1. MZ.de
  2. >
  3. Sport
  4. >
  5. Hallescher FC
  6. >
  7. Hallescher FC: Hallescher FC: Pyrotechnik ist der große Haken bei den Fans

Hallescher FC Hallescher FC: Pyrotechnik ist der große Haken bei den Fans

Von Christoph Karpe 27.11.2014, 05:49
„Solange ihr schweigt - schweigen wir auch.“ Diese Botschaft schickten die Fans während ihres Stimmungs-Boykotts an die HFC-Chefetage. Geredet wurde bis heute nicht miteinander.
„Solange ihr schweigt - schweigen wir auch.“ Diese Botschaft schickten die Fans während ihres Stimmungs-Boykotts an die HFC-Chefetage. Geredet wurde bis heute nicht miteinander. Imago Lizenz

Halle (Saale) - Die zahlreichen farbigen Fotos an den Wänden im Gang des Flachbaus verbreiten eine klare Botschaft. Zu sehen sind Tribünen in Fußball-Stadien, gut gefüllt mit HFC-Fans, die leuchtende Bengalos in die Luft halten. „Pyromanie ... ist Fankultur“ steht darauf. Oder: „Pyromanie ... ist Rot-Weiß.“ Oder auch: „Pyromanie ... ist kein Verbrechen.“

Die Bilder, aufgenommen in den letzten Jahren, hängen da wie Trophäen. Sie strahlen Stolz aus. Die Fans sind Stolz auf derartige Choreografien. Auch hier im Fan-Haus der Anhänger des Halleschen FC, das gegenüber dem Erdgas-Sportparks steht. Der Einsatz von Pyrotechnik als Bestandteil einer Tribünen-Show, von Gesetzeshütern sanktioniert wegen der Gefahr schwerster Verbrennungen, ist eine Grundüberzeugung. Da gibt es kein Weichen, keine Verhandlungsbasis - deutschlandweit. Punkt. Mögen ihre Lieblings-Klubs auch dafür bestraft werden.

Der Hallesche FC zahlt jede Saison saftige Strafen für das Fehlverhalten seiner Fans. In der letzten Spielzeit waren es etwa 30 500 Euro. In der aktuellen Serie sind bislang 3 400 Euro auf dem Strafenkonto des DFB. Das aktuelle Ranking ist auf der Webseite liga3-online nachzulesen.

Am letzten Wochenende brannten auch beim Drittliga-Spiel des Halleschen FC in Mainz im Fanblock einige Fackeln. Zumindest flog nichts aufs Spielfeld. Andre, Vico und Mathias, die jetzt im ungeheizten Klubraum am Tisch mit der roten Platte sitzen, haben da aufgeatmet. Die drei sind die Sprecher des Fankurvenrats, der sich vor etwa zwei Monaten gegründet hat. Und die drei wollen reden. Was durchaus bemerkenswert ist. Normalerweise gilt in Fan-Kreisen die Regel: Medien verteufeln uns sowieso, sind voreingenommen. Da sei jedes Wort sinnlos. Schließlich sei kein Verständnis zu erwarten.

Fankodex als Problem

Doch man hat sich beraten und dann - wenn auch keineswegs einmütig - einem Gespräch zugestimmt. Andre, Mathias und Vico, die ihre Nachnamen nicht nennen wollen und zwischen 30 und 50 Jahre alt sind, vertreten in der abendlichen Runde 29 HFC-Fan-Klubs. „Etwa 500 Mann von Block 17 bis 21“, wie Andre sagt. Dazu gehören auch die Ultras der „Saalefront“, die zu Saisonbeginn im Blickpunkt einer Kontroverse mit der HFC-Führung standen.

Zur Erinnerung: Kurz vor dem Abpfiff der 0:3-Heimpleite im Pokalfinale gegen den Erzrivalen aus Magdeburg im Mai gab es einen schlimmen Exzess in der Fankurve. Böller und Leuchtspur-Geschosse flogen auf den Rasen, Bengalos brannten. Im Frust war die Situation eskaliert. Und im Nachgang wurde vom Vorstand des „Fanszene e.V.“ ein sogenannter Fan-Kodex entworfen. „Ohne mit uns, den Mitgliedern des Vereins, zu reden“, sagt Vico.

Alle Gruppen sollten die Regeln, eigentlich nur eine gepimpte Stadionordnung, unterschreiben. Auch der Verzicht auf Pyros war ein Teil. Also unterschrieben sie nicht. Die Reaktion des Vereins: Er ließ Symbole der „Saalefront“-Ultras verbieten. Die Fans protestierten drei Spiele lang mit eisigem Schweigen. Und begleitet von einer Grabesstille im Stadion begann die unheimliche Heimpleiten-Serie des HFC.

Wieder lautstark

Inzwischen feuert die Kurve die Mannschaft wieder lautstark an. Die Dissonanzen zwischen der Klub-Führung und den Fans sind keineswegs ausgeräumt, doch zunächst sahen die Anhänger die Notwendigkeit, sich selbst zu organisieren. Schließlich gab es auch untereinander Anfeindungen. „Die Vorfälle bei jenem Spiel gegen MD haben gezeigt: Wir sind keine homogene Masse. Also haben wir uns getroffen und diskutiert, auch konträr“, sagt Andre.

„Es geht einfach darum, sich besser abzustimmen, solche vollständigen Entartungen zu verhindern, aufzupassen, dass nichts wieder aus dem Ruder läuft und die Selbstreinigung im Griff zu halten“, sagt er zum ureigensten Zweck des Fankurvenrats. „Und wir wollen eine starke Stimme gegenüber dem Verein haben“, betont Mathias.

