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Frei.Wild vor Konzert in Bitterfeld Frei.Wild: Konzert in Bitterfeld am 15. September

Von Steffen Könau 14.09.2017, 14:21
Frei.Wild bei einem Konzert auf der Kufsteiner Festung
Frei.Wild bei einem Konzert auf der Kufsteiner Festung Imago

Bitterfeld - Staub auf den Kisten mit den Trommeln, Staub auf den Gitarren und Staub auf Decken, die über den vier regungslosen Figuren hängen. Staub, der weggeblasen wird, nicht nur im ersten Vorgucker-Video auf anstehende große Ereignisse in der Welt der Frei.Wild-Fans: Am Freitag kommt die Band aus Südtirol nach Bitterfeld, um ihr erstes Album (hier bei Amazon kaufen) seit 2015 und neue Tourtermine bis ins Jahr 2018 vorzustellen.

Ausnahmezustand am Stadthafen. 5 000 Fans werden am Freitag ab 15 Uhr zum kostenlosen Konzert erwartet, vielleicht auch mehr, niemand weiß das so genau, nicht einmal Maximilian Beuster von der Bitterfelder Band Goitzsche Front, die mitgemischt hat beim Besuch des Quartetts aus Italien, das seit 2012 mit jedem seiner Alben auf Platz 1 der deutschen Charts landete.

Frei.Wild vor Konzert in Bitterfeld: Hymnischer Männerrock

Männerrock, hymnisch, mit Texten über Freundschaft, Heimat, Frauen und Alkohol. Frei.Wild, seit 15 Jahren auf dem Weg nach oben, wirken erdig, authentisch und im Unterschied zu anderen Gruppen nicht wie ein Produkt aus der Pop-Fabrik.

Musikalisch irgendwo zwischen Toten Hosen und Böhsen Onkelz gelegen, weht den vier Musikern aus dem Örtchen Natz bei Brixen das Wort „umstritten“ voran. Fans vergöttern Sänger Philipp Burger, Trommler Christian Fohrer, Bassist Jochen Gargitter und Gitarrist Jonas Notdurfter. Gegner aber werden nicht müde, Burgers Vergangenheit als Skinhead und Sänger der Rechtsrock-Band Kaiserjäger zu thematisieren.

Mag sein, dass der Hauptsongschreiber und Frontmann von Frei.Wild seinerzeit noch keine 20 war. Mag sein, dass seine jetzige Band sich immer wieder von rechten Fans und falsch verstandenen Texten distanziert hat.

Doch es reichte den Kritikern nicht, so dass die Deutsche Phono-Akademie zuletzt sogar die Regeln für die Nominierung für den Musikpreis Echo nach Boykottdrohungen prominenter Künstler wie Mia, Kraftklub und Die Ärzte so abänderte, dass Frei.Wild keinen Preis mehr bekommen.

Bei den Fans hat das dem Quartett aus Südtirol ebenso genützt wie erzwungene Festivalabsagen und ein von der Band Jennifer Rostock ausgerufenes Verbot, mit Frei.Wild-T-Shirts zum Konzert zu kommen.

Klassenkampf an der Gitarrenfront, geführt mit Ausdeutungen von Rockmusik-Texten, die offenbar wahlweise als „nationalistisches Gedankengut“ (Jennifer Rostock) oder entgegengesetzt auch als Fall von „konservativem Antifaschismus“ gelten können, wie es Klaus Farin vom Berliner Archiv der Jugendkulturen nennt.

Punkrock in Bitterfeld: Frei.Wild treten am 15. september im Stadthafen auf

Nach Bitterfeld, gerade in den letzten Tagen wieder in Fernsehsendern vorgeführt, hat die derzeit erfolgreichste deutschsprachige Rockband aus der Punkrock-Kiste weder das Wahlergebnis der AfD bei der letzten Landtagswahl noch das Wutgeheul beim Besuch der Kanzlerin geführt.

Es war vielmehr die Landschaft an der Goitzsche, es waren Wasser, Wind und Luft, wie Maximilian Beuster erklärt. Seine Band Goitzsche Front, 2009 gegründet und wie Frei.Wild auf harte musikalische Kost abonniert, nimmt ihre Platten seit Jahren im Roßlauer Tonstudio des Produzenten Alex Lysjakow auf, der früher mit der Band Down Below Erfolge feierte.

Lysjakow ist seit Jahren auch Produzent von Frei.Wild: Hitalben wie „Feinde deiner Feinde“ und „Opposition“ gehen auf die Kappe des Chefs von Soundart Recordings, der auch hinter dem Album „Monument“ steht, mit dem es Goitzsche Front zum ersten Mal in die Top 20 der Hitparade schafften.

Klein ist die Rockwelt, in der noch per Hand Musik gemacht und beim Singen geschwitzt wird. „Letztes Jahr haben uns die Jungs zum Alpen-Flair-Open-Air eingeladen“, beschreibt Beuster, „und wir haben uns auf Anhieb gut verstanden.“

Vor ein paar Wochen dann ein Anruf von Alex Lysjakow, der gerade Philipp Burger zu Besuch hat. Maximilian Beuster, hauptberuflich in einem Restaurant an der Goitzsche beschäftigt, lädt die Rock-Prominenz nach Bitterfeld ein, an die Wasserfront, die seiner Band ihren Namen gegeben hat. „Und Philipp fand das alles unglaublich schön hier und war so begeistert, dass er meinte, sie wollen ihr neues Album am liebsten bei uns im Restaurant vorstellen.

