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Vermieter sehen sich getäuscht Kleingartensparte "Neuer Weg" in Hettstedt: Rechtsextreme geben Konzert als Geburtstagsfeier aus

Von Fabian Wagener 08.08.2017, 09:13
Die Redakteure
Die Redakteure dpa

Hettstedt - Idyllischer als in der Kleingartensparte „Neuer Weg“ in Hettstedt kann es kaum sein. Ein versteckter Weg führt zu dem Gelände abseits vom Zentrum der Stadt. Dann, hinter dem alten Eingangstor, tut sich eine kleine Oase auf: grüne Gärten, Blumen, Bäume. Und viel Ruhe. Normalerweise zumindest.

Rechtsextreme tarnen geplantes Konzert im Hettstedter Kleingartenverein als Geburtstagsfeier

Am vergangenen Samstag aber wurde die entspannte Atmosphäre empfindlich gestört. Wie die Polizei bestätigte, war eine Gruppe von etwa 30 Rechtsextremen vor Ort, um das angemietete Vereinsheim der Kleingärtner für ein Rechtsrock-Konzert zu nutzen - getarnt als Geburtstagsfeier. Laut MZ-Informationen sollten dabei mit der Bremer Band „Kategorie C“ und der Gruppe „Zeitnah“ aus Thüringen echte Größen der rechtsextremen Szene auftreten.

Der Kleingartenverein „Neuer Weg“ wusste davon laut eigenen Angaben bis kurz vor dem Start nichts, der Mieter der Lokalität sei kein Mitglied. Man vermiete die alte Gaststätte öfter und sei getäuscht worden, sagte Vereinsvorsitzende Cornelia Graul. Angekündigt worden sei die Veranstaltung als Geburtstagsfeier. Von der Polizei wurde sie dann über die wahren Hintergründe informiert. „Ich bin dann vom Vertrag zurückgetreten.“ Mit Unterstützung der Polizei wurde die Veranstaltung aufgelöst, noch bevor sie begann. Die ungebetenen Gäste, die laut Graul schon äußerlich wie Rechtsradikale aussahen, verließen das Gelände. Wenn sie die Hintergründe gekannt hätte, hätte sie den Vertrag nie geschlossen, sagte sie. „Ich distanziere mich von solchen Veranstaltungen und werde in Zukunft vorsichtiger sein.“

Mit der Auflösung der Veranstaltung war es jedoch noch nicht getan. Bekanntermaßen zog die Gruppe weiter zum Sportplatz nach Walbeck, um das Konzert dort in einem Sportlerheim durchzuführen. Auch davon erfuhr die Polizei, informierte die Stadt, die als Eigentümer von ihrem Hausrecht Gebrauch machte. Während es in der Kleingartensparte ohne größere Zwischenfälle blieb, war das in Walbeck anders: So wurden dort laut Polizei „strafrechtlich relevante Textpassagen“ gesungen, Polizisten beleidigt und bedroht, unter anderem von einem 64-jährigem Hettstedter.

Außerdem wurde ein mit Haftbefehl gesuchter Mann festgenommen. An dem Einsatz waren mehr als 60 Einsatzkräfte der Polizei beteiligt, die unter anderem wegen des Verdachts auf Volksverhetzung und Bedrohung ermittelt. Wie Hettstedts Sprecherin Christin Saalbach mitteilte, wurde noch in der Nacht nach den Vorkommnissen das Schloss des Sportlerheims ausgetauscht.

SV 90 Walbeck meldet sich in sozialen Netzwerken zu Wort

Unterdessen meldete sich der SV 90 Walbeck auf der Facebook-Seite des Vereins zu Wort. Man wolle sich ausdrücklich „von dem Vorfall auf dem Gelände unseres Sportplatzes distanzieren“, heißt es. Von dem Konzert sei dem Verein nichts bekanntgewesen. „Wir als Verein mit Spielern verschiedener Nationalitäten lehnen jegliche Aktivitäten, welche politisch motiviert sind und/oder sich gegen Personen anderer Nationen oder Glaubensrichtungen richten, ab.“

Dass solche Konzerte als harmlos erscheinende Geburtstagsfeiern ausgegeben werden, ist indes nichts Neues. „Das ist ein typisches Vorgehen der rechtsextremen Szene“, sagt David Begrich von der Arbeitsstelle Rechtsextremismus des Vereins „Miteinander - Netzwerk für Demokratie und Weltoffenheit in Sachsen-Anhalt“. Für Vermieter sei es schwer, zu erkennen, dass mit solchen Veranstaltungen etwas nicht stimme. (mz)