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Puppentheater Halle Puppentheater Halle: Gerechtigkeit ist eine Frage des Preises

Von kai agthe 30.09.2014, 07:28
Claire (Ursula Werner, li.), deren Butler Boby (Ines Heinrich-Frank) und Alfred (Lars Frank, re.)
Claire (Ursula Werner, li.), deren Butler Boby (Ines Heinrich-Frank) und Alfred (Lars Frank, re.) falk wenzel Lizenz

halle (Saale) - Am Ende lautet die Diagnose „Tod durch Freude“. Der sich da zu Tode gefreut haben soll, heißt Alfred Ill, war Kaufmann und aussichtsreicher Kandidat auf den Bürgermeister-Posten in Güllen. Tatsächlich kommt der „beliebteste Bürgers der Stadt“, wie Alfred stets genannt wird, in Friedrich Dürrenmatts Stück „Der Besuch der alten Dame“ gewaltsam zu Tode: Ermordet von Güllens Bewohnern. Die tragische Komödie feierte jüngst am Puppentheater Halle in einer Inszenierung von Intendant Christoph Werner Premiere.

Bestbesetzung dank Ursula Werner

Der Regisseur und Hausherr wird mit den Worten zitiert, dass er viele Jahre nach der idealen Besetzung der Titelrolle gesucht und sie in Gestalt von Ursula Werner endlich gefunden habe. Und wirklich verleiht sie der Claire Zachanassian eine Größe und Würde, aber auch eine Unnahbarkeit und Unerbittlichkeit, als habe Dürrenmatt an Ursula Werner gedacht, als er die Figur der Claire ersann.

Nach 45 Jahren kommt die durch sieben Ehen zur Milliardärin aufgestiegene Greisin in Begleitung ihres Butlers Boby (Ines Heinrich-Frank) zurück in ihren Heimatort Güllen. In der Ausstattung von Angela Baumgart, die das Ganze vor einem Plattenbau spielen lässt, erinnert der Flecken an Halle-Neustadt. Die Bewohner des vom wirtschaftlichen Niedergang und von allgemeiner Lethargie (wie die Eingangsszene deutlich macht) gezeichneten Städtchens hoffen auf Investitionen durch die einstige Mitbürgerin. Als solche kann man, wenn man zynisch ist, Claires Vorschlag verstehen, die nach ihrem vielbestaunten Erscheinen verspricht: „Eine Milliarde für Güllen, wenn jemand Alfred tötet.“ Ein Angebot, das umso reizvoller ist, da die eine Hälfte des Geldes der Stadt und die andere zu gleichen Teilen ihren Menschen zugute kommen soll. Der Grund: Claire will sich mit der gigantischen Summe Gerechtigkeit für erlittenes Leid kaufen.

Rache wird am besten kalt serviert

Als 17-Jährige musste sie, die damals noch Klara hieß, unter Schimpf und Schande Güllen verlassen, weil sie schwanger von Alfred wurde, der sich aber nicht zu dem Kind bekannte.

Rache wird bekanntlich am besten kalt serviert. Überdies kann die alte Dame sicher sein, dass ihr Ansinnen bei den Güllern die gewünschte Eigendynamik entfaltet. Und so wird der Zuschauer Zeuge, wie die Menschlichkeit ab- und die Skrupellosigkeit zunimmt.

Alle fallen der Gier anheim: Lehrer, Polizist, Pfarrer und Bürgermeister, die in Puppen- und Menschengestalt von Sebastian Fortak, Katharina Kummer, Nils Dreschke und Christian Sengewald verkörpert werden. Und je mehr die Humanität von der Aussicht auf märchenhaften Reichtum verdrängt wird, umso mehr lösen sich die Spieler von ihren Figuren, deren Gesichter getreue Abbilder der Akteure sind. Anfangs noch in schwarze Bühnenkleider gehüllt, tragen die Spieler am Ende die gleichen Kostüme wie die Puppen.

Lars Frank überzeugt in der Rolle von Alfred , dieses zusehends gehetzten Mannes, der Claire erst um Entschuldigung bittet, dann fliehen will, um sich zuletzt seinem Schicksal und damit seinen Mitbürgern zu stellen. Alfreds „Tod durch Freude“ überrascht nicht wirklich: Es wurde schon für weniger Kopfgeld gemordet.

Christoph Werner ist eine mitreißende Inszenierung des Dürrenmatt-Klassikers gelungen. Der Premieren-Beifall bezeugte das. (mz)

Nächste Vorstellungen: 4. Oktober, 20.30 Uhr, und 5. Oktober, 15 Uhr