1. MZ.de
  2. >
  3. Lokal
  4. >
  5. Nachrichten Dessau-Roßlau
  6. >
  7. Urteil im Yangjie-Li-Prozess: Urteil im Yangjie-Li-Prozess: Werden die 60.000 Euro Schmerzensgeld je gezahlt?

Urteil im Yangjie-Li-Prozess Urteil im Yangjie-Li-Prozess: Werden die 60.000 Euro Schmerzensgeld je gezahlt?

Von Thomas Steinberg 12.08.2017, 14:00
Die Angeklagten Xenia I. und Sebastian F.: Am zehnten Prozesstag sagte sie gegen ihren damaligen Freund aus.
Die Angeklagten Xenia I. und Sebastian F.: Am zehnten Prozesstag sagte sie gegen ihren damaligen Freund aus. Garn, Sebastian

Dessau - Im Prozess um die Ermordung der chinesischen Studentin Yangjie Li wurden Sebastian F. und Xenia I. vergangenen Freitag auch dazu verurteilt, 60 000 Euro Schmerzensgeld an die Eltern des Opfers zu zahlen. Verglichen mit der US-amerikanischen Praxis scheint das ein lächerlich niedriger Betrag - schließlich geht es um Mord.

Doch anders als für Mobbing oder einen gebrochenen Arm kann in Deutschland für die Tötung eines Menschen normalerweise kein Schmerzensgeld verlangt werden - jedenfalls bislang.

Ableitung aus Bürgerlichen Gesetzbuch

Was aberwitzig klingt, leitet sich aus dem seit 1900 gültigen Bürgerlichen Gesetzbuch ab. Darin wurden die Haftung für seelische und körperliche Schmerzen eng gefasst - um „die Risiken für innovatives und unternehmerisch erfolgreiches Handeln“. So der Frankfurter Juraprofessor Manfred Schimmel in einem Aufsatz zu diesem Thema.

Im Laufe der vergangenen Jahrzehnte vollzog sich jedoch ein allmählicher Wandel. Zunächst bei den Gerichten: Nach und nach hoben sie in Deutschland die Höhe des Schmerzensgeldes an. Fünf- und auch sechsstellige Beträge sind keine Ausnahme mehr. Zudem wurde der Gesetzgeber aktiv und weitete die Ansprüche der Geschädigten aus. Sterben diese, gehen die Schmerzensgeldforderungen auf die Angehörigen über. So auch im Fall Yangjie Li. Das Gericht sprach ihr 35 000 Euro Schmerzensgeld für die Vergewaltigung zu und 25 000 Euro für den Horror bis zu ihrem Tod. Das Geld können - sollte das Urteil rechtskräftig werden - die Eltern der getöteten Studentin verlangen.

Gesetz zum Hinterbliebenengeld in Kraft

Für den Tod selbst gibt es kein Schmerzensgeld. Die vielleicht etwas zynisch anmutende, dennoch juristisch strenge Logik dahinter: Wer tot ist, verspürt keinen Schmerz. Nur für Qualen vor dem Tod des Opfers konnte Schmerzensgeld verlangt werden. Die Angehörigen selbst konnten für sich nur dann Schmerzensgeld beanspruchen, wenn bei ihnen ein außergewöhnlicher Schockzustand festgestellt wurde - bloße Trauer reichte nicht.

Jedenfalls bis zum 22. Juli. Weitgehend unbemerkt von der Öffentlichkeit trat an diesem Tag das Gesetz zum Hinterbliebenengeld in Kraft. Eltern, Kinder, Ehegatten und Lebenspartnern unter anderem von Mordopfern können danach vom Täter eine „angemessene Entschädigung in Geld“ für das „zugefügte seelische Leid“ verlangen. Den Eltern von Yangjie Li nutzt das allerdings nichts: Die Tat ereignete sich lange vor der Gesetzesänderung, weshalb diese nicht greift. Zudem hat es der Gesetzgeber vermieden, Summen zu benennen - bis hier Gerichte Klarheit geschafft haben, dürften Jahre vergehen.

Fließt das Schmerzensgeld?

Die grundsätzliche Frage bleibt freilich, ob das Schmerzensgeld (und künftig das Hinterbliebenengeld) jemals gezahlt werden. Vermögen fehlt vielen Tätern - und wer im Knast sitzt, verdient, wenn er denn überhaupt welche findet, mit Arbeit nur ein besseres Taschengeld.

Ob die Täter nach der Entlassung wieder Tritt fassen und entweder freiwillig zahlen oder so viel verdienen, um nennenswerte Summen zu pfänden, ist vollkommen unausgemacht.

Bei Yangjie Li bleibt den Eltern nur das Warten. Der Staat springt beim Schmerzensgeld nicht ein.

(mz)