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Mordfall Yangjie Li Mordfall Yangjie Li: Was heißt lebenslang für Sebastian F.?

04.08.2017, 11:39
Sebastian F. am Tag der Urteilsbegründung vor dem Landgericht.
Sebastian F. am Tag der Urteilsbegründung vor dem Landgericht. DPA

Dessau - Im Mordprozess Yangjie Li ist das Urteil gefallen: Sebastian F. muss wegen Mordes und Vergewaltigung lebenslang hinter Gitter. Eine besondere Schwere der Schuld wurde festgestellt. Xenia I. wurde wegen schwerer sexueller Nötigung zu einer Jugendstrafe von fünf Jahren und sechs Monaten verurteilt. Richterin Uda Schmidt sprach am Freitag von einem „unfassbaren Verbrechen“.

Was heißt lebenslang im Fall Sebastian F.?

Die lebenslange Haft ist die härteste Strafe im deutschen Strafrecht. Erkennt ein Gericht bei einem erwachsenen und voll schuldfähigen Angeklagten, dass er einen Mord begangen hat, kann es keine andere Strafe verhängen. Das Gesetz sieht hier keinen Ermessensspielraum vor.

Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts darf die lebenslange Haftstrafe aber nicht automatisch für das ganze Leben des Verurteilten gelten. Ihm muss eine Perspektive zur Wiedereingliederung in die Gesellschaft gegeben werden. Aus diesem Grund sieht der nachträglich eingefügte Paragraph 57a des Strafgesetzbuches vor, lebenslang Verurteilten nach 15 Jahren Haft eine Chance zu geben.

Ein Gericht, die Strafvollstreckungskammer, entscheidet, ob der Rest der Strafe auf Bewährung ausgesetzt werden kann. Kriterien sind dabei eine günstige Sozialprognose des Verurteilten und keine weitere Gefährdung der Allgemeinheit. Diese Automatik nach 15 Jahren wird ausdrücklich außer Kraft gesetzt, wenn in dem Urteil die besondere Schwere der Schuld festgestellt worden ist.

Wie lange der Straftäter mit schwerer Schuld dann de facto in Haft bleiben muss, ist in jedem Einzelfall verschieden und liegt wiederum in der Gewalt der Strafvollstreckungskammer. Eindeutige Statistiken dazu gibt es nach Auskunft der Kriminologischen Zentralstelle Wiesbaden nicht. Die durchschnittliche Haftdauer von Lebenslangen liegt nach älteren Schätzungen bei etwa 20 Jahren, in Einzelfällen sitzen Gefangene bereits seit über 40 Jahren in Haft.

Wie erklärt sich das Strafmaß von Xenia I.?

Die Staatsanwaltschaft hatte in ihrem Plädoyer am Montag das Teilgeständnis von Xenia I. in dem Fall auseinander genommen - als Schutzbehauptung, als Lüge. Die Tat müsse anders abgelaufen sein, die Tatbeteiligung der Frau sei höher. Die 2. Strafkammer glaubte dagegen dem Geständnis. „Sie hat sich mit vielen Einzelheiten zur Tat eingelassen und sich auch selbst belastet“, sagte Uda Schmidt. Vieles passe mit anderen Beweisen zueinander. Xenia I. war nach Einschätzung der Richterin an der Vergewaltigung beteiligt, nicht an dem Mord.

„Xenia I war davon ausgegangen, dass Sebastian F. Yangjie Li gehen lasse“, sagte die Richterin. Bis Sebastian F. in der Tatnacht den Mord gestand. „Sie wollte danach den Angeklagten und sich selbst schützen. Sie wusste, dass ohne ihren Einsatz die Tat nicht möglich gewesen wäre. Darum hat sie geholfen, Spuren zu beseitigen. Deshalb hat sie eine falsche Aussage gemacht.“ Der Angeklagte habe ein großes Maß von Dominanz und Kontrolle auf Xenia I. ausgeübt. Das habe sich Sebastian F. zunutzt gemacht.

Sebastian F. war noch einer weiteren Vergewaltigung angeklagt. Was ist daraus geworden?

Die zwei anderen Vergewaltigungen sollen sich im Sommer 2013 ereignet haben. Das Opfer meldete sich nach der Festnahme von Sebastian F. im Fall Yangjie Li. Der Angeklagte wurde in diesem Fall aus tatsächlichen Gründen freigesprochen. Die Richterin wies in ihrer Begründung vor allem auf eine fehlende Aussagekonstanz vor Gericht und bei der Polizei hin. Viele Details seien deutlich voneinander abgewichen. „Die Kammer ist davon überzeugt, dass es einen gewissen Realitätsbezug gibt“, machte Richterin Uda Schmidt deutlich. „Wir gehen nicht davon aus, dass sie eine Art Trittbrettfahrerin war.“ Es würden aber Restzweifel bleiben.

Wie wahrscheinlich ist eine Revision?

Das Urteil ist nicht rechtskräftig. Für eine Revision bleibt eine Woche Zeit. Das Gericht blieb bei Xenia I. deutlich unter den Forderungen der Staatsanwaltschaft (acht Jahre) und der Nebenklage (15 Jahre). „Wir haben bei ihr eine andere Auffassung der Tatbeteiligung“, machte Nebenklage-Anwalt Sven Peitzer noch im Landgericht deutlich.

Prüfen werden eine Revision die Verteidiger von Sebastian F. Die hatten auf eine Verurteilung nach Jugendstrafrecht gedrängt - und zehn Jahre gefordert. Einer der Verteidiger kündige den Schritt schon im Gerichtssaal noch an. (mz)