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Mordfall Yangjie Li Mordfall Yangjie Li: Die tote Studentin "wie Müll entsorgt"

Von Lisa Garn 31.07.2017, 18:37
Sebastian F. vor Gericht
Sebastian F. vor Gericht Lutz Sebastian

Dessau-Roßlau - Fast vier Stunden trägt Staatsanwältin Heike Kropf am Montag ihr Plädoyer vor. Immer wieder blickt sie die Angeklagten direkt an. Eine Regung ist bei den beiden 21-Jährigen kaum erkennbar. Kropf geht darauf ein: Auf die Skrupellosigkeit, die Gefühlskälte und Berechnung, die sie hinter dem Mord an Yangjie Li sieht.

Am Ende fordert sie lebenslange Haft für den Angeklagten Sebastian F. und acht Jahre Haft für Xenia I.

Minuziös widerlegt die Staatsanwältin das frühere Teilgeständnis der jungen Frau als „Schutzbehauptung, als Lüge“. Die Anklage geht davon aus, dass beide Yangjie Li im Mai 2016 gemeinschaftlich vergewaltigt und getötet haben.

Für Sebastian F. plädierte Kropf am 35. Verhandlungstag vor dem Dessauer Landgericht für die Anwendung von Erwachsenenstrafrecht. Außerdem stellt sie bei ihm eine besondere Schwere der Schuld fest. Xenia I. soll nach dem Willen der Staatsanwaltschaft nach Jugendstrafrecht verurteilt werden. Weil Chancen für eine Entwicklung gesehen werden.

„Die Möglichkeit einer Nachreifung ist bei Sebastian F. nicht erkennbar“, so Kropf. Er sei mit größter Brutalität und Grausamkeit vorgegangen. „Sebastian F. hat sich nicht einen Gedanken um sein Opfer gemacht. Er wollte Sex und dafür war ihm jedes Mittel recht.“

Kropf sieht Sebastian F. als den Initiator und Xenia I. als willige Helferin, den Plan umzusetzen. „Sie haben gemeinsam den Entschluss gefasst und sind arbeitsteilig vorgegangen. Um nicht als Täter entdeckt zu werden und die schwersten Vergewaltigungen zu verdecken, haben sie entschieden, die schwer verletzte Yangjie Li sterben zu lassen“, so die Staatsanwältin. „Am Ende haben beide das Opfer wie Müll entsorgt.“

Plädoyer der Staatsanwaltschaft im Yangjie-Li-Prozess: Viele Beweise

Die Schuld beider sieht sie durch eine Vielzahl an Beweisen gestützt: Videoaufnahmen der Überwachungskameras, DNA-Spuren an der Leiche und an der Kleidung von Sebastian F., verräterische Suchbegriffe im Internet.

Die selbst erklärte Opfer- und Statistenrolle nimmt Kropf der Angeklagten nicht ab. Eine Reihe von Aussagen, so die Staatsanwältin, seien nicht glaubhaft und sollten die Schuld auf Sebastian F. abschieben. Xenia I. hatte im Januar eingeräumt, Yangjie Li angesprochen zu haben. Von dem Geschehen in der leerstehenden Wohnung will sie kaum etwas mitbekommen haben. Die Angeklagte hatte behauptet, selbst Gewaltopfer von Sebastian F. gewesen zu sein, zu der Tat habe er sie gezwungen.

„Sie redet sich heraus, will nichts gesehen, nichts gehört und nichts gewusst haben. Das kann nicht sein“, so Kropf. Die Spuren widerlegten diese Version. So war an Yangjie Lis Hand ein Haar von Xenia I. gefunden worden, ebenso gab es DNA-Spuren unter Fingernägeln. Auch an Hand- und Fußgelenken der Studentin war DNA von Xenia I. zu finden.

Das Opfer hatte sich massiv gewehrt - aus Sicht der Staatsanwaltschaft war es unmöglich, dass F. keine Hilfe bei den brutalen Vergewaltigungen hatte.

Als unhaltbar sieht Kropf auch die Behauptung an, dass Sebastian F. Yangjie Li in einer Mülltonne zum Hinterhaus transportiert haben soll, um sie über das Fenster nach draußen zu bringen. „Es gab keine Spuren an dieser Mülltonne.“ Yangjie Li sei aus dem Fenster „in die Arme von jemandem“ geworfen worden. Unter der Konifere am Hinterhaus hatte dann mutmaßlich Sebastian F. die Studentin versteckt.

Einen Tag später soll Xenia I. ihren Verlobten gebeten haben, vor Ort nachzusehen. „Ich habe Angst. Hoffentlich sieht dich keiner“, schrieb sie. Und: „Ich liebe dich.“ Er antwortete: „Mach dir keine Gedanken. Ich stehe hier und nichts ist aufgefallen.“

Staatsanwaltschaft hält Angeklagte im Yangjie-Li-Prozess für abgebrüht und kaltherzig

Als „abgebrüht und kaltherzig“ beschreibt Kropf im Plädoyer das Verhalten von Xenia I.. Sie habe jederzeit die Möglichkeit gehabt, das Geschehen zu beenden. „Ihr war klar, was passieren wird. Aber sie hat keine Hilfe geholt.“ Auch kurz nach der Tat wurde einfach so in den frühen Morgenstunden mit einer Bekannten weiter gechattet.

„Keine Spur von Verwirrtheit oder Angst und Heulanfällen über die ganze Nacht, wie sie es berichtet hatte.“ In den Tagen danach habe sie gewirkt, als ob nichts gewesen sei.

Die Staatsanwaltschaft sieht Sebastian F. aber als treibende Kraft. Einen jungen Mann, dem der Psychiater eine schwere Persönlichkeitsstörung attestierte. „Er hat den überwiegenden Anteil der Gewalt und Brutalität zu verantworten. Er ist skrupellos auf der niedrigsten Stufe der Beweggründe vorgegangen.“ Er werde sich nicht mehr ändern, das hatte Sebastian F. dem Psychiater gesagt. „Er ist auch in zehn oder 20 Jahren der Sebastian F. von heute“, so Kropf.

Stellt auch das Gericht eine besondere Schwere der Schuld fest, so kann er auf keinen Fall vor 15 Jahren Haft entlassen werden. Die Hürden für eine vorzeitige Entlassung liegen damit höher.

Nebenklage-Anwalt Tilmann Scheffner schließt sich in weiten Teilen der Staatsanwaltschaft an. Er fordert allerdings für Xenia I. 15 Jahre Haft und sieht die besondere Schwere der Schuld auch bei ihr. Er stellte zudem weitere Mordmerkmale fest. „Sebastian F. wollte Sex, er wollte den Dreier und Macht ausüben. Er hat Yangjie Li als reines Objekt gesehen und ihr Leben auch so beendet.“ (mz)

Die Staatsanwaltschaft hält das Teilgeständnis von Xenia I. im Mordfall Yangjie Li für nicht glaubhaft.
Die Staatsanwaltschaft hält das Teilgeständnis von Xenia I. im Mordfall Yangjie Li für nicht glaubhaft.
Lutz Sebastian