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Rechte Vorfälle am Gymnasium Landsberg Rechte Vorfälle am Gymnasium Landsberg: Direktor Freudel sucht das Gespräch

Von Jan-Ole Prasse 28.10.2014, 20:04
Gymnasium in Landsberg
Gymnasium in Landsberg Silvio Kison Lizenz

Halle (Saale) - In der Eingangshalle des Gymnasiums Landsberg (Saalekreis) stehen auf Tischen viele Blumenvasen und Kerzen. Damit gedenken die Lehrer und Schüler ihres kürzlich und plötzlich verstorbenen Kunstlehrers. Überall im Schulzentrum hängen Zettel, dass sich die Kinder an die Schulsozialarbeiterin wenden können, wenn sie Hilfe bei der Trauer brauchen. „Die Reaktion der Schüler auf diesen Schicksalsschlag waren beeindruckend“, sagt Direktor Lutz Feudel.

Doch seit drei Tagen machen einige Jugendliche seines Gymnasiums mit allem anderen als vorbildlichem Verhalten Schlagzeilen. Schüler einer neunten Klasse haben sich beim Zeigen des Hitler-Grußes fotografiert und diese Bilder dann in einer internen Klassengruppe beim Internetnachrichtendienst WhatsApp verschickt. Auch NPD-Plakate sind darunter, die an alle 29 Klassenkameraden gingen, die zwischen 14 und 15 Jahre alt sind. Unkontrolliert, ohne dass Eltern oder Lehrer Einblick hatten. Maßgeblich daran sollen vier Schüler beteiligt gewesen sein, gegen zwei von ihnen ermittelt die Polizei wegen Volksverhetzung und Zeigen verfassungsfeindlicher Symbole.

Seitdem befindet sich das Gymnasium im Ausnahme- und Schockzustand. Zusätzliches Problem: Die Herbstferien haben gerade begonnen. Das macht die Aufklärung schwierig. Direktor Feudel ist dennoch darum bemüht. Am Dienstag hat er einen der betroffenen Schüler mit seinen Eltern zum Gespräch eingeladen. „Vater und Mutter waren völlig überrascht von den Vorwürfen“, sagt er. Auch mit den zwei anderen Schülern will er noch in den Ferien sprechen, der dritte macht gerade Urlaub in Spanien. „Es muss jetzt erstmal alles auf den Tisch: Wer hat wann was fotografiert, geschrieben oder hochgeladen“, fordert Feudel. Scheibchenweise Aufklärung sei mit ihm nicht zu machen.

Trotz der schweren Vorwürfe, der Direktor will nicht einfach den Stab über den Schülern brechen. Das hat für ihn auch das erste Gespräch gezeigt. „Tabubrüche gehören zu den Erfahrungen, die wir mit Jugendlichen immer wieder machen.“ Feudel geht im Moment nicht davon aus, dass die Schüler offen rechtsextreme Propaganda machen wollten.

Auf der nächsten Seite: Warum die Gerüchte einer "Nazi-Klasse" falsch sind und wie die Aufklärung voran getrieben wird.

Für Eli Gampel, dessen Sohn auch in die neunte Klasse geht, ist das bisher nicht so eindeutig. „Mein Sohn hat mir erzählt, dass auf seine Kapuze ein Sticker der NPD aufgeklebt wurde“, sagt er. „Und es war bekannt, dass er Jude ist.“ Für Gampel ist es derzeit schwierig mit der Situation umzugehen. Auf der einen Seite hält er die Vorkommnisse für inakzeptabel, deswegen hat er auch Anzeige gegen Unbekannt erstattet. Auf der anderen Seite will er nicht die ganze Klasse in Generalverdacht nehmen. „Die Rede von der Nazi-Klasse in Landsberg ist Quatsch“, sagt Gampel. Die Aufklärungsbemühungen der Schule sind für ihn vorbildlich und machen ihm Hoffnung.

Das sieht auch David Begrich von der Arbeitsstelle Rechtsextremismus beim Verein Miteinander so: „Im Kern handelt die Schule richtig: Wenn sie die Kraft aufbringt, alles auf den Tisch zu legen.“ Wichtig sei zu prüfen, ob es sich eher um jugendkulturellen Rechtsextremismus handele oder ob die Schwelle zur zielgerichteten, politischen Handlung überschritten sei. „Klar ist aber, dass es Zeit für pädagogische Arbeit und nicht für den Staatsanwalt ist“, sagt Begrich. Dazu müssten klärende Gespräche mit der Klasse stattfinden - ohne Angst vor den Konsequenzen.

Auf diesen Weg will sich Direktor Lutz Feudel am Montag nach den Herbstferien machen. Zusammen mit der Klassenlehrerin wird er gleich zur ersten Stunde mit den Neuntklässlern reden. „Die vier müssen sich vor den anderen 25 positionieren und die Klasse am Ende auch vor der Schule“, sagt er. Klar ist für ihn, dass die Jugendlichen Konsequenzen für ihr Handeln tragen müssten, aber „in Bausch und Bogen verdammen, werde ich sie nicht“.

Doch nicht nur für die Schüler ist die Situation schwierig. Auch die Eltern sind betroffen. „Ich kenne keinen Erwachsenen, der das hätte kommen sehen“, sagt Feudel. Doch es ist nicht nur der Schock, sondern auch die öffentliche Stigmatisierung der Klasse als Nazis, die den Eltern zu schaffen macht. Gerade im Saalekreis, wo die Städte und Dörfer klein sind und die Nachbarn sich kennen. Da reichen Alter und Vornamen der Schüler aus, um sie zu identifizieren. Auch darum haben sich die Eltern für Mittwoch zu einem Informationsabend verabredet. Es herrscht Redebedarf.

Diskussionsfreudige Klasse

Gerade in dieser Klasse. Denn laut Feudel gehört sie zu den leistungsstärksten und diskussionsfreudigsten. Darum ist der 55-Jährige doppelt schockiert über die Vorwürfe. „Wir wollen dieses Bild von der Klasse noch nicht völlig begraben, müssen es aber hinsichtlich Reife korrigieren.“ (mz)

Der Direktor des Gymnasiums Landsberg, Lutz Feudel, setzt sich für eine lückenlose Aufklärung der rechtsextremen Vorfälle an seiner Schule ein.
Der Direktor des Gymnasiums Landsberg, Lutz Feudel, setzt sich für eine lückenlose Aufklärung der rechtsextremen Vorfälle an seiner Schule ein.
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