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Deutschlandfunk spricht von abgehängter Region Deutschlandfunk spricht von abgehängter Region: Wie sieht es in Zeitz wirklich aus?

Von Angelika Andräs 22.09.2017, 07:00
Die Zeitzer Innenstadt ist an vielen Stellen ein Schmuckstück. Am Neumarkt ging die größte Verwandlung vor sich. Hier wird gebaut, hier gibt es nur noch ein leeres Haus.
Die Zeitzer Innenstadt ist an vielen Stellen ein Schmuckstück. Am Neumarkt ging die größte Verwandlung vor sich. Hier wird gebaut, hier gibt es nur noch ein leeres Haus. Hartmut Krimmer

Zeitz - „Fast schon eine Geisterstadt“ titel Christoph Richter seinen Beitrag über Zeitz für die Deutschlandfunk-Reihe „Deutschland heute - Abgehängte Regionen“. Und spricht von der „Bronx von Sachsen-Anhalt“. Das löste einen Sturm der Empörung aus, fand aber auch Zustimmung. Was stimmt in dem Beitrag? Wo liegt der Autor daneben? Ein Faktencheck.

„Junge Menschen ziehen weg, Zuzug gibt es nicht“

Der Wegzug ist nach wie vor ein Problem in Zeitz. Und mit Beginn von Studium oder Ausbildung  gehen der Stadt immer noch viele junge Menschen verloren. Aktuelle Zahlen gibt es nicht, aber 2015 waren es noch zwei Drittel in der Altersgruppe 17 bis 25, die die Stadt verlassen und meist nicht zurückkommen. 2015 und 2016 gab es rund 1.700 bis 1.800 Zuzüge. Allerdings sind hier auch ausländische Bürger erfasst. Das waren 2016 immerhin 1.574.

„In 25 Jahren verlor Zeitz die Hälfte der Einwohner.“

Per 31. Dezember 2016 lebten in der Kernstadt Zeitz 23.855 Menschen, mit den Ortsteilen 29.522. Im Jahr 1988 waren es laut Landesstatistik in der heutigen Kernstadt 43.557. Weißenfels hatte Ende 2016 immerhin 41.600 Einwohner, Naumburg 33.680. Beide Städte hatten 1990 weniger Einwohner als Zeitz. Besonders zugelegt hat Naumburg: seit 1990 - nämlich gut 11.000.

„Stadt altert rapide. Prognose 2010: 8 % Jugendliche“

Der Altersdurchschnitt ist in der Tat hoch. Rund zwei Drittel der Zeitzer sind 45 Jahre und älter. Die größte Altersgruppe stellen die Über-70-Jährigen dar, gut 7.000 sind es laut letzten detaillierten Zahlen der Stadt von 2014 und 2015. Dazu kommen etwas über 2.000 Kinder (bis zwölf Jahre), knapp 2.000 Jugendliche zwischen zwölf und 20 Jahren und rund 6.000 Bewohner zwischen 20 und 45 Jahren.

Die Prognose sieht tatsächlich einen weiteren Bevölkerungsrückgang vor. Bis 2025 wird noch von maximal 22.000 Einwohnern ausgegangen, spätestens 2030 soll die Einwohnerzahl ganz klar unter 20.000 liegen. Und Zeitz wird auch deutlich älter: 2020 soll der Anteil der Jugendlichen und Kinder unter 20 Jahren auf rund elf Prozent abrutschen. Weit über die Hälfte der Einwohner wäre dann über 60 Jahre alt.

„Knapp 30 Prozent der Häuser stehen leer“

Der Leerstand in Zeitz beträgt tatsächlich rund 30 Prozent. Allein der Wohnungsleerstand wird von der Stadtverwaltung mit 23 Prozent  angegeben. Dabei sind allein seit 2002 knapp 2.000 Wohneinheiten zurückgebaut worden - vor allem in Zeitz-Ost wurden ganze Blöcke abgerissen. Aber auch im Brühl oder in der Schützenstraße hatte der Abrissbagger viel zu tun. Dabei handelte es sich fast immer um Wohn-Geschäfts-Häuser.

Um den Zielen, die sich die Stadt im Stadtentwicklungskonzept in Sachen Rückbau von Wohnhäusern gesetzt hat, gerecht zu werden, müssten jedes Jahr 400 Wohnungen verschwinden. Von 3.000 bis 4.000 leerstehenden, nicht benötigten Wohnungen spricht die Verwaltung. Die Wohnungsbaugesellschaft Zeitz arbeitet mit aller Kraft gegen den Leerstand: Am Neumarkt hat sie sogar gebaut, Häuser saniert. Das Brühlcenter wurde von der WBG wieder belebt. Weitere Vorhaben laufen an. Und es zahlt sich aus: Von den 2.700 WBG-Wohnungen stehen nur 15 Prozent leer.

„Hier die Kramerstraße ... alles leer!“

Das stimmt ganz offensichtlich nicht. Auf 14 leerstehende Geschäfte kommen in der Kramerstraße immerhin sieben vermietete beziehungsweise genutzte. Und am Roßmarkt steht deutlich weniger leer, selbst in der Wendischen Straße. Das Zählen ist zurzeit einfach, da in leeren Ladenlokale die Stadtgalerie ihren Platz gefunden hat: eine gut angenommene Idee, um dem Leerstand zumindest optisch zu begegnen.

196 Unternehmen sind in der Innenstadt angemeldet, aber es stehen dennoch 58 Gebäude leer, fast ein Viertel von den insgesamt 243 Immobilien. Wer zählt, kommt auf knapp 30 Geschäfte, die ungenutzt sind.

„Wie nach dem Krieg: Ganze Straßenzüge, sind leer.“

Stichwort Rahnestraße, Nordseite Brühl, aber auch Scharrenstraße, Rothestraße, Schützenstraße... Vor allem die Rahnestraße ist als direkter Weg in die Innenstadt ein großes Problem. Mittlerweile findet man unter den 24 Häusern zur Straße hin 16 komplett leerstehende und entsprechend kaputte Gebäude.

„Außerdem fehlen hier Arbeitgeber“

In und um Zeitz sind mit Industriepark, Südzucker und Bioethanol, mit Zeitz-Guss oder Mibrag durchaus große Unternehmen angesiedelt. Die Krux: Sie brauchen natürlich nicht mehr Tausende Mitarbeiter, wie die Betriebe zu DDR-Zeiten.

„Wo keine Kultur ist, siedeln sich keine Unternehmen an.“

Das ist völlig richtig und vielfach belegt. Die weichen Standortfaktoren sind extrem wichtig. Kulturelles Leben gibt es in Zeitz, von Capitol, Moritzburg über Neues Theater bis zu vielen Vereinen. (mz)