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Schwierige Geburt Schwierige Geburt: Hebamme aus Roßlau kämpft mit den schlechter werdenden Bedingungen

Von Heidi Thiemann 12.08.2017, 11:56
Dorothee de Rosa (l.) zeigt der Grünen-Politikerin Cornelia Lüddemann, wie sie bei Kristin Weißbach die Herztöne des künftigen Nachwuchses misst.
Dorothee de Rosa (l.) zeigt der Grünen-Politikerin Cornelia Lüddemann, wie sie bei Kristin Weißbach die Herztöne des künftigen Nachwuchses misst. Lutz Sebastian

Roßlau - Die Meldung des geschlossenen Kreißsaals wegen Hebammenmangel in Bitterfeld-Wolfen ist erst eine Woche alt. Sieben Tage später ist Grünen-Fraktionsvorsitzende Cornelia Lüddemann zu Besuch bei Hebamme Dorothee de Rosa in Roßlau.

Zufall, dass sich die Landespolitikerin gerade jetzt ein Bild machen will über die Situation von Hebammen? Zeitlich durchaus, sagt Lüddemann. Denn der Termin mit de Rosa war schon länger abgestimmt. Ansonsten nicht: „Das Thema Hebammen ist seit Jahren aktuell.“

Das Land rechnete mit weniger Geburten in den kommenden Jahren

2013 hatte die Grünen-Politikerin eine kleine Anfrage an die Landesregierung zu den Hebammen gestellt. Damals, geht aus der Antwort des Sozialministeriums hervor, gab es 330 Hebammen im Land. „Der Versorgungsbedarf an Hebammenhilfe wird in den nächsten Jahren kontinuierlich abnehmen“, schätzte die Regierung ein.

Das Land rechnete mit weniger Geburten. „Das Gegenteil ist der Fall“, sagt Lüddemann. „Gott sei Dank.“ Der Bedarf nehme zu - Hebammen aber, was alarmierend sei, gibt es immer weniger. Laut Statistischem Landesamt sind es noch 259.

Hebammen werden seltener - und solche wie Dorothee de Rosa gibt es zudem sehr selten. Die Roßlauerin arbeitet freiberuflich, bietet Hausgeburten an, ist zudem Beleghebamme im Kreißsaal in Zerbst.

Arbeitsbedingungen für Hebammen sind in den vergangenen Jahren immer schwieriger geworden

Seit 2004 ist de Rosa selbstständig, die Arbeitsbedingungen aber sind immer schwieriger für sie geworden. Nicht nur die gestiegenen Haftpflichtzahlungen (von anfangs 1.000 auf jetzt 7.500 Euro) sind ein großes Problem, seit 2014 gibt es auch mehr Einschränkungen und Zwänge für ihre Berufsausübung, sagt sie.

„Ich übernehme Verantwortung für die Geburt, kann es aber nicht, wenn ich zum Beispiel Laborwerte nicht kenne.“ Das Dilemma: Sie könne diese nicht bei Krankenkassen abrechnen, sondern müsste diese den Frauen privat in Rechnung stellen. Oder die Frauen müssten zum Arzt.

„Wo sind wir selbstständig, wenn alles, was wir machen, von einem Arzt quittiert werden muss“, fragt sie und verweist auf die Hebammen-Verordnung, mit der das alles kollidiere. „Wir machen nichts leichtfertig“, erklärt de Rosa. Schon gar nicht bei einer Geburt.

„Man muss gucken, den Geburtsvorgang beobachten“, sagt sie. Das könne sehr viele Stunden dauern. „Wenn es Zuhause nichts wird, geht es ins Krankenhaus.“ Zwischen 15 und 20 Geburten begleitet de Rosa im Jahr. Konstant betreut sie fünf Frauen im Monat, fährt bis zu 75 Kilometer - ob nach Bad Dürrenberg, Wiesenburg oder Köthen. 24 Stunden ist sie für die Frauen da.

Die Zahl der Kaiserschnitte nimmt zu. Ein Kaiserschnitt ist planbar.

Heute erblicken in Sachsen-Anhalt 99 Prozent aller Kinder in Krankenhäusern das Licht der Welt. Was auffällig ist: Die Zahl der Kaiserschnitte nimmt zu, sagt Lüddemann. Ein Kaiserschnitt sei planbar.

Und er bringe das meiste Geld, stellt de Rosa fest. Bei einer Hausgeburt, sagt sie, erhalte sie nur gut ein Zehntel dessen, was Krankenhäuser für Entbindungen abrechnen. Nicht nur hier stimme die Bezahlung nicht.

„Eine Geburt“, sagt Lüddemann, „ist das natürlichste, was es gibt. Hebammen sind da, das zu stärken, den Frauen Mut zu machen.“ Und, stellt sie fest, Schwangerschaft ist keine Krankheit. Geburten müssten raus aus den DIG - den Kennzahlen, worüber Leistungen abgerechnet werden.

Lösung sei Aufgabe der Bundespolitik

Das Problem zu lösen, sei Aufgabe der Bundespolitik. Trotz vieler Proteste - bislang sei nichts passiert, kritisiert die Politikerin, die im Land den Runden Tisch Familie und Geburt ins Leben gerufen hat. Nun werde die Bundestagswahl abgewartet, notfalls eine Länderinitiative gestartet.

Im Land, so Lüddemann, wird eine Studie erarbeitet, die aufzeigt, welche Aufgaben Hebammen haben, welche Unterschiede es zwischen niedergelassenen, Beleg- und angestellten Hebammen gibt.

Auch einen hebammengeleiteten Kreißsaal - wie in Hamburg oder Bremen - wünscht sie sich. „Wir wollen zeigen, dass die Frauen wissen, was sie tun.“ (mz)