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Nach Seitenhieb von Martin Schulz Nach Seitenhieb von Martin Schulz: Heftige Polizeidebatte in Sachsen-Anhalt

Von Hagen Eichler 27.09.2017, 18:22
Debatte im Landtag von Sachsen-Anhalt
Debatte im Landtag von Sachsen-Anhalt dpa-Zentralbild

Magdeburg - Der Seitenhieb kam unerwartet und saß: „Kennen Sie das Flächenland in Deutschland, das 2016 die höchste Kriminalitätsrate hatte?“, fragte Martin Schulz im TV-Duell Kanzlerin Angela Merkel . Die triumphierende Antwort - Sachsen-Anhalt - gab der damalige Kanzlerkandidat dann selbst. Am Mittwoch nun hat der Landtag in Magdeburg nach Ursachen für die Misere gesucht. Innenminister Holger Stahlknecht (CDU) wurde allerdings kein einziges Mal ernsthaft herausgefordert - ein Parteikollege eröffnete stattdessen das Feuer auf die oppositionelle Linke.

Die hatte durch eine Große Anfrage den Zustand der Polizei abgefragt. Beförderungsstau, Krankenstand, fehlende Ausrüstung - lang ist die Liste der offengelegten Probleme. Der CDU-Innenpolitiker Chris Schulenburg sieht Gefahrschrö für die Polizei jedoch anderswo: durch die Linke selbst.

Für AfD-Fraktionschef André Poggenburg ist Debatte eine Vorlage

Die habe immer die Arbeit der Polizei-Fachhochschule diskreditiert. Mehr noch: Indem die Partei den Verfassungsschutz abschaffen wolle, gefährde sie die innere Sicherheit. Hätte die Linke sich durchgesetzt, so Schulenburg, wäre die politische Kriminalität in die Höhe geschossen.

Für die AfD, die die Attacke des CDU-Manns mit wachsender Freude beobachtet, ist das die Vorlage. „Das wollen die doch“, ruft AfD-Fraktionschef André Poggenburg. Schulenburg, gelernter Polizeibeamter aus der Altmark, legt nach. Wer werfe denn bei Veranstaltungen Steine, vermumme sich, blockiere genehmigte Demonstrationen?, fragt er in den linken Teil des Plenarsaals. „Das sind Ihre Wähler!“

Linken-Politikerin Henriette Quade: „Ansonsten bleibt mir nur zu sagen: Danke, Antifa!“

Die Linken-Politikerin Henriette Quade verwahrt sich gegen die Kritik. Ihre Partei habe sich stets gegen Gewalt ausgesprochen, sagt sie. „Ansonsten bleibt mir nur zu sagen: Danke, Antifa!“ Von der AfD-Bank hallen Buhrufe durch den Plenarsaal.

Innenminister Holger Stahlknecht hatte es zuvor bei einem staatstragenden Auftritt belassen. Er verzichtete sogar darauf, den einstigen Finanzminister Jens Bullerjahn (SPD) für die Kürzungen bei der Polizei verantwortlich zu machen. Das Land habe unter verschiedenen Regierungen gewaltige 20 Milliarden Schulden angehäuft, erinnerte der Minister.

„Deshalb war es zunächst mal richtig, 2011 bis 2016 einen Konsolidierungspfad einzuschlagen.“ Allerdings habe man den Personalabbau bereits 2014 wieder gestoppt. Dann malt Stahlknecht eine goldene Zukunft: Die Regionalbereichsbeamten seien ein voller Erfolg, es gebe eine „wunderbare moderne Sachausstattung“, demnächst werde der Beförderungsstau aufgelöst. „Wir werden 2021 eine Polizei haben, die hochmodern, jung und hochmotiviert ist.“

Stahlknecht: Kampf gegen Rechtsextremismus und Linksextremismus

Und die Sicherheitslage? Stahlknecht müht sich, betont ausgewogen zu formulieren. Die Polizei habe seit dem Flüchtlingszustrom Migranten schützen müssen - aber auch „unsere Bürger vor einer veränderten Kriminalität durch Migranten“. Man bekämpfe den Rechtsextremismus - der Linksextremismus sei aber ein genauso großes Problem. Die Aussage ist durchaus überraschend, denn auch der jüngste Verfassungsschutzbericht stellte zahlenmäßig deutlich mehr Straftaten von rechts als von links fest.

Stahlknechts Darstellung vom Zustand der Polizei finden bei der AfD Widerspruch. Mario Lehmann, von Beruf Polizist, zeichnet das Bild eines stetigen Niedergangs. „Für den Beamten auf der Straße ist es mit jedem Jahr immer unterirdischer geworden.“ Keine Regierung habe auf Kritik der Praktiker hören wollen. „Zu mir hat man gesagt, ich sollte das Denken den Pferden überlassen, die hätten einen größeren Kopf“, kritisiert Lehmann.

Bis 2021 rund 6.400 Polizeibeamte in Sachsen-Anhalt

In Sachsen-Anhalt gibt es nach jahrelangem Personalabbau derzeit rund 5.800 Polizeivollzugsbeamte. Die Landesregierung will mehr Polizisten einstellen, damit bis 2021 rund 6.400 Beamte für den Einsatz auf den Straßen bereitstehen. Langfristig soll die Zahl auf 7.000 steigen. Der SPD-Innenpolitiker Rüdiger Erben regt an, gezielt auf Feldjäger der Bundeswehr zuzugehen, die mit einer Zusatzqualifikation schnell Dienst tun könnten.

Die Linke fordert, auf den freiwilligen Dienst jener zu setzen, die auch nach dem 60. Geburtstag noch arbeiten wollten. Langzeiterkrankte müssten nach ihrer Genesung schneller wieder eingegliedert werden. Zudem könne durch externe IT-Experten oder eine unabhängige Beschwerdestelle Personal für den Einsatz auf der Straße frei werden.

(mz)