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Zwölfjährige verschleppt Zwölfjährige verschleppt: Täter bereitete weißen Transporter für Entführung vor

Von Christiane Rasch 09.06.2017, 19:57
Der weiße Transporter nach dem Zugriff der Polizei
Der weiße Transporter nach dem Zugriff der Polizei Lucas S

Leipzig/Lützen - Im Fall der am Mittwoch in Leipzig entführten Zwölfjährigen werden immer mehr Details bekannt. Die Tat ist offenbar geplant gewesen. Nach MZ-Informationen hatte der 36-jährige mutmaßliche Entführer einen Tag vor der Tat einen Transporter gemietet, die Seitenscheiben abgeklebt und das Fahrzeug damit verdunkelt. Entsprechende Informationen bestätigte am Freitag die Polizei in Leipzig.

Dieses Vorgehen deute auf eine hohe kriminelle Energie hin, sagte Peter Guld, Landeschef des Bundes Deutscher Kriminalbeamter in Sachsen. Ob der 36-Jährige es gezielt auf das zwölfjährige Mädchen abgesehen hat, sei aber unklar.

Kriminologen, mit denen die MZ am Freitag sprach, gehen davon aus, dass der Täter das Mädchen missbrauchen und anschließend töten wollte. Das sei wahrscheinlich, weil das Kind Täter und Fahrzeug erkannt habe und im Falle einer Freilassung gegenüber der Polizei hätte beschreiben können.

Nun müsse abgewartet werden, ob bei weiteren Ermittlungen ein Versteck oder Verlies entdeckt werde, in das der Täter sein mutmaßliches Opfer möglicherweise bringen wollte. Gebe es keine solchen Vorkehrungen, müsse von einer Tötungsabsicht des Mannes ausgegangen werden.

Die Tatsache, dass der 36-Jährige dem Kind nicht direkt zu Beginn der Entführung das Handy abgenommen hat, spricht laut Kriminologen zudem dafür, dass der Mann wenig clever ist. Man müsse davon ausgehen, dass heutzutage nahezu jedes Kind in diesem Alter ein Handy besitze. Genau solche Fälle seien der Grund, weshalb Eltern ihren Kindern ein Mobiltelefon geben.

Mädchen aus Leipzig in weißem Transporter entführt: Hohe kriminelle Energie des Täters

Dass eine Tötungsabsicht bestand, wollte Peter Guld nicht bestätigen. „Es liegt aber im Rahmen des Möglichen und ist nun Gegenstand der Ermittlungsarbeit“, so Guld. „Der Mann hat bewusst ein Kind gesucht“.

Entführungen von Kindern und Jugendlichen sorgen in Deutschland immer wieder für Schlagzeilen. Häufig ist sexueller Missbrauch das Motiv. Seltener ist dagegen Kidnapping, um Lösegeld zu erpressen. Einige spektakuläre Fälle aus jüngerer Zeit:

Juli 2016: Wegen der Morde an den kleinen Jungen Elias (6) und Mohamed (4) verurteilt das Landgericht Potsdam einen 33-Jährigen zu lebenslanger Haft. Der Wachmann hatte 2015 Elias in Potsdam und Mohamed vor der zentralen Anlaufstelle für Flüchtlinge in Berlin entführt, sie missbraucht und getötet.

August 2015: Die 17 Jahre alte Unternehmertochter Anneli-Marie aus einem Dorf bei Meißen (Sachsen) wird entführt. Die Täter fordern von der Familie 1,2 Millionen Euro. Die Leiche der jungen Frau wird einige Tage später entdeckt. Das Dresdner Landgericht verurteilt einen der Entführer zu lebenslanger Haft, sein Komplize erhält achteinhalb Jahre.

Februar 2014: Die zwölf Jahre alte Franziska wird in Neuburg a.d. Donau (Bayern) entführt, vergewaltigt und erschlagen. Ihr Mörder erhält lebenslange Haft.

April 2013: Ein Kidnapper bringt in Fellbach (Baden-Württemberg) einen Siebenjährigen in seine Gewalt und fordert Lösegeld. Er lässt das Kind nach mehreren Stunden frei, nachdem er die erste Rate erhalten hat. Der Mann wird zu sieben Jahren Haft verurteilt.

September 2010: Der zehnjährige Mirco aus Grefrath (Nordrhein-Westfalen) wird entführt, missbraucht und umgebracht. Seine Leiche wird erst im Januar 2011 entdeckt. Der Täter erhält lebenslange Haft.

April 2006: Der zweijährige Millionärs-Enkel Moritz B. fällt Erpressern in die Hände. Die Kidnapper fordern Lösegeld. Die Polizei kann Moritz befreien. Drei Männer werden zu Haftstrafen zwischen zwölf und sieben Jahren verurteilt. 

Einzigartig an diesem Fall war laut Guld das Handeln des Kindes, indem es den Notruf absetzte. „Nicht auszumalen, was passiert wäre, wenn dieser Anruf nicht erfolgt und das Kind weiter in der Gewalt des Täters geblieben wäre.“

Das Kind war am Mittwochnachmittag nach der Schule auf dem Nachhauseweg  entführt und am Abend von einem 18-köpfigen Sondereinsatzkommando im Lützener Ortsteil Muschwitz (Burgenlandkreis) befreit worden. Wie genau es in die Gewalt des Mannes geriet - ob der 36-Jährige das Kind in den Wagen zerrte oder lockte - dazu machte die Polizei am Freitag keine Angaben. Auch zum weiteren Verlauf der Entführung hielten sich die Beamten bedeckt.

Bekannt ist, dass der Mann mit dem Kind im Wagen von Sachsen in Richtung Sachsen-Anhalt fuhr. Während der Fahrt gelang es dem Mädchen, über ihr Handy einen Notruf abzusetzen und die Polizei auf die Spur des Mannes zu führen. Nach MZ-Informationen bemerkte der mutmaßliche Täter, dass das Mädchen mit den Beamten sprach.

Während des Telefonats - das weniger als eine Minute dauerte - soll der Mann den Wagen angehalten und anschließend das Handy zerstört haben. Nach rund drei Stunden machten die Ermittler das Fahrzeug auf der Autobahn 38 an der Landesgrenze zu Sachsen-Anhalt ausfindig. Gegen 18.30 Uhr stoppten sie den Fahrer bei Lützen und nahmen ihn fest.

Die Zwölfjährige wird laut Leipziger Polizei derzeit medizinisch und psychologisch betreut und befindet sich in Obhut ihrer Eltern. Bei Befragungen am Mittwoch und Donnerstag sei sie sehr gefasst gewesen, hieß es. Was dem Mädchen während der Entführung im Detail widerfahren ist, dazu machten Staatsanwaltschaft und Polizei in Leipzig  keine näheren Angaben. Wegen des Alters des Opfers bestehe ein besonderer Persönlichkeitsschutz, so die Staatsanwaltschaft.

Der 36-jährige Tatverdächtige befindet sich derweil weiter in Untersuchungshaft. Ihm wird Freiheitsberaubung in Zusammenhang mit einem Sexualdelikt und Körperverletzung vorgeworfen. Der Mann is wegen des Besitzes und Erwerbs von Kinderpornografie vorbestraft. 2015 wurde er deswegen zu einer Geldstrafe verurteilt.

Medienberichte, nach denen der Mann bereits ins Visier der Behörden geriet, weil er Geschlechtsverkehr mit einer Minderjährigen hatte, diesen filmte und das Mädchen anschließend mit der Aufnahme erpresste, wollten indes weder Staatsanwaltschaft noch Polizei kommentieren. (mz)