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Aschersleben Aschersleben: Chinesen stützen Schiess

Von Steffen Höhne 30.09.2012, 19:59
Schiess-Geschäftsführer Torsten Brumme ist stolz auf die meterhohen Werkzeugmaschinen. Sie können tonnenschwere Teile bearbeiten.
Schiess-Geschäftsführer Torsten Brumme ist stolz auf die meterhohen Werkzeugmaschinen. Sie können tonnenschwere Teile bearbeiten. Frank Drechsler

Aschersleben - Vor der Firmenzentrale des Maschinenbauers Schiess wehte in der vergangenen Woche die amerikanische Fahne. "Stars and Stripes" bei der Ascherslebener Firma, die doch einen chinesischen Eigner hat? "Ja", sagt Geschäftsführerer Torsten Brumme. "wir haben Kunden aus den USA im Haus." In solchen Fällen werde die Landesfahne der Gäste gehisst. Schiess war erst in der Vorwoche mit einem Stand auf einer großen US-Maschinenbau-Messe in Chicago. Brumme hofft nun auf neue Aufträge.

Diese benötigt das Unternehmen dringend. Schiess gehört zwar zu einen der ersten Adressen im Großmaschinenbau. In den Montagehallen werden die größten Werkzeugmaschinen der Welt gefertigt. Doch da es bei den großen Kunden aus der Schiffbau- und in der Windkraftanlagen-Industrie derzeit schlecht läuft, fehlen auch in Aschersleben die Aufträge. Zuletzt ging ein eingeplanter Großauftrag für vier Maschinen verloren. "Wir müssen uns daher voraussichtlich von mehr als 100 Mitarbeitern trennen", kündigt Brumme an. "Dies ist ein ganz bitterer Schritt. Viele Mitarbeiter haben wir langjährig ausgebildet." Das Unternehmen mit 380 Mitarbeitern plant, dass die betroffenen Beschäftigten in eine Transfergesellschaft wechseln. Bei besserer Auslastung sollen nach Worten Brummes möglichst viele Mitarbeiter zurückgeholt werden. "Ohne unsere chinesische Mutter im Rücken würde Schiess dies alles nicht schaffen", sagt der Geschäftsführer. Sie wollen auch weiter investieren.

Im Jahr 2004 übernommen

Dass bereits 1857 gegründete Traditionsunternehmen wurde 2004 vom größten chinesischen Werkzeugmaschinen-Hersteller, der Shenyang Machine Tool Group (SMYG) übernommen, nachdem die Ascherslebener nach der Wende zum wiederholten Male Insolvenz anmelden mussten. Die Angst, dass der fernöstliche Konzern mit 20 000 Mitarbeitern nur das technische Wissen abziehen möchte, war damals bei der 100-köpfigen Belegschaft groß.

Die Befürchtung war unbegründet. Erst durch die Chinesen wurde der Standort grundlegend modernisiert. "Wir investieren nicht zukunftsorientiert an einem Standort, um dann nur das Know-how abzugreifen", sagte SMYG-Vorstandschef Xiyou Guan im August 2010 bei einer Hallen-Einweihung in Aschersleben. "Die Entwicklung bei Schiess wird auch den Mutterkonzern unterstützen." Dabei lief die deutsch-chinesische Kooperation in der Anfangszeit nicht gerade reibungslos. "Nach 2004 wurden in Aschersleben weiter Managementfehler gemacht", sagt Brumme kritisch, der erst seit 2009 im Unternehmen ist. Auch die Firmenkulturen seien unterschiedlich. In Deutschland würden Mitarbeiter schnell Verantwortung übertragen, in China fielen Entscheidungen in der Regel in der Gruppe. Daraus habe man gelernt. Nun werde stärker kommuniziert und kooperiert. Alle sechs Wochen ist Brumme in China. "Nur durch persönlichen Kontakt entsteht Vertrauen", sagt der Maschinenbau-Ingenieur. Videokonferenzen alleine reichten nicht aus.

Die Chinesen investieren weiter in die Firma Schiess, die 2011 einem Umsatz von etwa 48 Millionen Euro erwirtschaftete. In einer der Montagehallen wird derzeit eine riesige Werkzeugmaschine von 14 Meter Breite gefertigt. Diese kann Werkstücke mit einem Gewicht von bis zu 400 Tonnen bearbeiten. "Dies geschieht mit einer Genauigkeit von zwei hundertstel Millimeter", sagt Brumme. Eine solche Präzisionsarbeit könnten nur wenige Unternehmen auf der Welt liefern. "Es ist nicht allein die Technik, sondern die Erfahrung der Mitarbeiter, die das ermöglicht." Diese Fertigkeiten seien an den Standort gebunden.

Stärkere Kooperationen vereinbart

Künftig will Schiess aber nicht nur große Werkzeugmaschinen herstellen, sondern verstärkt auch kleiner Anlagen der Marke "Aschersleben" bauen. Dabei soll verstärkt mit dem Mutterkonzern, der jährlich 100 000 Maschinen fertigt, kooperiert werden. "Wir werden Anlagen-Teile nach China liefern und auch mehr Teile von dort beziehen", sagt Brumme. Dafür müsse man natürlich auch Know-how abgeben, sonst bekomme man nicht die gewünschte Qualität. Für den Firmenchef ist dies in einer globalisierten Wirtschaft mit starker Arbeitsteilung normal. Deutsche Industriekonzerne wie Siemens oder Bosch würden dies nicht anders machen.

Ziel von Brumme ist es, dass Aschersleben zum Dienstleister für den chinesischen Konzern wird. Vorstandschef Guan stand bisher immer hinter dem Plan. Schiess bezeichnet er gern als "Lehrer", seine viel größere Shenyang-Gruppe als "Schüler". Dass die Chinesen kurzfristig doch das Interesse an ihrem Ascherslebener Lehrer verlieren, befürchtet Brumme nicht: "Chinesische Unternehmer denken in der Regel nicht in Quartalen, sondern langfristig und strategisch."

Nächste Folge: Japanischer Priester kommt zur Firmenerweiterung