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Mutiger Anruf Mutiger Anruf: So konnte sich das Mädchen vor dem Sexualstraftäter retten

08.06.2017, 18:21
Der weiße Transporter nach dem Zugriff der Polizei
Der weiße Transporter nach dem Zugriff der Polizei Lucas S

Leipzig/Lützen - Eine Zwölfjährige meldet sich am Mittwochnachmittag bei der Leipziger Polizei. Sie sei entführt worden, befinde sich in einem Transporter, nennt ihren Namen und ihr Alter. Dann - nach weniger als einer Minute - bricht die Verbindung ab. Sofort richtet die Polizei einen Führungsstab ein und fordert Unterstützung an.

Gegen 18.10 Uhr gelingt es den Beamten, einen weißen Miettransporter auf der Autobahn 38 an der Landesgrenze zu Sachsen-Anhalt zu orten. 18 Beamte eines Spezialeinsatzkommandos und eines Mobilen Einsatzkommandos rücken aus. 18.30 Uhr stoppen die Fahnder das Fahrzeug bei Lützen (Burgenlandkreis). Am Steuer sitzt ein 36-Jähriger, der nach Angaben der Polizei in Leipzig wohnt, ursprünglich aber aus Weißenfels stammt. Die Polizei nimmt ihn fest und befreit das Mädchen.

Entführung in Leipzig: Viele Hintergründe sind noch unklar

Wie das Kind in die Gewalt des Mannes kam, ist unklar. „Wegen der besonderen Schutzbedürftigkeit des Mädchens werden wir dazu keine Angaben machen“, sagte Felix Mezger, Sprecher der Staatsanwaltschaft Leipzig am Donnerstag. Fest steht, dass sich die Entführung am Mittwochnachmittag in Leipzig ereignet hat. Der MDR berichtete unter Verweis auf die Leipziger Polizei, dass sich das Mädchen gegen 14.40 Uhr von zwei Schulkameradinnen auf dem Nachhauseweg verabschiedet habe. Gegen 15.30 Uhr ging ihr Notruf bei der Polizei ein. Inzwischen sei das Kind wieder in Obhut seiner Eltern, sagte Andreas Loepki, Sprecher der Polizeidirektion Leipzig.

Entführungen von Kindern und Jugendlichen sorgen in Deutschland immer wieder für Schlagzeilen. Häufig ist sexueller Missbrauch das Motiv. Seltener ist dagegen Kidnapping, um Lösegeld zu erpressen. Einige spektakuläre Fälle aus jüngerer Zeit:

Juli 2016: Wegen der Morde an den kleinen Jungen Elias (6) und Mohamed (4) verurteilt das Landgericht Potsdam einen 33-Jährigen zu lebenslanger Haft. Der Wachmann hatte 2015 Elias in Potsdam und Mohamed vor der zentralen Anlaufstelle für Flüchtlinge in Berlin entführt, sie missbraucht und getötet.

August 2015: Die 17 Jahre alte Unternehmertochter Anneli-Marie aus einem Dorf bei Meißen (Sachsen) wird entführt. Die Täter fordern von der Familie 1,2 Millionen Euro. Die Leiche der jungen Frau wird einige Tage später entdeckt. Das Dresdner Landgericht verurteilt einen der Entführer zu lebenslanger Haft, sein Komplize erhält achteinhalb Jahre.

Februar 2014: Die zwölf Jahre alte Franziska wird in Neuburg a.d. Donau (Bayern) entführt, vergewaltigt und erschlagen. Ihr Mörder erhält lebenslange Haft.

April 2013: Ein Kidnapper bringt in Fellbach (Baden-Württemberg) einen Siebenjährigen in seine Gewalt und fordert Lösegeld. Er lässt das Kind nach mehreren Stunden frei, nachdem er die erste Rate erhalten hat. Der Mann wird zu sieben Jahren Haft verurteilt.

September 2010: Der zehnjährige Mirco aus Grefrath (Nordrhein-Westfalen) wird entführt, missbraucht und umgebracht. Seine Leiche wird erst im Januar 2011 entdeckt. Der Täter erhält lebenslange Haft.

April 2006: Der zweijährige Millionärs-Enkel Moritz B. fällt Erpressern in die Hände. Die Kidnapper fordern Lösegeld. Die Polizei kann Moritz befreien. Drei Männer werden zu Haftstrafen zwischen zwölf und sieben Jahren verurteilt. 

Der mutmaßliche Entführer wurde von der Polizei vernommen. Was er sagte, geben die Fahnder aus ermittlungstaktischen Gründen nicht bekannt. Am Donnerstag hat die Staatsanwaltschaft Leipzig Haftbefehl gegen den 36-Jährigen erlassen. Ihm wird Freiheitsberaubung in Verbindung mit einem Sexualdelikt und Körperverletzung vorgeworfen. Die Staatsanwaltschaft gab zudem bekannt, dass der Mann wegen des Erwerbs und Besitzes von Kinderpornografie vorbestraft ist. 2015 sei er zu einer Geldstrafe verurteilt worden. Der 36-Jährige hat laut Polizeisprecher Loepki bereits in der Region um Lützen gelebt. Wohin er mit der Zwölfjährigen wollte, sei noch unklar. Familiäre Verbindungen zwischen Opfer und Täter bestünden nicht. Es gebe auch keine Anhaltspunkte dafür, dass sich der Mann und das Mädchen kannten.

Polizeisprecher lobt die Reaktion des entführten Mädchens

Loepki lobte die Reaktion des Mädchens: „Ihr Anruf und die Dinge, die sie uns in der kurzen Zeit mitgeteilt hat, waren Gold wert.“ Er halte es für unwahrscheinlich, dass viele Zwölfjährige so gehandelt hätten. Andere Kinder würden zuerst die Eltern informieren. Das Mädchen aber wählte von ihrem Handy direkt den Notruf. Das Gespräch, so Loepki, sei aufgezeichnet worden und habe so immer wieder angehört werden können. Das habe die Arbeit der Polizei erleichtert. Bei der ersten Befragung am Mittwoch sei die Zwölfjährige zudem erstaunlich gefasst gewesen.

Ob es Verbindungen zwischen dem 36-Jährigen und anderen vermeintlichen Kindesentführungen gibt, blieb offen. 2016 hatten im Süden Sachsen-Anhalts Meldungen für Aufregung gesorgt, denen zufolge Kinder von südländisch aussehenden Männern in weißen Transportern angesprochen und entführt worden sein sollen.

Viele Falschmeldungen während der Entführung im Umlauf

Dabei handelte es sich allerdings zumeist um Falschmeldungen. „Mir ist kein Fall bekannt, wo ein Kind tatsächlich entführt wurde“, so Ralf Karlstedt, Sprecher der Polizeidirektion in Halle. Der größte Teil der Fälle, in denen ein Kind von einem Mann im Transporter angesprochen worden sein soll, habe sich ebenso nicht bestätigt. Es blieben nur wenige Fälle, bei denen unklar sei, ob Kinder tatsächlich angesprochen wurden. Diesen gehe die Polizei nun erneut nach. „Es wird geprüft, ob der 36-Jährige für diese Fälle im südlichen Sachsen-Anhalt verantwortlich ist“, so Karlstedt. Der Festgenommene entspricht aber nicht dem vermeintlichen Tätermuster dieser Fälle - er ist laut Polizei Deutscher. (mz/cra)