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Wanderndes Gemäuer Wanderndes Gemäuer: Reste der Burg Reina kommen an Oberfläche

Von Oliver Wege 03.09.2017, 09:00
Ein Bootshaus an der Elbe wurde von Dieben ausgeräumt.
Ein Bootshaus an der Elbe wurde von Dieben ausgeräumt. ARCHIV/Oliver Wege

Dessau - Elbabwärts, am Stromkilometer 266,5, kommen bei sehr niedrigem Wasserstand sogenannte Hungersteine mit eingeritzten unterschiedlichen Jahreszahlen zum Vorschein. Aber nicht nur sie. Links und rechts einer Buhne ragen zwei aus Feldstein gemauerte Pfeiler aus dem Wasser. Nach Bodendenkmalliste der Stadt Dessau-Roßlau befindet sich hier im Wasser der Elbe die Burgruine Reina.

Die Pfeiler gehören zu einem Rechteck aus Mauerresten, circa 80 mal 25 Meter groß. Zu sehen sind allerdings nur die zwei Pfeiler in Ufernähe. Die Bagger des Elbe-Ausbaus haben vermutlich den Rest der Anlage zerstört. Am Elbufer kann man zudem noch eine umgestürzte Ziegelmauer finden und flussabwärts jede Menge Dachziegelreste.

Burg Reina entstand vor Stadtgründung

Die Burg Reina wurde lange vor der Stadtgründung Dessaus gebaut, vermutlich zwischen den Jahren 1050 und 1100. Im Jahr 1213 wird das Ministerialgeschlecht derer von Reine erwähnt, in der zweiten Hälfte des 13. Jahrhunderts war die Burg sogar häufig Hoflager anhaltinischer Fürsten. Eine Rolle spielte die Burg auch in dem Meißnischen Krieg 1282, wo sie von den Feinden erobert und dann zurückerobert werden musste. Zwischen 1315 und 1325 wurde dann die Burg von der Elbe überschwemmt.

Spätere Chronisten beschreiben das fest gemauerte Rechteck in der Elbe. Johann Beckmann, ein deutscher Universitätsprofessor sowie Chronist der anhaltinischen Fürstentümer (1641 bis 1717), nimmt an, „daß die Elbe ihren Lauf verändert und so die Burgstätte und ihre Trümmer von dem linken zum rechten Ufer gebracht habe“ (Quelle: Ludwig Würdig „Chronik der Stadt Dessau“ 1876). Doch einige Stromkilometer flussabwärts ragen erneut Hungersteine aus dem Wasser. Die Bodendenkmalliste der Stadt Dessau-Roßlau weist hier, gegenüber dem heutigen Dorf Brambach, die Wasserburg „Schlossberghau“ mit dem Zusatz „auch als Burg Reina bezeichnet“ aus. Diese Hungersteine gehören allerdings eher zu den „Brambacher Steinen“, einer geologischen Formation quer zur Elbe.

Reste einer weiteren großen Wallburg

Doch ist eine „Wanderung“ der Burg Reina beziehungsweise deren Reste auf das andere Flussufer überhaupt möglich? Durchaus. Bis in die Neuzeit, insbesondere während der sogenannten „nassen Zeiten“ in der ersten Hälfte des 14. Jahrhunderts, gab es noch viele Flussbettverlagerungen. So ist es auch geologisch belegbar, dass die Elbe früher einmal noch südlicher mitten durch den heutigen Kühnauer See und weiter über den heutigen Bruchgraben im Unterbruch eines ihrer Flussbette hatte. Hier liegen auch die gut erhaltenen Reste einer weiteren großen Wallburg (genannt Burg Kühnau) mitten im ehemaligen Elbe-Flussbett.

Wie auch immer die tatsächliche Geschichte der Burg Reina war, es darf weiter geträumt werden vom schönen jungen Ritter Reinold als letztem der Edlen von Reina und Elbine, der Beherrscherin der Elbe. Entzückt von ihrer Schönheit soll er ihr der Sage nach aus Liebe in ihren schimmernden Unterwasser-Kristallpalast gefolgt sein. Gleichzeitig ging seine Burg in den Fluten der Elbe unter.  

Durch eine Flussbettverlagerung in die Nähe des heutigen Flussverlaufes könnte dann durchaus die Burg Reina vom linken zum rechten Flussufer „gewandert“ und überschwemmt worden sein. Verbunden damit wäre dann allerdings auch ein „Trockenfallen“ der eigentlichen Wasserburg Kühnau. Und tatsächlich fand man 1938 Reste einer weiteren spätmittelalterlichen bis frühneuzeitlichen Zufluchtsanlage mit Wall 2,6 Kilometer nordöstlich von Großkühnau im Überflutungsareal des Elbe-Auenwaldes.

Einige Dessauer Historiker vermuten den Ursprung des mysteriösen Mauer-Rechtecks jedoch noch früher, als eine römische Toranlage im damals freien Germanien. Ein weiterer Beleg hierfür soll die in der Nähe liegende „Rummeljahn“-Wiese sein. Der zweite Wortteil soll auf den doppelgesichtigen Torgott der Römer Janus hinweisen. Die Wiese sei dann ein mögliches römisches Marsch- oder Feldlager gewesen.

Allerdings widerspricht die vorzugsweise quadratische Bauweise der Römer dieser Annahme, außerdem erscheint die Wiese in den heutigen Abmessungen mit maximal 50 Metern Breite für militärische Belange als sehr schmal. Dass die Römer bei ihren Eroberungszügen auch Mitteldeutschland erreicht haben, kann man in Berichten römischer Historiker nachlesen und sollte durch den Fund eines Marschlagers bei Hachelbich im Kyffhäuserkreis die letzten Zweifler überzeugt haben.

(mz)

Ein Pfeiler des Mauerrechtecks
Ein Pfeiler des Mauerrechtecks
Oliver Wege
Ein Hungerstein in der Elbe. Er kommt noch heute bei Niedrigwasser zum Vorschein. Ihren Namen haben die Steine von Hungersnöten, die früher meist mit Dürrezeiten verbunden waren.
Ein Hungerstein in der Elbe. Er kommt noch heute bei Niedrigwasser zum Vorschein. Ihren Namen haben die Steine von Hungersnöten, die früher meist mit Dürrezeiten verbunden waren.