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Verschärfung der Abfallverordnung Verschärfung der Abfallverordnung: Welche schweren Auswirkungen es gehabt hätte

24.07.2017, 08:33
Dachdecker Andreas Schmidt mit Resten von alten Styroporplatten, die bereits kein HBCD mehr enthalten.
Dachdecker Andreas Schmidt mit Resten von alten Styroporplatten, die bereits kein HBCD mehr enthalten. Michael Thomé

Weissenfels - Der Weißenfelser Dachdecker Andreas Schmidt ist Landesinnungsmeister von Sachsen-Anhalt. Im Gespräch mit MZ-Reporter Jan Iven erklärt der 57-Jährige, welche Auswirkung die ehemals geplante Einstufung von HBCD-haltigen Dämmstoffen als gefährliche Abfälle gehabt hätte.

Was ist denn eigentlich HBCD?
Andreas Schmidt: Hexabromcyclododecan wurde früher verwendet, um Dämmstoffe wie Styropor schwer entflammbar zu machen. Das Preis-Leistungs-Verhältnis von HBCD war einfach sehr gut, deswegen wurde es in vielen Gebäuden verbaut. Auch wir Dachdecker haben es oft bei Flachdächern eingesetzt. Allerdings gibt es Stoffe, die besser vor Feuer schützen und auch besser dämmen. Inzwischen darf HBCD auch nicht mehr benutzt werden, weil eine gewisse Umweltbelastung festgestellt wurde.

Welche Probleme gab es mit der Entsorgung von HBCD?
Andreas Schmidt: Im vergangenen Herbst wurde die Abfallverordnung überarbeitet. Danach galt HBCD plötzlich als gefährlicher Abfall. Die Folgen für das Handwerk waren dramatisch, das hat für einen riesigen Wirbel gesorgt. Denn manche Entsorger konnten die gefährliche Abfälle gar nicht annehmen. Und so explodierten die Preise für die Entsorgung. Gerade bei der Sanierung von Gebäuden fallen aber jede Menge alte HBCD-haltige Abfälle an.

Waren Sie in ihrem Betrieb auch davon betroffen?
Andreas Schmidt: Bei unseren derzeitigen Baustellen wurden keine HBCD-haltigen Dämmstoffe verwendet. Ich habe allerdings von anderen Handwerkern gehört, die den Schutt auf ihrem Grundstück gelagert haben, weil sie nicht wussten, was sie damit machen sollten. Andere haben sogar auf Aufträge verzichtet, weil die Kosten völlig unkalkulierbar wurden.

Hexabromcyclododecan (HBCD) ist ein bromiertes Kohlenwasserstoffmolekül. Verwendet wurde es als Flammschutzmittel in Kunststoffen und Schaumstoffen, insbesondere in Wärmedämmplatten. HBCD verzögert die Entzündung von Kunststoffen, ist jedoch nicht unenflammbar. Seit 2013 gilt HBCD als schwerabbaubarer organischer Schadstoff. Es folgte ein Verbot für Herstellung und Anwendung. Mittlerweile werden stattdessen Wärmeplatten etwa aus Mineralwolle verbaut, die keine Flammenschutzmittel benötigen. Nach einem zwischenzeitlichen Verbot dürfen HBCD-haltige Abfälle wieder in Müllverbrennungsanlagen entsorgt werden. Allerdings muss der Weg dorthin nachgewiesen werden. (ivn)

Gibt es denn mittlerweile eine Lösung für die Entsorgung?
Andreas Schmidt: Die Handwerksverbände haben sich mit der Politik zusammengesetzt, um gemeinsam einen Kompromiss zu finden. Auch der Zentralverband des Deutschen Dachdeckerhandwerkes hat interveniert. Mittlerweile wurde das Abfallverzeichnis überarbeitet und nun werden die HBCD-haltigen Abfälle ab September wieder als ungefährlich eingestuft. Damit können sie auch wieder verbrannt werden.

Die Verbände hätten auch im Vorfeld Einfluss auf die Gesetzesänderungen nehmen können. Wie zufrieden sind sie denn mit deren Arbeit?
Andreas Schmidt: Die Neuregelung hat uns tatsächlich etwas überrascht. Doch als wir davon erfahren haben, wurde alles unternommen, um das Problem zu lösen.

Wie sicher ist HBCD denn eigentlich noch?
Andreas Schmidt: Gerade nach dem jüngsten Hochhausbrand in London ist das Material in Verruf geraten. Es gibt aber keinen Grund zur Panik. In Deutschland wurde HBCD nicht in Hochhäusern verbaut. Es gibt zwar eine gewisse Umweltbelastung. Es reicht allerdings völlig, wenn HBCD-haltige Dämmstoffe bei der nächsten planmäßigen Sanierung entfernt werden. Ein sofortiger Ausbau der Dämmplatten ist nicht nötig.

(mz)