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Unwetter vom 27. Juli 2016 Unwetter vom 27. Juli 2016: Welche Schäden der Regen in Wittenberg hinterließ

Von Karina Blüthgen 27.07.2017, 14:00
Niederschlagsmengen in Wittenberg
Niederschlagsmengen in Wittenberg DPA/ MZ Sandig

Wittenberg - Ein Jahr ist es her, dass der Himmel seine Schleusen öffnete und es in Wittenberg „Land unter“ hieß. In einer knappen Stunde waren an diesem 27. Juli 2016 unglaubliche 96 Liter Wasser auf den Quadratmeter geprasselt, zu viel für jegliche Kanalisation. Gespenstische Szenen liefen ab: Das Wasser der Schaubäche vereinte sich mit dem der Straßen der Innenstadt. Arsenalplatz samt Wochenmarkt wurden binnen kurzem förmlich geflutet. Entsetzt beobachteten die Mitarbeiter des Ratsarchivs, wie der Wasserstand im Innenhof des Besucherempfangs an den Fenstern wuchs und wuchs und wuchs.

Die Schäden waren enorm. In der Historische Stadtinformation (Klosterkirche) war die komplette Elektrik in den Kabelschächten geflutet - was wiederum Glück im Unglück war, denn das rettete das Ratsarchiv vor schlimmerem. Unter Wasser gesetzt wurde auch die Baustelle Schloss, durch den Stau in der Kanalisation lief das Wasser vom Dach nicht ab, so dass letztlich nur die alten preußischen Überläufe das kniehoch auf dem Dach stehende Wasser nach unten befördern konnten.

Während im Harz am gestrigen Mittwoch Katastrophenalarm ausgelöst wurde, blieb diese im Kreis Wittenberg in diesem Jahr aus. Auf Anfrage bei der Leitstelle war zu erfahren, dass es keine „regenbedingten“ Einsätze gab. Zwar hatte es auch für den Kreis ab Montagnachmittag Warnungen vor ergiebigem Dauerregen gegeben, die Meldungen wurden aber bereits am Dienstag wieder aufgehoben. In Wittenberg wurden am Dienstag, 25. Juli, 18 Liter pro Quadratmeter gemessen, an der Wetterstation Holzdorf (Flugplatz) waren es 12 Liter pro Quadratmeter.

Fontänen schossen aus den Gullys im Luthergarten, der benachbarte Spielplatz wurde unter Wasser gesetzt. Insgesamt hatte es 22 städtische Gebäude in Wittenberg, unter anderem Schulen und vier Kindergärten, sowie Einrichtungen und Betriebe im Landkreis getroffen. Die Feuerwehren waren lange im Einsatz.

Die Stadtverwaltung Wittenberg beziffert auf MZ-Nachfrage die Kosten, die zur Beseitigung der Schäden aufgelaufen sind, auf rund 131.000 Euro. Unter anderem musste der kurz zuvor eingebrachte Sand des Spielplatzes neben dem Luthergarten erneut gewechselt werden. Beschädigte Wege und ausgespülte Schächte wurden repariert, was bis Mitte August 2016 geschah.

An und in den betroffenen Gebäuden wurden Wände und Fußböden getrocknet, Bodenbeläge zum Teil ersetzt, Regenrinnen, Fallrohre und Dachdeckungen kontrolliert. Für die vier Kindertagesstätten wird derzeit eine Studie erarbeitet, inwieweit durch Maßnahmen in Außen- und Kellerbereichen künftig derartige Schäden vermieden werden können.

Zum Teil dauerte es lange, ehe die Schäden beseitigt waren. Die Trocknungsarbeiten im Schloss zogen sich bis in den Sommer dieses Jahres hin, der Regen hatte sämtliche Termine zur Fertigstellung über den Haufen geworfen. Die Klosterkirche war bis Oktober geschlossen, hier mussten neben der Trocknung der Grabstelle und der Prüfung der technischen Einbauten zusätzlich Oberflächen und Räume mittels Kondenstrockner und Gebläse von Wasser befreit werden.

Komplizierter ist zum Beispiel die Sicherung der Klosterkirche vor ähnlichen Ereignissen. „Präventive Maßnahmen sind machbar, wären aber mit großem Aufwand verbunden“, gibt Pressesprecherin Doreen Raewel die Informationen aus dem Fachbereich Gebäudemanagement weiter. Hauptproblem ist, dass sich Teile der Entrauchungsanlage unter den Fluchttüren befinden, was ein simples Abdichten gegen Wassereinbrüche wie den vor einem Jahr unmöglich macht.

Eine solche Wassermenge in so kurzer Zeit war vor einem Jahr ungewöhnlich. Starkregen jedoch kommen, vor allem in der zweiten Julihälfte, in der Region häufiger vor. Horst Heck in Braunsdorf denkt noch heute an einen solchen vom 21. Juli 1987 zurück, der binnen einer halben Stunde fast 46 Liter Wasser auf den Quadratmeter brachte und unter anderem 400 Meter Pflasterstraße im Ort wegriss. Damals standen Straßen der Wittenberger Innenstadt ebenfalls unter Wasser. Kindereinrichtungen, Schulen, Pflegeheime und Apotheken erbaten Hilfe. Es gab Wassereinbrüche in Anlagen des Stickstoff- sowie Gummiwerkes.

Achim Kuhn, früherer MZ-Fotograf und noch immer aktiver Wetterbeobachter, hat eine ganze Reihe solcher Ereignisse in der Region, fast in jedem Jahr, bilanziert. Am 22. Juli 2007 zum Beispiel bekam Wittenberg nach einem Gewitter 50 Liter pro Quadratmeter ab, in der Nacht zum 30. Juli 2005 lag der Schwerpunkt der Niederschläge in Jessen mit 84 Litern in einer Nacht.

„Starkregen sind inzwischen nichts ungewöhnliches mehr“, hat „Wetterfrosch“ Kuhn festgestellt. „Der April ist trockener, der Juli nasser geworden“, so seine Erfahrung der letzten Jahre. Der Blick Kuhns auf die Statistiken bestätigt dies. Lag das 30-jährige Monatsmittel der Jahre 1961 bis 1990 noch bei 48 Litern, hat sich der Wert ab 1991 bis jetzt auf 72,9 Liter pro Quadratmeter erhöht. Dabei spielen, so die erstaunliche Feststellung, einzelne Starkregen-Ereignisse keine Rolle. Auch wenn diese lange im Gedächtnis bleiben. (mz)

Im Luthergarten wurden die Gullydeckel gesprengt.
Im Luthergarten wurden die Gullydeckel gesprengt.
Archiv/Ilka Hillger
Überflutet: Dresdener Straße/Potsdamer Ring
Überflutet: Dresdener Straße/Potsdamer Ring
Archiv/Graf
Unter Wasser: Parkfläche am Landratsamt
Unter Wasser: Parkfläche am Landratsamt
Archiv/Dix