitt schlägt mit 2,6 Millionen Euro zu Buche. "Durch diese Maßnahme haben wir einen HQ 100, also einen Schutz gegen Wasserstände, die theoretisch alle einhundert Jahre auftreten", sagt er, "zu diesem höchsten Wasserstand wurde der Deich noch um eine Sicherheitsreserve von einem Meter erhöht. Mit dem Deich ist die Innenstadt von Raguhn vor dem Muldehochwasser geschützt."

Dass die Raguhner Hochwasserschutzmaßnahme nicht für sich alleine steht, sondern in die Hochwasserkonzeption Sachsen-Anhalts eingebettet ist, verdeutlicht Ebenrett wie folgt: "Wir haben im Land drei Strategien zum Hochwasserschutz. Die erste ist, wie in Raguhn, die Deichertüchtigung und der Neubau. Die zweite konzentriert sich auf die Deichrückverlegung und die Schaffung von Retentionsfläche. In der dritten werden Polder für Extremerereignisse errichtet - dieser soll in Rösa gebaut werden."

Während am Unterlauf der Mulde - also in Raguhn - Deichanlagen vor einem möglichen Hochwasser schützen sollen, ist für den Oberlauf - im Ortsteil Rösa der Gemeinde Muldestausee - ein so genannter Polder, also eine Flutungsfläche, geplant. "Um die Sicherheit an der Mulde liegender Siedlungs-, Industrie- und Gewerbegebiete gegen extreme Ereignisse zu erhöhen, ist als überregional wirksame Maßnahme die Errichtung dieses steuerbaren Polders oberhalb des Muldestausees vorgesehen", erklärt Ebenrett. "Durch den Hochwasserrückhalt im Polder werden die Hochwasserspitzen gekappt und die Scheitelabflüsse in den stromab liegenden Gewässerabschnitten der Mulde bis zur Einmündung in die Elbe reduziert. Mit der Kappung des Hochwasserscheitels soll bei Extremereignissen das Risiko von Überflutungen und Schäden minimiert werden."

Wann der Polder Rösa genau realisiert werden wird, könne man zum jetzigen Zeitpunkt noch nicht genau sagen. Zunächst sei der Antrag auf die Durchführung einesPlanfeststellungsverfahrens Ende vergangenen Jahres eingereicht worden. Dann erfolgte die Auslegung der Unterlagen und die Beteiligung der Träger öffentlicher Belange. Man befinde sich damit in der Vorbereitungsphase. Als nächster Schritt - eventuell schon Ende August - erfolge die Anhörung beim Landesverwaltungsamt. Sollte sie erfolgreich sein, dann könne man einen Planfeststellungsbeschluss fassen. Als theoretisch frühest möglichen Baubeginn benennt Ebenrett das nächste Jahr. Dann würde die Baumaßnahme voraussichtlich in "vier Jahresscheiben" realisiert werden, denn sowohl der finanzielle als auch der bauliche Aufwand sind enorm.

"Wir gehen derzeit von Gesamtkosten in Höhe von etwa 25 Millionen Euro aus, die vom Land Sachsen-Anhalt aufgebracht werden müssen", sagt der Projektverantwortliche. Nur anhand von Eckdaten lässt sich das Ausmaß des Flutungspolders erahnen. So beträgt etwa der Polderdeich - der im Extremfall zwischen der Mulde und der Rückstaufläche steht - eine Länge von 6,1 Kilometern und ist in der maximalen Höhe sieben Meter. Die Rückstaufläche beläuft sich auf 520 Hektar und soll ein Rückhaltevermögen - also ein Stauvolumen - von fast 20 Millionen Kubikmetern Wasser haben. Um dies umzusetzen, werden etwa 800 000 Kubikmeter Erd- und Dichtungsstoffe benötigt. "Bei einem HQ 200 kann man damit die Wasserspiegelhöhen der Mulde zwischen 13 und 80 Zentimeter absenken", sagt Ebenrett. Dabei macht er im gleichen Atemzug auch darauf aufmerksam, dass die Flutung nur bei Ausnahmeereignissen und als letztes Mittel genutzt werden soll. Wenn es allerdings - wie zum Hochwasser 2002 soweit kommen sollte - dann wird das Einlaufbauwerk in einer Breite von 88 Metern kontrolliert aufgesprengt, dafür gebe es entsprechende Sprengzellen. "Dies benötigt dann aber eine politische Entscheidung unter fachlicher Beratung des LHW", sagt er.

Wenn nach einer Flutung dann der Hochwasserscheitel der Muldesinke und die Lage sich normalisiere, würde das Wasser im Polder dosiert durch ein so genanntes Auslaufbauwerk wieder der Mulde zugeführt. In der Summe sei der Polder in Rösa nicht nur ein wichtiger Baustein in der Hochwasserschutzkonzeption, "sondern auch ein Bauwerk, das an der Mulde so noch nicht realisiert wurde", ordnet Ebenrett die Hochwasserschutzmaßnahme ein.