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Fördermittel-Affäre Fördermittel-Affäre: In Dessau wurden mehrere Millionen Euro abgezweigt

Von steffen Brachert 24.02.2014, 05:44
Im IHK-Zentrum in Dessau-Roßlau sollten die Weiterbildungsveranstaltungen eigentlich stattfinden.
Im IHK-Zentrum in Dessau-Roßlau sollten die Weiterbildungsveranstaltungen eigentlich stattfinden. Sebastian Lizenz

Dessau-Rosslau/MZ - Die Ermittler kamen Ende Februar, im Morgengrauen - und in vier Städten gleichzeitig: 144 Polizeibeamte rückten an, um am 26. Februar 2010 in 25 Firmen und Privatwohnungen in Dessau, Wittenberg, Kemberg und Eisleben einem der größten Fördermittelskandale der letzten Jahre in Sachsen-Anhalt auf die Spur zu kommen. Genau vier Jahre später kommt nun die strafrechtliche Aufarbeitung voran.

Zwei Strafbefehle sind rechtskräftig. „Jetzt sind auch die ersten vier Anklagen fertig“, bestätigte Heike Geyer, Sprecherin der Wirtschaftsstaatsanwaltschaft in Halle. Werden diese zugelassen, müssen sich noch in diesem Jahr vier Unternehmer verantworten. Ihnen drohen Strafen von einem Jahr Haft und mehr. Die Hauptbeschuldigten sind noch nicht darunter. „Obwohl ein Kollege sich um nichts anderes kümmert“, erklärte Geyer, „das dauert noch.“

In der Fördermittelaffäre rund um das IHK Bildungszentrum in Dessau geht es um die berufliche Weiterbildungen von Arbeitnehmer, die in den Jahren 2005 bis 2008 gar nicht oder nicht wie genehmigt stattgefunden haben. Was nichts anderes heißt, als dass Fördermittel in Lohnkosten umgewandelt wurden. Ein von der IHK beauftragter Privatdetektiv hatte den Missbrauch in mühevoller Kleinarbeit aufgedeckt. Parallel dazu war auch das Landesverwaltungsamt auf Unregelmäßigkeiten gestoßen. In einigen Lehrgängen hatte in eineinhalb Jahren kein Beteiligter auch nur einmal gefehlt. Zudem war nicht feststellbar, wo die Weiterbildungen stattgefunden hatten, zudem waren Zertifikate ausgereicht worden, die sich in den Archiven des IHK-Bildungszentrums nicht wiederfanden.

Parlamentarischer Untersuchungsausschuss

Die Affäre hatte für große Aufregung gesorgt: Weil zahlreiche Beschuldigte Mitglieder der Dessau-Roßlauer CDU waren. Weil Firmen, die von den Fördermitteln profitierten, der CDU über mehrere Jahre über 6.000 Euro Spenden zukommen ließen.

Die Aufarbeitung der Affäre läuft seither nicht nur in der Staatsanwaltschaft Halle. In Magdeburg müht sich ein parlamentarischer Untersuchungsausschuss um Aufklärung. „Wir schauen nach fachlichen und politischen Verantwortlichkeiten“, sagt Swen Knöchel, Landtagsabgeordneter der Linken und stellvertretender Chef des Untersuchungsausschusses. Zehn Mal hat der Ausschuss seit November 2013 getagt und mittlerweile über 20 Zeugen gehört. Bis Jahresende sind schon jetzt weitere acht Sitzungen angesetzt. Im Juni soll, so Knöchel, Sachsen-Anhalts damaliger Wirtschaftsminister vorgeladen werden: der heutige Ministerpräsident Reiner Haseloff (CDU). Vor Herbst 2015 wird der Abschlussbericht nicht vorliegen.

„Es war richtig, den Untersuchungsausschuss einzusetzen“, sagt Knöchel. Auch wenn viele Zeugen von ihrem Zeugnisverweigerungsrecht Gebrauch gemacht haben, weil die Staatsanwaltschaft gegen sie ermittelt, sei eines deutlich geworden: In der Landesverwaltung habe es 2007 und 2008 für die Kontrolle der ausgereichten Fördermittel nicht genügend Personal gegeben. Das hatte Thomas Leimbach, Ex-Chef des Landesverwaltungsamt, im Januar dieses Jahres deutlich gemacht. Ob davon ein Netzwerk von CDU-Leuten profitierte, ließ Knöchel offen. „Es gibt Auffälligkeiten in Richtung des Fußballvereins Dessau 05 und in Richtung CDU.“ Die handelnden Personen waren dort damals größtenteils die selben. „Doch diese Komplexe werden erst noch verhandelt“, sagte Knöchel.

Fast 4,5 Millionen Euro Schaden

Viel zu tun hat auch das Landesverwaltungsamt. Das hat von 2003 bis 2008 insgesamt 3 204 Bewilligungsbescheide für berufliche Weiterbildungen erlassen. „Bei 38 sind Anhaltspunkte für Unregelmäßigkeiten festgestellt, die Staatsanwaltschaft Halle eingeschaltet und verwaltungsrechtliche Überprüfungen eingeleitet worden“, bestätigt Denise Vopel, Sprecherin des Landesverwaltungsamtes. In sechs Fällen hat das mit ermittelnde Landeskriminalamt Straftaten mittlerweile ausgeschlossen. In 21 Fällen wurden Rückforderungen in Höhe von 3,5 Millionen Euro gestellt. In drei weiteren Fällen laufen derzeit Anhörungsverfahren. Hier geht es noch einmal um fast 900.000 Euro. Die Schadenssumme beträgt damit fast 4,5 Millionen Euro. Wie viel Geld am Ende zurück in die Staatskasse überwiesen wird, ist offen. 400.000 Euro sind bislang eingegangen.

Viele Rückforderungen werden vor dem Verwaltungsgericht Halle verhandelt. Zwei Urteile sind dort bislang ergangen und rechtskräftig. Zwei Firmen, die Baustoff-Service Grundbesitz GmbH Dessau und die Baustoff-Service GmbH Dessau, wurden zur Rückzahlung von 986.000 Euro Fördermittel verurteilt - und haben kurz darauf Insolvenz angemeldet. Vier weitere Verfahren sind vor dem Verwaltungsgericht anhängig.