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Bausoldaten in der DDR Bausoldaten in der DDR: Kongress der Friedfertigen

Von Andreas Montag 08.09.2014, 04:52
Gerhard Schöne singt Friedenslieder in Wittenberg.
Gerhard Schöne singt Friedenslieder in Wittenberg. Achim Kuhn Lizenz

Wittenberg - „Spatis“ hat man sie in der Truppe abfällig genannt, Bausoldaten sollten marginalisiert werden und als Spinner erscheinen. Denn gefährlich waren diese Leute allemal, die den Dienst mit der Waffe aus christlichem Ethos und Gewissensgründen abgelehnt hatten. „Der Frieden muss bewaffnet sein“, lernten wir Rekruten und sollten es auf Verlangen auch nachplappern. Aber viele haben den Mut der Bausoldaten bewundert. Wo man den jungen Männern mit dem Spaten auf dem Schulterstück begegnete, kamen sie einem freier vor als die meisten anderen in dieser NVA, die eine „Volksarmee“ sein sollte und doch auf nichts als Drill, stummes Gehorchen und oft auch auf die Erniedrigung der Schwachen setzte.

Letzteres haben auch die Bausoldaten, die zum Beispiel bei der Errichtung des Fährhafens Mukran auf Rügen oft an gefährlichen Stellen eingesetzt worden sind, zur Genüge erfahren. Und viele von ihnen mussten auch später, in ihrer beruflichen Entwicklung, wegen ihres Bekenntnisses zum Frieden Nachteile in Kauf nehmen.

Waffenloser Dienst in der DDR

Vor 50 Jahren hatte man in der DDR den waffenlosen Dienst zugelassen - noch ein Jubiläum in diesem Jahr, das im Zeichen der beiden furchtbaren Weltkriege steht - des Ersten, der vor 100, des Zweiten, der vor 75 Jahren begann. Und schließlich ist unser vielfach gedankenloses Friedensvertrauen jüngst durch den bedrohlichen Machtkampf um die Ost-Ukraine wie durch den Krieg, den islamistische Fundamentalisten im Irak führen, stark erschüttert.

Alles, was man für immer überwunden glaubte, steht schrecklich wieder auf und macht den Menschen Angst, auch in Deutschland. Da gibt es viel zu besprechen auf einem Kongress der Pazifisten, die Bausoldaten ja waren und sind, wenn sie sich ihre Begegnung nicht im Austauschen von Erinnerungen erschöpfen sollte. Das war tatsächlich nicht das Hauptziel derer, die sich ab Freitag im KTC, dem Wittenberger Kultur- und Tagungscentrum, versammelt hatten - unter ihnen auch Stephan Dorgerloh, Kultusminister von Sachsen-Anhalt und früher selber Bausoldat. Der SPD-Politiker hatte gleich am Eingang zwei bekannte Gesichter aus jener Zeit entdeckt, machte aber schon in seinem Grußwort klar, hier gehe es vor allem darum „zu diskutieren, was Friedensarbeit heute bedeutet“. Das Motto der Tagung, die von der Evangelischen Akademie Sachsen-Anhalt vorbereitet und organisiert worden war, hieß „Friedenszeugnis ohne Gew(a)ehr“. Der Schauplatz für Auftakt wie Abschluss des Kongresses, der sich am Samstag an verschiedenen Orten in der Stadt öffnete, hätte im Übrigen mit seiner DDR-Patina nicht passender gewählt werden können. Das Haus, dessen Bar mit vergilbten, signierten Fotos von Stars wie Dean Reed geschmückt ist, hat den Atem einer vergangenen Zeit konserviert, an die man sich natürlich auch nostalgisch erinnern kann. Dieser Gefahr sind Kongressteilnehmer allerdings eher nicht ausgesetzt, die Sehnsucht nach dem Osten wird sie nicht umtreiben.

Dorgerloh: „Es ist ein Menschenrecht, sich der Vorbereitung und Führung von Kriegen zu verweigern“

Ihre Sorgen haben vielmehr mit den gegenwärtigen Kriegsszenarien und den politischen Antworten darauf zu tun, zu beiden muss man eine Position haben als Friedensaktivist. „Es ist ein Menschenrecht, sich der Vorbereitung und Führung von Kriegen zu verweigern“, sagt Dorgerloh und bekennt, dass es spannend für ihn als ehemaligen Bausoldaten und heutigen Kultusminister sei, wenn Jugendoffiziere der Bundeswehr in die Schulen kommen und für den Dienst in ihrer Truppe werben wollen. Das dürften sie natürlich, aber man müsste auch Friedensgruppen die gleiche Chance einräumen, bei den jungen Leuten gehört zu werden.

Da wird Politik konkret - und ist sofort spannend. Erst recht bei den Fragen, die der Moderator Friedrich Kramer, Theologe und Direktor der Evangelischen Akademie, dann in der abendlichen Podiumsdiskussion als erste stellt: Ist es gut, dass Deutschland Waffen an die Kurden im Nordirak liefert? Würden Sie zustimmen, wenn Sie es zu entscheiden hätten?

Sofort ist das Gespräch auf einer Höhe (und bleibt es trotz einiger Längen auch), die man sich als Maß für Debatten wünscht: Sachlich und argumentativ, so gut es nur geht - und persönlich vor allem, wenn es das Eigene betrifft. Auch ein Offizier ist dabei, Matthias Rogg, Direktor des Militärhistorischen Museums in Dresden. Seine Antwort: Ja, man soll Waffen liefern: „Wenn es brennt, muss man löschen, nicht über Brandschutz diskutieren“. Renke Brams, Friedensbeauftragter der Evangelischen Kirche in Deutschland, sagt Nein - auch wenn den Menschen natürlich geholfen werden müsse. Da kommen die verpassten Gelegenheiten der Politik in den Blick, Situationen wie die gegenwärtige gar nicht erst entstehen zu lassen.

Der Friedensforscher Joachim Garstecki plädiert für ein Ja - wenn es kein anderes Mittel gibt. Heiko Lietz hingegen, Bausoldat und Menschenrechtler, geht es wie Dorgerloh: Beide beschreiben ein Dilemma: Wenn schon Waffen, dann nur im Paket mit humanitären und friedensbildenden Maßnahmen, meint Dorgerloh. Ein Jein, das hier wirklich tapfer ist.

Am Abend, spät, singt Gerhard Schöne von Toleranz und Frieden. Mit Liedern sei es wie mit Gebeten, sagt er: Sie änderten nicht die Welt, aber vielleicht die Menschen. Und die ändern die Welt. (mz)