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Rechtsextremismus im Netz Rechtsextremismus im Netz: Rechte Hetze bei Facebook nimmt zu

Von Christian Schafmeister und tilo krippendorf 05.02.2014, 21:07
Wie hier im sächsischen Schneeberg Ende 2013 regt sich vielerorts auch Widerstand gegen die Stimmungsmache von Rechts.
Wie hier im sächsischen Schneeberg Ende 2013 regt sich vielerorts auch Widerstand gegen die Stimmungsmache von Rechts. dpa Lizenz

Merseburg/Gardelegen/MZ - Gardelegens Bürgermeister Konrad Fuchs (SPD) ist endgültig der Kragen geplatzt. Dass Rechtsextreme seit Tagen via Facebook Stimmung machen gegen die Asylunterkunft und so die Stadt in der Altmark für ihre Zwecke missbrauchen, will er nicht länger hinnehmen. Er fürchtet um den Ruf der Stadt. Politiker, Bürger, Kirchenvertreter und Mitglieder weiterer Gruppen wollen daher am Donnerstag in die Asylunterkunft mit aktuell 25 Bewohnern gehen und so ein Zeichen gegen Ausländerfeindlichkeit setzen.

„Unsere Stadt ist anders, die Globalisierung wird hier gelebt“, betont der Bürgermeister. So lebten nicht nur mehr als 500 Ausländer in der Stadt mit ihren 23.000 Einwohnern, auch drei der größten Betriebe seien dort in ausländischer Hand. Und schafften Arbeitsplätze für einige hundert Menschen. Probleme habe es bislang nicht gegeben - auch nicht mit der Asylunterkunft, die Ende 2013 als Außenstelle der überfüllten Einrichtung in Salzwedel eröffnet worden ist.

Doch trotz guter Argumente besteht Handlungsbedarf. Denn auf Facebook sammelten Gegner der Unterkunft innerhalb weniger Tage 1.700 „Likes“ (Befürworter) ein. „Es ist schlimm und traurig, zur Spielwiese für solche Kräfte zu werden“, so Bürgermeister Fuchs.

Gardelegen ist dabei kein Einzelfall. Im Internet häufen sich die Fälle, in denen mutmaßlich Rechtsextreme Stimmung gegen Asylbewerber machen. So konnte auch die Gruppe „Merseburg gegen Asylanten“ innerhalb weniger Tage mit teils verfassungsfeindlichen Inhalten mehrere hundert Unterstützer gewinnen. Eine ähnliche Aktion gab es im Dezember 2013 auch in Wolfen (Anhalt-Bitterfeld).

„Diese Facebook-Seiten sind ein bundesweites Phänomen“, sagt Hilmar Steffen, Rechtsextremismus-Experte im Magdeburger Innenministerium. „Ursprünglich kommen derartige Gruppen von der NPD oder den freien Kameradschaften.“ Auf einer weiteren Facebook-Seite mit dem Titel „Merseburg wehrt sich“ wird etwa Werbung für die NPD veröffentlicht. „Seit dem Bundestagswahlkampf gibt es Anti-Asylkampagnen, sie sind nun im Netz angekommen“, sagt Verfassungsschützer Steffen.

So schnell, wie sich bei Facebook Gruppen gegen eine vermeintliche „Asylflut“ gründen, entstehen aber auch gegenteilige Bewegungen. So sammelt zum Beispiel die Seite „Merseburg für Asylbewerber_innen“ seit wenigen Tagen Informationen zur Situation von Asylbewerbern im Saalekreis. Und auch im Fall Gardelegen regt sich im Internet Widerstand gegen die Gegner der Asylunterkunft.

David Begrich, Extremismus-Experte des Vereins Miteinander, nimmt die wachsende Stimmungsmache im Internet gegen Asylunterkünfte ernst, will dem Phänomen aber auch nicht zu viel Gewicht beimessen. „Die Initiatoren stammen zwar häufig aus dem Milieu der extremen Rechten.“ Doch die Mehrheit der Menschen, die per Mausklick mitmachten, seien keine Neonazis. „Natürlich werden dort viele rassistische Vorurteile bedient“, erklärt Begrich. Das klappe aber nur im konkreten Fall, wenn etwa über den Standort einer Unterkunft diskutiert werde. „Ansonsten haben die Befürworter solcher Aufrufe meist keine Verbindungen zum Rechtsextremismus.“

Begonnen habe der Trend zu solchen Facebook-Aufrufen vor einigen Monaten in Sachsen und Thüringen, sagt Begrich. Im sächsischen Schneeberg etwa gab es Ende vergangenen Jahres bereits Proteste gegen ein Asylbewerberheim. Wochenlang demonstrierten dort Bürger Hand in Hand mit Rechtsextremen. Angemeldet hatte die Aufmärsche der Kreisvorsitzende der NPD. „Und auch dort ist damals die Mobilisierung massiv über Facebook gelaufen“, sagt Begrich. Das spezielle Problem in der Erzgebirgsstadt: Die Menschen fühlten sich von dem Asylheim überrumpelt. „Weder die Flüchtlinge noch wir waren vorbereitet“, klagte Bürgermeister Frieder Stimpel (CDU). Ein Versäumnis, das Innenminister Markus Ulbig (CDU) später einräumte. „Wichtig ist vor allem eine behutsame und strategische Kommunikation mit den Bewohnern in den entsprechenden Stadtteilen“, sagt Extremismus-Experte Begrich. Im Idealfall sollte die im Vorfeld über Personen laufen, die vor Ort bekannt und anerkannt sind.

Städte sind besser vorbereitet auf Proteste

„Den Standort einer Asylunterkunft per Pressemitteilung bekanntzugeben, ist sicher nicht das Mittel erster Wahl“, betont Begrich, besser geeignet sei eine „stille Diplomatie“. Die meisten Städte seien darauf heute auch besser vorbereitet als noch in den 90er Jahren, sagt der Extremismus-Experte.

Das Muster, nach dem die Rechten vorgehen, sei sehr ähnlich. So würden zunächst Gerüchte über einen möglichen Standort gestreut, anschließend würden die Kosten als Gegenargument ins Feld geführt, und am Ende setzten die Initiatoren auf Klischees gegen Ausländer - wie die vermeintlich hohe Kriminalitätsrate.

Ähnlich wie Begrich warnt aber auch Verfassungsschützer Hilmar Steffen davor, das Bild der Sympathisanten im Internet mit der Realität gleichzusetzen. „Dadurch erscheint die rechtsextreme Szene zu groß.“ Ohnehin würden die Proteste oft schlagartig enden, wenn die Initiatoren keinen Fuß in die Tür bekommen. Darauf setzt am Donnerstag auch Bürgermeister Fuchs in Gardelegen. „Ich hoffe, dass der Widerstand wie ein Kartenhaus zusammenfällt.“

Screenshot der Facebook-Seite "Merseburg für Aslybewerber_innen"
Screenshot der Facebook-Seite "Merseburg für Aslybewerber_innen"
Screenshot/MZ Lizenz