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Glasmanufaktur Derenburg Glasmanufaktur Derenburg: Merlin und die Zauberlampe

Von Rita Kunze 08.01.2014, 19:40
Glasmacher Peter Kuchinke setzt ein weiteres Teil an die Lampe, entworfen von Otmar Alt.
Glasmacher Peter Kuchinke setzt ein weiteres Teil an die Lampe, entworfen von Otmar Alt. jürgen meusel Lizenz

Derenburg/MZ - Der runde Klumpen glüht. Immer wieder wird er in die weiß leuchtende Hitze des Brennofens geschickt, er wird gedreht und geformt, und dabei durchlebt er eine wunderbare Metamorphose. Mit Granulaten und farbigen Pulvern versetzt, wächst er allmählich zu einem fantastischen gläsernen Gebilde. Der für seine farbenfrohen, eigenwilligen Entwürfe bekannte Otmar Alt nennt es nicht umsonst seine „Zauberlampe“ - und sich selbst einen Merlin, der seine Zauberkraft da hineingegeben hat. Das liegt nicht nur an der besonderen Gestalt dieser Tischlampe, die mit einem Blick nicht zu erfassen ist. Man muss, man will sie drehen und wenden, um sie ganz zu begreifen.

Wunderschönes Abenteuer

„Hüttenarbeit ist ein wunderschönes Abenteuer“, sagt Alt, als das fast fertige Produkt vor ihm auf dem Tisch steht. Die Farben des gläsernen Lampenschirms sind genau so, wie er sich das vorgestellt hat: in klarem Rot, Grün, Gelb und Blau, die typisch sind für alle seine Arbeiten. Und die nun so gänzlich anders sind als noch vor einer guten Stunde, als Glasmacher Peter Kuchinke die Sache anging.

Die Erschaffung der Lampe ist die erste Zusammenarbeit Alts mit der Derenburger Glasmanufaktur, es ist auch die erste mit Kuchinke; der Künstler ist überwältigt. 30 Jahre lang habe er als freier Mitarbeiter bei der berühmten Rosenthaler Manufaktur gearbeitet, er kenne daher Glas: „Das ist ein Material mit einem sehr selbständigen Charakter.“ Er habe mit verschiedenen Glasmachern zusammengearbeitet, und Kuchinke sei der beste: „Wir haben einen Zustand von Intimität, die manche in ihrer Ehe nicht erleben.“

Dabei versteht sich der Glasmacher als Handwerker im besten Sinne, mit dem Künstler kommt er beinahe ohne Worte aus. Alt hat seinen Entwurf ganz in Kuchinkes Hände gelegt, und der geht sicher ans Werk. Kuchinke, 1963 in Ingelheim am Rhein geboren, ist ein Kosmopolit in Sachen Glas. Er hat in Murano gelernt, in Schweden gearbeitet, unterhält eine eigene Werkstatt in Dänemark, arbeitet für die Farbglashütte im thüringischen Lauscha und hat einen Lehrauftrag an der Burg Giebichenstein. In Murano wurde er mit einem Meistertitel ausgezeichnet.

Perfekte Choreografie

Wer ihm bei der Arbeit zusieht, der schaut auf einen Produktions-Fluss, auf eine perfekte Choreografie von Bewegungen, die genau aufeinander abgestimmt sind. Alles geht ruhig, wenngleich zügig voran. „Eine tolle Situation, die ich erleben und erfahren darf“, sagt der Künstler Otmar Alt, der dem Glasmacher Peter Kuchinke zusieht und für den Kunst zu machen ein Geschenk ist. „Es ist eine Form von Selbstfindung“, meint er, oder übersetzt in die Sprache der Kunst: „Wir wollen etwas herausfinden.“ Alt ist in erster Linie Maler und damit „sehr einsam“, sagt er. Er nennt sich einen „Dorfmaler“, der bei Hamm mitten in der Natur, am Rande des Ruhrgebiets, lebt. „Ich kann zusehen, wie der Reiher einen Fisch aus dem See holt, und hinten ruft der Uhu.“ Diese Umstände haben durchaus etwas Zauberhaftes, das sich in Alts fantasievollen Arbeiten widerspiegelt.