Ein Gespräch mit den Klub-Bossen gab es bis heute nicht. Dabei hätten die Fans durchaus Redebedarf. Etwa über die aus ihrer Sicht oft übertriebenen und auch uneffektiven Einlasskontrollen. „Die Polizei-Hunde, an denen wir vorbei müssen, sollten weg. Sie jagen vielen Angst ein“, sagt Mathias. „Wenn wir verbotene Dinge ins Stadion schmuggeln wollten, würden die sowieso nichts finden“, fügt Andre an.

Weitere Kritik-Punkte: Der Sicherheitsdienst sei unorganisiert, spiele sich oft auf. Der Sicherheitspuffer im Stadion bei Risiko-Spielen sei viel zu riesig, ein zweiter Zaun vor dem Gästeblock reiche aus. Der Zuschlag bei Top-Spielen sei überzogen. Und außerdem sei der Stadion-Vorplatz trist weiß. Die Wände sollte man gestalten - was die Fans auch selber tun würden. Und Mitarbeiten wie Mitbestimmen möchten sie unbedingt.

Auf der nächsten Seite lesen Sie unter anderem mehr zu den Straftaten von Fans und Lösungswegen.

Dagegen würde sich der Verein nicht einmal sperren. Aber mit Pyrowerfern und Gewalttätern, die es in der Szene ebenso gibt, lehnt es die HFC-Spitze ab zu reden. Bei Pyro gibt es keinen Konsens.

Aber wie entsteht die Gewalt, die die Fans immer wieder in Verruf bringt? „Manche einzelne drehen frei, man kann nicht für jeden die Hand ins Feuer legen und jeden im Griff haben“, sagt Andre. Außerdem gehören Rivalitäten, auch handfeste, mit Fans diverser Ost-Klubs irgendwie „zur Imagepflege“. Es sei „blauäugig“ anzunehmen, dass sich jegliche Form von Gewalt ausschließen lasse.

Doch die Sicherheitsbeamten, so kritisieren die Fans, täten oft auch ihren Teil zur Eskalation bei. „Es gibt Einheiten, die wir schon kennen, die begleiten uns auf Auswärtsfahren und drücken auch mal ein Auge zu, wenn mal eine Flasche Bier runterfällt“, berichtet Vico. „Andere Einheiten wiederum nutzen so etwas dazu, massiv gegen Fußball-Fans vorzugehen.“ Mathias formuliert es drastisch: „Bei Zugfahrten gibt man am Bahnhof seine Menschenrechte ab.“ Und es gibt Bundesländer, da ist die Polizei für ihre harte Gangart bekannt. Die Meinung der Fans: Zu 90 Prozent seien die Uniformierten schuld, wenn es kracht.

Was zur Frage führt: Wie umgehen mit Straftätern? Würden die Fans selbst eingreifen, wenn sie Straftaten beobachten und die Täter der Polizei ausliefern? Da tut man sich schwer. „Jeder einzelne muss das für sich entscheiden, ob er Straftäter auffliegen lässt“, sagt Mathias. „Es kommt darauf an, was passiert. Wenn es krass ist, ja.“

96 Straftaten in der letzten Saison

96 Straftaten gab es in der letzten Saison durch HFC-Fans. Die Polizei versucht durchzugreifen, doch Zivilprozesse sind die Ausnahme, Stadionverbote dagegen ein bewährtes Mittel. „Manche Sanktionen sind nicht unverschuldet“, räumt Andre ein, Teile der HFC-Fans sind alles andere als Waisenknaben. Auch er selbst hatte Stadionverbot. Wobei er der Meinung ist, „dass die nichts bringen - außer in der Anfangszeit, etwa ein Dreivierteljahr lang, ist es hart“. Er sagt auch: „Viel besser wäre es jedoch, diejenigen, die Mist gebaut haben, zu gemeinnütziger Arbeit zu verdonnern.“

Und dann ist das noch eine Vermutung oder ein Vorwurf - je nachdem, wie man es empfindet - im Raum, dass ein Großteil der Anhänger, die sich in der Fankurve versammeln, eine rechtslastige Gesinnung vor sich her tragen. Sicherlich, so räumen die Fan-Sprecher ein, gebe es einige Nazis unter den HFC-Fans, genauso wie auch Linke auf den Rängen stehen. Das sei nicht anders als in der Gesellschaft allgemein.

Aber das Grundprinzip für das Verhalten während eines Spiels stehe fest: „Ob rechts, oder links, oder schwul - das ist im Stadion egal. Hauptsache, alle lassen ihre Gesinnung vor dem Eingang. Drinnen hat das nichts zu suchen“, sagt Andre. Und er erzählt, dass er auch schon mal von einem Nebenstehenden einen Schal einkassiert habe, auf dem eine rechte Parole prangte. „Sowas ist echt fehl am Platz - es geht um Fußball und den HFC.“

Die ideale Tag aus Sicht der Fans

Das sei generell das Hauptanliegen der Fans, betont das Trio. Und dann erzählen sie ihre Vision von einem idealen Fußball-Tag im Erdgas-Sportpark. „Es gibt ein zwei Bier, dazu Bratwurst im Vorfeld, dann gehen wir durch entspannte Ordner und Polizisten ins Stadion, die auch einzelne mal kontrollieren - ohne Hunde. Wir stellen uns auf die Tribüne, zeigen eine geile Choreo, natürlich mit Bengalos, die dann erlaubt sind und die sowieso alle im Stadion geil finden. Danach brüllen wir unseren HFC zum Sieg, ein paar Schmähgesänge auf den Gegner inklusive, und feiern mit der Mannschaft. So wäre es klasse“, meint Mathias.

Vico und Andre nicken. Am Ende sollte auch ein kleines Feuerwerk erlaubt sein. Ist es in der Realität nicht. Auch nicht am Sonnabend gegen Osnabrück. (mz)