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Obduktion Obduktion: Tod eines Flüchtlings in Friedersdorf

Von lisa garn 04.05.2013, 17:10
Saizon Cosmos Bett in der Gemeinschaftsunterkunft Friedersdorf
Saizon Cosmos Bett in der Gemeinschaftsunterkunft Friedersdorf kehrer Lizenz

friedersdorf/bitterfeld/MZ - Nach dem Tod eines Flüchtlings in Bitterfeld hat das antirassistische Netzwerk Sachsen-Anhalt schwere Vorwürfe erhoben. Ein Bereitschaftsarzt habe den 33-jährigen Saizon Cosmo medizinisch mangelhaft versorgt. Die Beschwerden des Bewohners in der Gemeinschaftsunterkunft Friedersdorf seien nicht ernst genommen und zu spät behandelt worden. Er starb knapp eine Woche später am 25. April im Bitterfelder Krankenhaus. „Der Todesfall zeigt, dass die Gesundheit der Bewohner in der Unterkunft erheblich gefährdet ist“, so Patricia Franzelius vom antirassistischen Netzwerk. Was aber schwerer wiege: Das Geschehen verdeutliche eine eingeschränkte medizinische Versorgung bei Flüchtlingen. „Laut Asylbewerberleistungsgesetz werden nur Behandlungen übernommen, die akut und für die Gesundheit unerlässlich sind. Daraus folgt, dass Flüchtlinge in Deutschland immer wieder zu spät angemessen behandelt werden.“

Saizon Cosmo flüchtete im Herbst 2012 aus dem afrikanischen Benin nach Deutschland, über Halberstadt gelangte er im November in die Gemeinschaftsunterkunft nach Friedersdorf. Im April soll er zunehmend unter gesundheitlichen Problemen gelitten haben. Nach MZ-Informationen rief die Heimleitung am 19. April einen Bereitschaftsarzt, weil Cosmo über Fieber und Halsschmerzen klagte. Er bekam offenbar ein Antibiotikum. Eine Untersuchung habe aber nicht stattgefunden, sei dem antirassistischen Netzwerk berichtet worden. Der Zustand des Mannes verschlechterte sich. Am 23. April wurde der Rettungsdienst gerufen, der ihn sofort ins Krankenhaus Bitterfeld brachte. Aber nicht wegen Halsschmerzen, sondern wegen eines Abszesses, wie die MZ erfuhr. „Vor Freunden von Cosmo soll der Rettungssanitäter geäußert haben, dass man längst im Krankenhaus hätte behandeln müssen.“ Noch am gleichen Tag wurde der Beniner operiert - es soll aber keine Notoperation gewesen sein. Am 25. April war er tot.

Die Staatsanwaltschaft Dessau-Roßlau hat ein Todesermittlungsverfahren eingeleitet und den Leichnam obduzieren lassen. „Weil der Tod des Mannes als nicht natürlich und nicht aufgeklärt eingeschätzt wird“, sagt Sprecher Christian Preissner. „Ergebnisse liegen in den nächsten Wochen vor. Derzeit gibt es keine Hinweise auf ein Fremdverschulden.“ Der Leichnam wurde freigegeben.

Zu medizinischen Einzelheiten gibt man im Krankenhaus Bitterfeld keine Auskunft. Norman Schaaf, der Geschäftsführer, sagt nur so viel: „Es ist keine fehlerhafte medizinische Versorgung festzustellen - weder vor dem Aufenthalt im Krankenhaus noch währenddessen.“ Auch der Landkreis Anhalt-Bitterfeld - er koordiniert die Einsätze des Rettungsdienstes - weist Vorwürfe zurück. „Nach derzeitigem Stand gab es kein Fehlverhalten“, so Landrat Uwe Schulze (CDU). Und: „Die Bedingungen in der Gemeinschaftsunterkunft stehen in keinster Weise in Zusammenhang mit dem Tod des Asylbewerbers.“ Allein im Jahr 2012 habe es vier Hygienekontrollen gegeben - ohne Beanstandungen. „Die Unterkunft ist in einem normalen Zustand. Vielleicht nicht überragend, aber auch nicht schlecht oder unwürdig.“ Zudem bekämen Asylbewerber, die krank sind, die gleiche „medizinische Behandlung wie jeder andere. Der Mann wurde angemessen medizinisch versorgt.“

In der Verwandtschaft von Saizon Cosmo ist man zutiefst erschüttert. „Ich bin sprachlos über das, was hier passiert ist“, sagt der Cousin Razaki Adebayo aus Hamburg. „Ich verstehe nicht, wie jemand nach einer Operation an einem Abszess sterben kann. Ich weiß nicht, ob da Fehler passiert sind. Alles ist gerade sehr schwer.“ Er verstehe zudem nicht, dass das Krankenhaus keinen der Verwandten benachrichtigt habe. „Und dass mir im Krankenhaus niemand sagen konnte, woran er gestorben ist, ist ebenso unbegreiflich.“ Nun werde im Kreis der Familie beraten, ob man möglicherweise auch rechtliche Schritte einleiten will. Der Leichnam soll nun nach Hamburg überführt werden. „Wir möchten, dass Saizon Cosmo in seiner Heimat Benin beerdigt wird.“