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G20-Gipfel in Hamburg G20-Gipfel in Hamburg: Rechte Gewalt am linken Rand

Von Alexander Schierholz 21.07.2017, 08:00
Links oder rechts? Wer bei den Krawallen in Hamburg zu welchem politischen Lager gehörte, lässt sich nur schwer nachvollziehen.
Links oder rechts? Wer bei den Krawallen in Hamburg zu welchem politischen Lager gehörte, lässt sich nur schwer nachvollziehen. DPA

Magdeburg/Leipzig - „Kapitalismus angreifen - G 20 stoppen!“ steht in großen weißen Lettern vor blutrotem Hintergrund auf einem Banner, „Bonzenviertel abwerten“ auf einem Aufkleber. Ein weiteres Bild zeigt eine schwarz vermummte Person im Unterhemd beim Malen eines Protest-Plakates mit gekreuztem Hammer und Schwert. Eindrücke von einer linksradikalen Internet-Seite? Mitnichten.

Die Fotos waren am Donnerstag auf der Facebook-Seite des rechtsextremen „Antikapitalistischen Kollektivs“ zu sehen. Teils handelt es sich um eigene Posts, teils um geteilte Inhalte anderer Seiten. Nun wurde bekannt: Angehörige der rechten Gruppierung sollen vor zwei Wochen in Hamburg gegen den G-20-Gipfel protestiert haben, inmitten von linken Demonstranten.

Rechte bei Anti-G-20-Protesten: Sympathien für die Gewalt

Das Internet-Portal „Thüringen 24“ berichtete, ihm lägen „exklusiv zwei Bestätigungen von rechtsextremen Gruppen vor, dass ihre Mitglieder sich an den Anti-G-20-Protesten beteiligt und zum Teil auch Sympathien für die gewalttätigen Ausschreitungen haben“.

Darunter seien auch „mehrere Gruppen“ des „Antikapitalistischen Kollektivs“ (AKK), heißt es weiter. Erst im Mai waren AKK-Anhänger bei einem Neonazi-Aufmarsch in Halle dabei.

Waren auch Rechtsextremisten an den Krawallen beteiligt?

Randalierer hatten sich in Hamburg Straßenschlachten mit der Polizei geliefert, Autos angezündet, Geschäfte verwüstet und geplündert. Fast 200 Verdächtige wurden festgenommen, 592 Polizisten verletzt.

Ob Rechtsextremisten auch an den gewalttätigen Ausschreitungen beteiligt waren, geht aus dem Beitrag nicht hervor. Die Hamburger Polizei und das AKK äußerten sich am Donnerstag nicht.

Hinweise darauf, dass unter den Demonstranten gegen G 20 auch Rechtsextreme waren, hatte es bereits kurz nach dem Gipfel gegeben.

Für Rechte sind Proteste wie die in Hamburg attraktiv

Neu ist, dass nun eine Gruppe ihre Beteiligung bestätigt haben soll. David Begrich wundert das nicht: „Für eine Gruppierung wie das AKK sind Proteste wie bei G 20 ungeheuer attraktiv“, sagt der Experte der Arbeitsstelle Rechtsextremismus in Magdeburg.

Seit Jahren gebe es Versuche in der rechtsextremen Szene, Antikapitalismus als Thema zu besetzen und für sich zu instrumentalisieren.

Das „Kollektiv“ beschreibt Begrich als eine „überregionale Kameradschaftsstruktur“. Es handele sich weniger um eine feste Gruppe, vielmehr um ein Netzwerk von Neonazis.

AKK: Verfassungsschutz stuft Aktivisten als gewaltbereit ein

Das Bundesamt für Verfassungsschutz spricht von mindestens neun regionalen Ablegern mit einer bundesweiten Mitgliederzahl im „mittleren zweistelligen Bereich“, wie es in einer Veröffentlichung der Behörde heißt.

Der Geheimdienst stuft die AKK-Aktivisten als gewaltbereit ein, „zum Beispiel bei Demonstrationen gegen Polizeibeamte“.

Mitglieder der rechten Gruppierung tauchen immer wieder bei Neonazi-Aufmärschen auf, so im Mai 2016 im sächsischen Plauen, wo es zu Angriffen auf Gegendemonstranten und Journalisten kam.

Randale in Apolda im Mai: Vermummte attackierten Polizisten

Im Mai dieses Jahres randalierten Rechtsextremisten auf der Rückfahrt von einer Demonstration in Halle im thüringischen Apolda. Bis zu 150 zum Teil Vermummte attackierten Polizisten mit Steinen und Flaschen.

Einträge in sozialen Netzwerken, mittlerweile zum Teil gelöscht, deuteten darauf hin, dass es sich auch in diesem Fall um Aktivisten des „Kollektivs“ handelte.

Linksextreme und Rechtsextreme: Immer schwieriger zu unterscheiden

Von linksextremen Demonstranten sind sie mitunter schwer zu unterscheiden. Gewalttätige Anhänger beider Seiten treten häufig schwarz gekleidet und vermummt auf.

„Rein äußerlich ist es oft schwierig, Neonazis als solche zu erkennen“, sagt David Begrich von der Arbeitsstelle Rechtsextremismus. Dann stehen auch Polizisten und Demo-Beobachter vor der Frage: Wer ist wer?

Waren Personen aus Sachsen-Anhalt an den Ausschreitungen in Hamburg beteiligt?

Unterdessen ist weiter unklar, ob und wie viele Personen aus Sachsen-Anhalt an den gewaltsamen Protesten in Hamburg beteiligt waren. Das Innenministerium hatte bestätigt, dass Angehörige der linksextremistischen Szene aus dem Land nach Hamburg gereist waren. Ihre Rolle dort werde aber noch ermittelt, sagte ein Sprecher am Donnerstag.

Über die Teilnahme von Rechtsextremisten aus Sachsen-Anhalt liegen den Behörden demnach keine Erkenntnisse vor.

Das Ministerium kündigte an, Sachsen-Anhalt werde, ähnlich wie Sachsen, die Ermittlungen der Sonderkommission „Schwarzer Block“ in Hamburg personell unterstützen. Der Freistaat will drei Beamte des auf Extremismus-Bekämpfung spezialisierten „Operativen Abwehrzentrums“ der sächsischen Polizei nach Hamburg entsenden.

Besonders Sachsen steht nach Hamburg im Fokus

In Ostdeutschland steht nach den G-20-Krawallen Sachsen besonders im Fokus. Nach dem Gipfel hatte Bundesinnenminister Thomas de Maizière (CDU) erklärt, die „Rote Flora“ in Hamburg, besetzte Häuser in Berlin oder Aktivitäten wie in Leipzig-Connewitz könne man nicht hinnehmen. Der Stadtteil gilt als Hochburg der linken Szene, dort war für Proteste gegen G 20 mobilisiert worden.

Die Schließung zweier Kulturzentren in Connewitz hatte der Minister entgegen anderslautender Berichte zwar nicht explizit gefordert, doch Kritiker wie die CDU und die AfD sahen sich bestätigt: Sie sehen Verbindungen zu den Hamburger Ausschreitungen und fordern, die kommunale Förderung für die beiden Zentren „Werk 2“ und „Conne Island“ zu überprüfen beziehungsweise zu stoppen. Die Stadt lehnt das ab.

(mz)