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Fremdenfeindlicher Übergriff Fremdenfeindlicher Übergriff: Familie in Wittenberg mit Pfefferspray angegriffen

09.11.2014, 11:37
Ein Dienstfahrzeug der Polizei
Ein Dienstfahrzeug der Polizei MZ/ARCHIV Lizenz

Wittenberg - Die Täter hatten zwei Familien gegen 15.15 Uhr am Supermarkt nahe der Hafenbrücke zunächst beleidigt, dann Reizgas gesprüht und anschließend rechtsgerichtete Parolen gebrüllt.

Die Beratungsstelle für Opfer rechter Gewalt will sich um die Familien kümmern, die am Sonnabend angegriffen worden ist. Die Stelle hilft mit Informationen, begleitet zu Ärzten, Behörden und in Gerichtsverfahren. Sie will Betroffenen bei der Inanspruchnahme ihrer Rechte unterstützen und damit auch rechten Ideologien, Homophobie und Rassismus entgegenwirken. Auf rund 2 500 Euro schätzt das Projekt Gegenpart die Schäden im Kreis Wittenberg, die in diesem Jahr durch rechtsextrem motivierte Sachbeschädigungen entstanden sind. Allerdings gilt Dessau-Roßlau als Hochburg in der Region. In Wittenberg ist die Szene ohne feste Struktur - aber mit ein paar wichtigen Köpfen besetzt, die dafür sorgen, dass die Zahl rechtsextremer Konzerte gestiegen ist.

Das teilt die Polizeidirektion Ost mit.

Gruppe mit Frauen und Kindern

Unter den Angegriffenen fand sich ein 48-jähriger deutscher Staatsbürger aus Wittenberg, der in der Türkei geboren wurde, und seine 43-jährige Lebensgefährtin sowie deren beiden drei und sechs Jahre alten Kinder. Zur bedrohten Gruppe gehörten auch eine 29-jährige Frau und ihr 28-jähriger Ehemann und deren dreijähriges Kind.

Nach den vorliegenden Zeugenaussagen sollen sich die zwei Täter zunächst auf dem Gehweg angenähert, die 43-jährige Frau beleidigt und ihr dann Pfefferspray ins Gesicht gesprüht haben. Anschließend griffen sie ihren Mann mehrfach mit dem Reizgas an und beleidigten ihn fremdenfeindlich, bevor sie sich in Richtung Fußgängertunnel entfernten. Eine sofort eingeleitete Tatortbereichsfahndung der unverzüglich hinzu gerufenen Polizei nach den mutmaßlichen Tätern verlief ohne Ergebnis, so die Polizei. Bei dem Übergriff wurden fünf Personen verletzt, darunter die beiden Kinder des angegriffenen Paares. Sie mussten im örtlichen Krankenhaus ambulant behandelt werden. Die Ermittlungen hat inzwischen der polizeiliche Staatsschutz aufgenommen.

„Nicht überraschend“ kommt der Angriff für Steffen Andersch vom Projekt „Gegenpart“. Im Kreis Wittenberg gebe es zwar - im Gegensatz zu Dessau-Roßlau - keine organisierte rechte Szene. „Für die Opfer macht es aber keinen Unterschied, ob sie von einem Kameradschaftsmitglied angegriffen werden oder von jemandem, der lediglich ein entsprechendes Weltbild hat.“ Statt starker Organisationen - abgesehen von der NPD, die einen Sitz im Stadtrat hat - zeichnet sich Wittenberg vor allem durch die Aktivitäten einzelner Personen aus. Ein bekannter rechtsextremer Liedermacher hat sich in der Stadt angesiedelt, von hier aus agiert auch ein Internetversandhandel.

Vor allem Propaganda

Nach Zählung von Gegenpart haben sich seit Jahresbeginn 29 Vorfälle mit rechtsextremem Hintergrund ereignet, im Vorjahr waren es 44. Die Analyse bleibt die gleiche: In Wittenberg geht es meist um Propaganda-Delikte, als einziger Übergriff in diesem Jahr wird die Spuckattacke auf japanische Gastschülerinnen im Einkaufszentrum Arsenal gewertet. Von gezielten Angriffen könne man sowieso in den seltensten Fälle sprechen, sagt Andersch. Meist haben Zufall und Gruppendynamik einen erheblichen Anteil. „Aber auch das macht es für die Opfer nicht besser“, so Steffen Andersch.

Die Polizei sucht nun Zeugen, die den Vorfall beobachtet oder anhand der Täterbeschreibung Hinweise geben können. Der Mann, der das Reizgas eingesetzt hat, ist etwa 20 bis 24 Jahre alt, 170 bis 180 Zentimeter groß. Er trug kurze, blonde, lockige Haare, Brille, eine grüne Jacke mit weißen Streifen an den Ärmeln, eine beigefarbene Hose und ein Basecap. Gesprochen hat er Wittenberger Mundart. Der zweite Täter ist etwa gleich alt und gleich groß, trug einen Pulli mit Kapuze und gleichzeitig ein Basecap auf den dunklen Haaren. Er war unrasiert und hatte ein weißes Damenfahrrad dabei.

Zeugen sollen sich in der Polizeidirektion unter der Nummer 0340/6 00 02 91 melden oder per E-Mail: [email protected]

Ein Einsatzfahrzeug der Polizei mit Blaulicht
Ein Einsatzfahrzeug der Polizei mit Blaulicht
dpa/Symbol Lizenz