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Demografischer Wandel  Demografischer Wandel : Wie sich Dessau-Roßlau für die Zukunft aufstellen will

Von Lisa Garn 16.08.2017, 09:00
Schulleiter Michael Teichert, OB Peter Kuras, Hochschul-Präsident Jörg Bagdahn und Minister Thomas Webel (v.l.).
Schulleiter Michael Teichert, OB Peter Kuras, Hochschul-Präsident Jörg Bagdahn und Minister Thomas Webel (v.l.). Lutz Sebastian

Dessau-Rosslau - Die Erkenntnis stand am Anfang der Diskussion: Den Königsweg für den Umgang mit dem demografischen Wandel gibt es nicht. Die Städte müssen ihre eigenen Antworten finden. Dessau-Roßlau vielleicht noch mehr: Die Stadt ist eine der ältesten Deutschlands, Europas sogar. Wie die Region die Zukunft gestalten kann, war am Montagabend Thema des Regionaldialogs zum demografischen Wandel im Technikmuseum Hugo Junkers. Mit „Ich will nicht nach Berlin! Dessau-Roßlau - auf dem Weg zu einem attraktiven Zentrum zwischen Berlin und Leipzig“, war die Veranstaltung überschrieben. Sie ist Teil der Demografie-Woche des Ministeriums für Landesentwicklung und Verkehr in Sachsen-Anhalt.

Bekenntnis für Dessau-Roßlau

Mit einem Bekenntnis zum Oberzentrum Dessau-Roßlau als „kleiner Großstadt“ eröffnete Minister Thomas Webel (CDU) seine Rede. Nur: Sie müsse die Potenziale besser nutzen - als „alternativer Standort für wachsende Metropolregionen“. In Berlin und Leipzig vollziehe sich derzeit ein Wandel, bezahlbarer Wohnraum werde knapp, die Infrastruktur sei überlastet. „Davon kann die Stadt profitieren und sich als attraktiver Wohnstandort etablieren.“ Das Land unterstütze in der Entwicklung, auch Förderprogramme seien abrufbar.

Wo aber liegen die Schwerpunkte der Entwicklung? Die Gleichung machte Oberbürgermeister Peter Kuras auf: „Wir müssen uns attraktiver machen. Das Angebot muss gut sein. Gute Jobs, gute Wohnungen - auch hochwertiger Wohnraum -, gute Kinderbetreuung und ein lebenswertes Umfeld.“ Kuras zählt bisherige Anstrengungen auf: Millionen für Schulen und Kitas, Bau der neuen Schwimmhalle, Investitionen in die Infrastruktur, für die wirtschaftliche Entwicklung entsteht derzeit ein Zukunftskonzept. „Wir haben großes Potenzial, aber nicht eine bessere Stimmung oder einen besseren Bekanntheitsgrad.“ Deshalb sei 2016 die Stadtmarketinggesellschaft gegründet worden.

An der Grenze

Der demografische Wandel stellt auch die Wirtschaft vor Probleme. „Ich sehe die Herausforderungen kommen“, sagt Lars-Michael Lang von IDT Biologika, mit rund 1 500 Arbeitsplätzen Dessau-Roßlaus größer Arbeitgeber. Jährlich zwischen rund 200 und 400 Mitarbeitern werden eingestellt, der Bedarf an Fachkräften ist hoch. Aber die Verfügbarkeit gelange an ein Limit, so Lang. Für ihn ist klar: „Die Bindung an die Region hängt mit Arbeitsplätzen zusammen. Ich sehe es als unsere Aufgabe in der Wirtschaft, welche zu schaffen. Und wir müssen mehr auf die Schulen und Hochschulen zugehen.“

An der Hochschule Anhalt sind Demografie-Folgen bereits angekommen. Die Lösung liegt auch in der Gewinnung von ausländischen Studierenden. Aber wie hält man Absolventen in der Region? „Geschäftsführer kommen zu mir, weil sie keine Bewerber finden“, erklärt Präsident Prof. Dr. Jörg Bagdahn. „Absolventen haben aber in der Vergangenheit keine Job-Möglichkeiten gesehen und gehen dorthin, wo auch die Löhne gut sind. Wir müssen insgesamt viel früher kooperieren, sonst sind sie weg.“ Bagdahn mahnte ebenso eine bessere Betreuung für junge Existenzgründer an.

Appell an den Minister

Regionale Vernetzung sieht Michael Teichert, Direktor des Walter-Gropius-Gymnasiums, als Teil der Lösung. Es bestehen enge Kooperationen, unter anderem mit der Agentur für Arbeit, mit Betrieben der Stadt, mit der Hochschule, mit dem Bauhaus. Doch kurz vor dem Abi erklären Jugendliche meist, in Dessau ist nichts los, so Teichert. „Da geht es nicht um eine Disko, sondern um Orte, wo sie sich abends treffen können.“ Diesen Vorwurf wollte Kuras nicht stehen lassen. „Es gibt so viele Veranstaltungen in der Stadt. Aber richtig ist, dass wir die Jugendkultur stärken müssen.“ Die Sprache der Jugendlichen müsse wieder erlernt werden - aber auch, das Positive zu sehen, so Kuras. „Zahlen und Fakten zeigen, dass es sich hier gut lebt. Wir müssen auch mehr über die Erfolge sprechen.“

So ganz überzeugt waren einige Gäste im Publikum nicht. Jakob Uwe Weber verwies darauf, dass die Verweildauer von Touristen in der Stadt zu kurz ist, dass viele in die Stadt zum Arbeiten pendeln, aber nicht dort wohnen. „Wir werben zu viel mit der Vergangenheit, mit dem Welterbe. Wir haben es nicht geschafft, modern zu werden.“ Frank Hoffmann (Linke) forderte Gespräche mit dem Leipziger OB, um Wohnraum in Dessau-Roßlau anzubieten. Er sei „hochgradig unzufrieden“ darüber, wie mit dem Potenzial der Stadt umgegangen werde. „Wir müssen marketingtechnisch die Chancen nutzen. Sonst reden wir ewig darüber, dass wir viel haben, aber nichts daraus machen.“

Mit Blick auf die Absage der Landesgartenschau 2022 für Dessau-Roßlau appellierte zum Schluss Stadtrat Ralf Schönemann (Linke) an Webel: „Sie bekennen sich zum Oberzentrum Dessau-Roßlau, die Wahrnehmung ist eine andere. Das Land hatte uns zur Bewerbung ermuntert, wir sind enttäuscht worden. Ich wünsche mir eine verlässliche Partnerschaft. Vor allem für das Bauhaus-Jubiläum 2019. Wir wollen etwas schaffen, das darüber hinaus Bestand hat - da ist die Hilfe des Landes gefragt.“ (mz)