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Berlin Immunität: Diplomat verursacht tödlichen Unfall in Berlin-Neukölln - keine strafrechtlichen Konsequenzen

Von Andreas Kopietz und Lutz Schnedelbach 15.06.2017, 14:37
Der tödliche Unfall ereignete sich auf der Hermannstraße in Berlin-Neukölln.
Der tödliche Unfall ereignete sich auf der Hermannstraße in Berlin-Neukölln. imago/Schöning

Berlin - Ein 55 Jahre alter Mann fährt am späten Dienstagabend mit seinem Fahrrad auf der Hermannstraße in Berlin-Neukölln. Zur selben Zeit will ein 50-Jähriger aus einem Porsche Cayenne steigen. Er steht mit dem Auto im absoluten Halteverbot. Als er unvermittelt die Tür öffnet, kann der Radfahrer nicht mehr rechtzeitig bremsen und prallt mit voller Wucht gegen die Tür. Der 55-Jährige wird mit schweren Kopfverletzungen in ein Krankenhaus gebracht. Dort stirbt er 13 Stunden später.

Der Verkehrsermittlungsdienst der Polizei stellt noch in der Nacht fest, dass der Porsche zur Botschaft Saudi Arabiens gehört. Dort äußerte man sich am Donnerstag nicht zu dem Unfall.

Zahl der Ordnungswidrigkeiten von Diplomaten steigt stetig

Falschparken, Alkohol am Steuer, Geschwindigkeitsüberschreitungen: Die Zahl der Ordnungswidrigkeiten, die von Diplomaten begangen werden, ist in den vergangenen Jahren stetig gestiegen. Im vergangenen Jahr registrierte die Berliner Innenverwaltung allerdings einen leichten Rückgang. Die Zahl sank von 24.118 auf 22.816 Verkehrsverstöße.

Straftaten werden nicht registriert. Damit sollen diplomatische Verwicklungen verhindert werden. Im vergangenen Jahr verursachten Diplomaten 58 Verkehrsunfälle mit 26 Verletzten. Ein Jahr zuvor registrierte die Polizei knapp 80 Unfälle. In 50 Fällen begingen Diplomaten Fahrerflucht.

Der leichte Rückgang im vergangenen Jahr hängt nach Ansicht von Mitarbeitern des Auswärtigen Amtes und der Innenverwaltung mit den ständigen Bitten zusammen, sich an die deutschen Verkehrsvorschriften zu halten.

Viele Strafzettel wegen Falschparken

Die Hitliste der Verkehrssünder führen Saudi-Arabien, China und Russland an, was auch daran liegt, dass diese Botschaften die meisten Autos haben. So sollen die Saudis mit rund 280 Autos durch die Hauptstadt fahren.

Gerechnet auf die Zahl der Autos verhalten sich dagegen Vertreter aus den Philippinen, dem Sudan und Griechenland am rücksichtslosesten. So fuhren Diplomaten aus den Philippinen mit 60 Autos 485 Strafzettel ein. Sudanesen brachten es mit zehn Fahrzeugen auf 565 Strafzettel. Das bedeutet 56 Knöllchen pro Auto. Griechische Diplomaten brachten es mit 24 Autos auf 560 Strafzettel. Bis vor einigen Jahren stand auch der Iran mit ganz vorn.

Die meisten Strafzettel wurden wegen Falschparkens geschrieben. Zahlen für Alkohol am Steuer gibt es nicht, weil Diplomaten nicht zu einem Test gezwungen werden dürfen. „Sie wissen genau, was wir dürfen und was nicht,“ sagt ein Verkehrspolizist. Die Beamten sind gehalten, im Zweifelsfall betrunkene Verkehrsrowdys höflich nach Hause zu eskortieren. Eine Bestrafung müssen Diplomaten wegen ihrer Immunität nicht fürchten.

Unfälle passieren meist unter Alkoholeinfluss

Nach dem Wiener Übereinkommen gilt die Immunität nur für Länder, in denen der Diplomat akkreditiert ist. Auf diese Weise sind auch deutsche Diplomaten im Ausland geschützt. Wie viele von ihnen im Ausland gegen die Gesetze verstoßen, erfasst das Auswärtige Amt nicht. Das Auswärtige Amt äußere sich nicht zu Vorfällen, hieß es. In Berlin sind knapp 2.800 Diplomaten-Fahrzeuge mit Sonderkennzeichen sowie weitere 25 auf das Generalkonsulat der Türkei zugelassen.

Die meisten Unfälle passieren unter Alkoholeinfluss. So sorgte 2004 die Chaosfahrt des bulgarischen Botschafters für Schlagzeilen. Er fuhr im alkoholisierten Zustand einen Polizisten an. Das ist einer wenigen Vorfälle, bei denen der Botschafter ausgewiesen wurde. 2001 krachte ein volltrunkener Mitarbeiter der südkoreanischen Botschaft in Kreuzberg in einen Hauseingang. Und schon mehrmals parkten Diplomaten unfreiwillig im Springbrunnen am Ernst-Reuter-Platz.