Die Basis der Lampe ist inzwischen fertig. Der Glasmacher setzt ein weiteres Stück an und formt mit einer Zange den heißen Strang, der an weiche, zähe Bonbonmasse erinnert. Alt betrachtet sich in diesem Augenblick wieder als Merlin. Er hat sich die Zauberformel ausgedacht, die er anderen in die Hand gibt. Mal sehen, was dabei herauskommt.

Handwerker, kein Künstler

Kuchinke arbeitet schnell und präzise. Er ist ein Handwerker, der Wissen und Können bewahren will. Nicht mehr, aber auch nicht weniger: „Ich habe schon mal jemandem Prügel angedroht, der mich einen Künstler genannt hat. Ich will Handwerk bewahren, und dazu ist es absolut notwendig, mit der Kunst zu kooperieren.“ Dabei setzt er nicht nur die Entwürfe von Künstlern um, sondern ist selbst künstlerisch tätig. Inspirationsquelle ist ihm das Material an sich.

Das Handwerk des Glasmachens sei zu 95 Prozent ausgestorben, sagt der 50-Jährige. Aber es gehöre zum immateriellen Kulturerbe. Deswegen verstehe er sich auch so gut mit Otmar Alt, dem 20 Jahre Älteren: Weil der wisse, dass „das Immaterielle so wichtig ist“. Und das Materielle, das greifbar nah da vor ihm auf dem Tisch steht? Die Lampe? „Ob’s gut ist, werden wir sehen, wenn wir morgen die Hälfte in die Tonne knallen“, sagt Kuchinke. Er meint das wirklich ernst. Er ist Perfektionist, ein „das geht so“ reicht ihm nicht.

Das macht seine Arbeit so schön, aber zugleich auch so schwer, diese hohe Qualität zu erreichen und aus der Arbeit „nicht ein halbfertiges Produkt zu entlassen“. Was nicht gut genug ist, „das kommt in die Tonne“. Denn, das weiß der erfahrene Mann, „das Glas singt. Wenn du nichts hörst, dann kannst du die tollsten Sachen machen, aber die sind trotzdem in ihrem Innern kaputt.“ Kuchinkes Ansprüche sind hoch, Alt hat nichts anderes erwartet. Die Männer eint ihr Credo: Kunst ist Leidenschaft, aber sie kostet unheimlich viel Kraft.

Exklusives Produkt

Wie sonst sollte es auch sein bei einem sehr speziellen Produkt, von dem es nur ganze neun Exemplare geben wird: „Dann ist das international glaubhaft“, sagt Alt, dessen „Zauberlampe“ etwas ausgesprochen Exklusives ist: „Die eigentliche Magie entsteht durch die Zauberei, die im Inneren passiert“, erklärt er und wartet auf den Moment, in dem eine schlichte Glühlampe das fantastische Geschöpf perfekt machen wird.

„Es ist bezaubernd, was aus dem Rohmaterial entstanden ist. Das ist hohe handwerkliche Tradition, das ist kein Ikea, kein Made in China. Es gibt junge Leute, die versuchen, die Tradition aufrecht zu erhalten, und denen müssen wir helfen.“ Deswegen hat er vor Jahren eine Stiftung gegründet, die jungen Künstlern mit Stipendien weiterhilft.

Die Betrachtung seiner „Zauberlampe“ empfindet er als einen Akt der Neugier: „Wie ist das gemacht worden? Wenn man Kunst machen will, dann muss man sehr stark in sich hineinschnuppern.“

Die „Zauberlampe“ mit ihren vielen Farben, kleinen Aufsätzen und Fühlern oder Periskoparmen ist ein Anfang. Alt kann sich gut vorstellen, die Zusammenarbeit mit der Glasmanufaktur in Derenburg fortzuführen.

Auch Kuchinke sieht das so: „Wir arbeiten jetzt an drei Lampenmodellen und überlegen, ob wir ein Produktionsstück machen, das dann fünfhundertmal produziert wird.“