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Hausfriedensbruch im Stall Schweinemast: Landgericht Magdeburg lobt radikale Tierschützer

Von Hagen Eichler 11.10.2017, 04:59
Nicht schuldig: Die drei Tierschützer (von links) Erasmus Müller, Sandra Franz und Jürgen Foß müssen für ihr nächtliches Eindringen in den Schweinestall Sandbeiendorf keine Strafe zahlen. 
Nicht schuldig: Die drei Tierschützer (von links) Erasmus Müller, Sandra Franz und Jürgen Foß müssen für ihr nächtliches Eindringen in den Schweinestall Sandbeiendorf keine Strafe zahlen.  Hagen Eichler

Magdeburg - Als Erasmus Müller dem Gericht schildert, wie es in deutschen Schweineställen aussieht, bricht eine Zuhörerin im Gerichtssaal in Tränen aus. Von Tierkörpern, die aus zu engen Kastenständen „herausquellen“ berichtet der Tierschützer - „für mich ist klar, dass ich da etwas tun muss“.

Vor vier Jahren ist der Berliner in Begleitung zweier Mitstreiter nachts in einen Mega-Stall bei Sandbeiendorf (Landkreis Börde) eingestiegen, um die Missstände zu filmen.

Das war Hausfriedensbruch - und bleibt dennoch straffrei. So hat es das Magdeburger Landgericht in einem aufsehenerregenden Urteil am Mittwoch entschieden.

Tierschützer vor Gericht in Magdeburg: Behörden hatten vorher versagt

Die drei radikalen Tierschützer vom Verein „Animal Rights Watch“ werden nicht nur freigesprochen, sie bekommen sogar noch ein Lob vom Vorsitzenden Richter.

„Sie haben genau das getan, was nötig war und was als mildestes Mittel zur Verfügung stand“, urteilt Ulf Majstrak. „Ihr Handeln ist ausdrücklich als positiv und gut zu bewerten.“

Nur durch die illegal angefertigten Videos sei es gelungen, Missstände aufzudecken und zu ahnden. Eigentlich wäre das Aufgabe der Behörden gewesen - die aber hätten zuvor versagt.

Tierschützer vor Landgericht Magdeburg: Staatsanwaltschaft forderte Geldstrafen

In dem gigantischen Betrieb mit mehr als 60.000 Schweinen hatte der zuständige Landkreis Börde keine Gesetzesverstöße feststellen können. Erst die Videos deckten auf, dass Tiere unter qualvollen Bedingungen gehalten wurden, wie das Landesverwaltungsamt später feststellte.

Es gab unzulässig schmale Kastenstände, zu breite Spalten in den Böden, teilweise habe Trinkwasser gefehlt, Eber wurden unerlaubt weggesperrt. Unter Verweis auf einen „Notstand“ hatte bereits das Amtsgericht Haldensleben vor einem Jahr eine Bestrafung  der Eindringlinge abgelehnt.

Die Staatsanwaltschaft wollte das nicht hinnehmen und forderte Geldstrafen. Es sei den Angeklagten gar nicht um das Abstellen von Mängeln gegangen, sagt die Staatsanwältin in ihrem Plädoyer.

Tierschützer vor Landgericht Magdeburg: Bauernverband Sachsen-Anhalt nicht erfreut

Sie führt an, dass die Eindringlinge verletzte Tiere entdeckt, diesen aber nicht geholfen hätten. Richter Majstrak überzeigte das nicht. „Das geht doch an der Lebenswirklichkeit vorbei.“

Auf dem Gerichtsflur reagieren die Freigesprochenen und drei Dutzend Unterstützer mit Jubel. Sandra Franz, gebürtige Hallenserin, will auf Aktionen wie in Sandbeiendorf  künftig verzichten - sie verkrafte das Erlebte nicht.

„Die Politik muss aber ein Zeichen bekommen, dass wir eine andere Landwirtschaft brauchen“, sagt sie. Die grüne Landtagsabgeordnete Dorothea Frederking, die die Verhandlung verfolgt hatte, lobt die Tierschützer: „Ihr Handeln hat zum öffentlichen Bewusstsein für diese Missstände beigetragen.“

Der Bauernverband Sachsen-Anhalt reagierte grantig. „Das Ziel solcher Aktivisten ist nicht die Verbesserung der Tierhaltung, sondern das Generieren von Spendeneinnahmen“, sagte ein Sprecher.