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Kurt-Weill-Fest 2014 Kurt-Weill-Fest 2014: Das Ohr als Ornament

Von thomas altmann 25.02.2014, 21:07
Rundfunk-Karikatur zur Radio-Gymnastik: „Des sag’ i dir, wenn i jetzat no a oanzige Kniebeug’ macha muaß, schallt’ i pfeig’rad auf die ,Morgenandacht’ aus Köln um!“
Rundfunk-Karikatur zur Radio-Gymnastik: „Des sag’ i dir, wenn i jetzat no a oanzige Kniebeug’ macha muaß, schallt’ i pfeig’rad auf die ,Morgenandacht’ aus Köln um!“ Lutz Sebastian Lizenz

dessau-rosslau/MZ - Ein Häftling kauert inmitten ornamentaler Auswüchse auf einer Ottomane: Das Bauhaus habe alles beseitigt, was Wohnungen von Gefängnissen unterscheide. „Im Interesse eines geordneten Strafvollzuges ist es daher erforderlich, die Gefängniszelle mit Ornamenten zu versehen“, schrieb Thomas Theodor Heine 1927 unter die Karikatur „Zeiterfordernisse“ im „Simplicissimus“, den Stift konsequent kurvenreich führend.

In Anlehnung an das Thema des Kurt-Weill-Festes reflektiert der Förderverein Meisterhäuser Dessau das mediale Interesse am Bauhaus. Am Sonnabend wurde die Ausstellung „Bewundert, verspottet, gehasst - Das Bauhaus Dessau im Medienecho der 1920er Jahre“ im Meisterhaus Klee/Kandinsky eröffnet. In Anbetracht der Fülle des Materials habe sich der Verein, so Kurator Harald Wetzel, auf einzelne Themen und Ereignisse beschränken müssen.

Doch zuerst erklang ein „Solo für Kontrabass nach der Fuge Nr. 13 in D“, der letzten Fuge, die Lyonel Feininger in Dessau komponierte. Ingo Burghausen durchbrach den epigonenhaften Umgang mit Johann Sebastian Bach und kredenzte später, apropos Radio, Pausenzeichen, eine Zitatensammlung fragmentierter Erkennungsmelodien, augenzwinkernd und originell verwoben.

„Das mediale Ereignis war die Eröffnung des Bauhausgebäudes am ersten Wochenende im Dezember 1926“, sagte Wetzel. 100 Journalisten sollen anwesend gewesen sein, Tageszeitungen, Kunst-, Kultur- und Bauzeitschriften vertretend. Der „Anhalter Anzeiger“ berichtete ausführlich, beauftrage den Kunsthistoriker Paul F. Schmidt-Berlin mit dem feierlichen Beitrag „Das Bauhaus und seine Bedeutung“. Dieser formulierte Mahnungen in Richtung Weimar, gegen die Macht der verängstigten Gewohnheit, welche Gemütlichkeit mit „Erkerchen und Himmelsgiebel“ gleichsetze.

Das Verdienst des Bauhauses bestehe darin, an die Stelle schlechter Gefühlsseligkeit die Funktion zu setzen, und alles sei unpolitisch. Ferner sind Beschreibungen aus Fachzeitschriften gerahmt, oder der Aufruf des Bürgervereins Dessau, veröffentlicht in der „Anhalter Woche“. Da ist vom Kampf gegen ein Bauhaus in dieser Form, gegen den Missbrauch von Volksvermögen, gegen eine zum „Größenwahn führende Ausbildung“ die Rede. Den Aufruf verfasste der ortsansässige Architekt Kurt Elster, der sich der neuen Linie doch annäherte, das Gebäude der Allgemeinen Ortskrankenkasse oder das Café „Altes Theater“ baute, für welches Gunta Stölzl Wandbespannungen und Hinnerk Scheper das Farbkonzept gestalteten. Elster baute 1936 auch das Kameradschaftshaus der Raffinerie, die Zyklon B produzierte.

Wahrhaft erstaunlich sind die Karikaturen, vorrangig im Simplicissimus, einer Wochenzeitschrift, die von einer illustrierten Literaturzeitung zum Satireblatt wurde. Durch Zensur und Konfiszierung in der Kaiserzeit bekanntgeworden, schrieben später Autoren wie die Brüder Mann, Erich Kästner oder Arthur Schnitzler für das Blatt. Der eingangs zitierte Heine selbst führte gegen die Nazis eine spitze Feder. Er war Jude, floh 1933.

Das Metallische Fest wird thematisiert, mit, seines Wissen, so Wetzel, bisher nicht oder selten publizierten Fotografien von Walter Obschonka für die Photothek Willy Römer: „Eine Dame als Flügelschraube“, fantastische Bilder. Und die Neuen Medien? Zwei Ausschnitte aus Werbefilmen werden gezeigt, etwa der 4. Akt des unter Mitwirkung von Richard Paulick entstandenen Streifens „Wie wohnen wir gesund und wirtschaftlich?“ Ise Gropius lässt die Leselampe tanzen, eine Midgard Lampe, wie wandelbar, wie praktisch.

Film und Radio aber blieben auch im Bauhaus periphere Erscheinungen trotz einiger zum Teil Partitur gebliebener Experimente von Werner Graef, und Kurt Kranz oder der unerfüllten Forderung von László Moholy-Nagy 1925 nach Errichtung einer Filmwerkstatt am Bauhaus. Seine Filmidee „Dynamik der Groß-Stadt“ wurde nie realisiert, seine sozialkritischen Filme drehte er nach dem Weggang vom Bauhaus. Das am Rande. Die Ausstellung listet lediglich zwei Radioreportagen und die Sendereihe „Gedanken der Zeit“, in der auch Walter Gropius zu Wort kam. Dennoch wird dem Radio viel Platz gegeben. Und endlich Heine: Unter den Veitstanz einer Familie schreibt er in Absehung der Funktion zum Thema „Sachlichkeit“: „Im konsequenten Kampf gegen das Ornament hat ein Dessauer Architekt sich und seiner Familie die Ohren abgeschnitten.“

Bauhaus-Telefon
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