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Naturschutz Sachsen-Anhalt Naturschutz Sachsen-Anhalt: Aeikens will Kormorane zum Abschuss freigeben

Von Hendrik Kranert-Rydzy 25.08.2014, 04:46
Ein Kormoran
Ein Kormoran DPA Lizenz

Magdeburg - Sachsen-Anhalt will den unter Naturschutz stehenden Kormoran zum Abschuss freigeben. Dies sieht der Entwurf einer Verordnung vor, die der Mitteldeutschen Zeitung vorliegt und die Umweltminister Hermann Onko Aeikens (CDU) Dienstag im Kabinett absegnen lassen will. Er begründet seinen Schritt mit dem Schutz der Fischereiwirtschaft. Demnach habe sich das Fangaufkommen der Berufsfischer von 2003 bis 2009 auf 72 Tonnen jährlich mehr als halbiert. Das Umweltministerium lehnte eine Stellungnahme auf Nachfrage ab.

Laut des Entwurfs der Verordnung will Aeikens den Vogel dort zum Abschuss freigeben, wo dieser jagt: Im Abstand von bis zu 300 Meter an allen Gewässern. Jungvögel dürften dann von Mitte März bis Mitte August, erwachsene Tiere von Mitte August bis Mitte März geschossen werden. Schutzgebiete seien dabei tabu. Zudem soll verhindert werden, dass im Land neue Kormoran-Kolonien entstehen.

1.200 Brutpaare in Sachsen-Anhalt

Die Vögel waren in den 1980er Jahren in Mitteldeutschland nahezu ausgerottet. Erst durch einen umfangreichen Schutz und ein Jagdverbot erholten sich die Bestände zum Teil erheblich. In Sachsen-Anhalt gibt es derzeit 1 200 Brutpaare. Angler- und Fischereiverbände kritisieren seit Jahren die inzwischen wieder hohe Population und haben den Kormoran zu ihrem ärgsten Feind erklärt, weil er regelmäßig Teiche, kleine Flüsse und Fischernetze leer fräße.

Auf der nächsten Seite: Gegenwind für Aeikens Vorstoß kommt nicht nur von Naturschutzverbänden.

Vogelkundler und Naturschützer bezweifeln das allerdings. „Ich habe bislang keine Beweise für existenzielle Schäden gesehen, die der Kormoran anrichten soll“, sagte der Geschäftsführer des BUND Sachsen-Anhalt, Oliver Wenden-kampf. Aeikens knicke vielmehr vor der Fischerei- und Jagdlobby ein. Wie der BUND lehnt auch der Naturschutzbund Deutschland und der Ornithologenverband die Freigabe des Abschusses ab. „Die Fakten sprechen dagegen“, sagte Nabu-Geschäftsführerin Annette Leipelt und verweist auf eine dreijährige Untersuchung. Dabei wurden 95 per Ausnahmegenehmigung geschossene Kormorane untersucht und 337 in ihren Mägen enthaltene Fische bestimmt. „Äschen und Barben, für deren Dezimierung der Kormoran verantwortlich gemacht wird, waren nicht darunter“, so Leipelt. Ihrer Ansicht nach reiche die bisherige Regelung aus.

Kritik an Verordnung

Kritik an der Verordnung kommt aber nicht nur von den Verbänden, sondern auch von Aeikens Koalitionspartner SPD: „Artenschutz mit dem Schießprügel zu betreiben, halte ich für nicht zeitgemäß“, sagte der Altmärker Landtagsabgeordnete und Umweltexperte Ralf Bergmann. Er glaube auch nicht, dass die Verordnung etwas bringe.

Und selbst das Umweltministerium räumt in der Begründung seiner Kormoranverordnung ein, dass es an eindeutigen Nachweisen fehle: „Widersprüchliche Ergebnisse wissenschaftlicher Studien, eine teilweise uneinheitliche Rechtsprechung und unzählige unterschiedliche Meinungen und Bewertungen machen eine ausgleichende Betrachtung beinahe unmöglich.“ Der Konflikt zwischen Fischerei und Kormoran habe sich dabei längst zu einem Wertekonflikt zwischen Fischerei- und Naturschutzverbänden entwickelt, so Aeikens. Die Wahl des Kormorans zum „Vogel des Jahres 2010“ war demnach der vorläufige Höhepunkt, der den zum großen Teil ideologischen Streit weiter verschärft habe. Landesfischerei- und Landesjagdverband waren für eine Stellungnahme nicht erreichbar. (mz)