Fankonferenz von Frei.Wild in Bitterfeld: Im Stadthafen soll es richtig krachen

Weil das doch ein wenig zu klein scheint für die zur „Fankonferenz“ anfangs erwarteten tausend Anhänger aus ganz Europa, soll es die Freifläche sein. „Noch ein bisschen später war klar, sie wollen es richtig krachen lassen.“

Beuster und Co. haben mit der Stadt verhandelt, offene Ohren und schließlich den neuen Stadthafen als Veranstaltungsgelände gefunden. 5 000 Fans passen hierher, kommen ein paar mehr, bricht auch keine Welt zusammen.

Maximilian Beuster, gerade 22, hat mit seiner Band in den letzten beiden Jahren schon das Goitzsche-Fest organisiert. Er freut sich, gerade wegen der negativen Schlagzeilen, die Bitterfeld beim Merkel-Auftritt gemacht hat. Sowas ärgert den Lokalpatrioten: „Das wird richtig gute Werbung für die Region.“

Und für die Südtiroler Band. Seit zwei Jahren sind Philipp Burger und seine Kollegen nicht mehr auf Tour gewesen, Frei.Wild machten sich rar, nach 15 Jahren im Geschäft überspielt und ein wenig wohl auch genervt vom Kampf gegen die Windmühlen der Vorurteile, die die Bandmitglieder wahlweise wegen „ultranationalistischer Inhalte“ angreifen oder ihnen vorwerfen, sie würden sich von „völkischen Fans“ nicht deutlich genug distanzieren.

„Wir haben uns seit Bandgründung immer wieder gegen Rassisten, Nazis und andere Menschenfeinde positioniert“, hat Philipp Burger zur diesjährigen Echo-Verleihung betont. Er stehe dazu, in seiner Jugend „drei Jahre lang Skinhead und ein Jahr bei Kaiserjäger gewesen zu sein“. Doch das sei nur er gewesen, er allein, und keiner seiner Bandkollegen. „Ohne meinen vorherigen Ausstieg hätte es keine Gründung von Frei.Wild gegeben.“

Diese „beschissene Zeit“ sei nun 18 Jahre her und er wolle sie gern aus seiner Biografie streichen. „Aber das kann ich nicht, das kann keiner von uns“, sagt der frühere Zimmermann, der heute verheiratet ist und zwei Kinder hat. Burger stellt klar: Heimat habe für sie als Südtiroler zwar „immer einen positiven Klang, nie aber einen ausgrenzenden - und das ist genau das, was auch unsere Fans verkörpern sollten“.

Es scheint manchmal wie damals, als die Rolling Stones in der Waldbühne in Westberlin spielten, tobende Fans die Arena zerlegten und Rockmusik in West wie Ost über Nacht zum Feindbild wurde. Je entschiedener die Warnungen, desto größer der Erfolg, je mehr Kritik geäußert wird, desto tiefer reicht die Liebe der Fans.

Für Frei.Wild ist der stete Gegenwind Gelegenheit, sich als „Opposition“ zu inszenieren, wie das letzte Album hieß, oder die „Rock ’n’-Roll-Gegenbewegung“ zum musikalischen Mainstream auszurufen.

Der Hallenser Alexander Prinz, der als „Dunkler Parabelritter“ bei Youtube 115 000 Abonnenten mit Metal-News versorgt, sieht bei Frei.Wild viel „lyrisches Clickbait“ am Werk: „Sie sprechen über Werte, die jeder abnicken kann: Freundschaft, Liebe, Zusammenhalt.“ Dazu komme das „Wir gegen die“-Gefühl. „Sie stilisieren sich zum Teil eines Freundeskreises, der aufgrund der schieren Menge ihrer Fans so nicht existieren kann.“

Den Rest besorge eine schlechte Presse, „denn diese Presse, der eh immer weniger vertrauen, versucht aus ihrer Sicht, sie, die netten Jungs aus Südtirol, fertigzumachen“. Und das nur, weil Frei.Wild, sagt Alexander Prinz, „so anti-mainstream und anti-establishment sind - was natürlich nur ein Stilmittel ist, denn sie verdienen damit sehr gut“.

Frei.Wild in Bitterfeld: Rock’n’Roll-Radtour

Die Reise nach Bitterfeld soll auch ein bisschen das Gegenteil beweisen. Fannähe, Bodenhaftung. Vor Jahren schon starteten Philipp Burger und Co. eine gemeinsame Rock’n’Roll-Radtour mit Fans im nahen Halle. „Wir sind nicht die unerreichbaren Superstars“, versicherte Burger damals.

Halle habe sich wegen der schönen Radwanderwege als Startort angeboten, so der Frei.Wild-Sänger. „Aber natürlich auch, weil der Osten Deutschlands schon immer eine Hochburg für uns ist. (mz)