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Leih-Beschäftigung in Sachsen-Anhalt Leih-Beschäftigung in Sachsen-Anhalt: Neue Jobs oft nur auf Zeit

Von Steffen Höhne 21.01.2015, 07:06
Zeitarbeitsfirmen bieten in Mitteldeutschland viele Stellen an.
Zeitarbeitsfirmen bieten in Mitteldeutschland viele Stellen an. dpa Lizenz

Halle (Saale) - Sucht ein arbeitsloser Metallbauer aus Halle einen neuen Job, so liefert ihm die Jobbörse der Agentur für Arbeit zahlreiche Stellenangebote. In einem Umkreis von 20 Kilometern werden aktuell insgesamt 36 Offerten angezeigt. Allerdings sind 22 davon eindeutig Zeitarbeitsfirmen zuzuordnen. Die hohe Zahl in diesem Beispiel ist keineswegs eine Ausnahme. Neue Stellen werden häufig nur von Leiharbeitsfirmen angeboten. Beschäftigt sind viele Arbeitnehmer bei den Leihfirmen aber meist nur kurz. Nach drei Monaten sind die Hälfte der Arbeitsverhältnisse wieder gelöst.

Leiharbeit liegt vor, wenn Arbeitnehmer (Leiharbeitnehmer) von einem Arbeitgeber (Verleiher) einem Dritten (Entleiher) gegen Entgelt für begrenzte Zeit überlassen werden. In Deutschland gab es im Jahr 2003 rund 330 000 Leiharbeiter. Im Zuge der Hartz-Arbeitsmarktreformen, die der Leiharbeit mehr Freiheiten einräumten, stieg die Zahl deutlich an. Im Jahr 2014 waren bundesweit im Durchschnitt 839 000 Frauen und Männer in der Zeitarbeit beschäftigt. Der Anteil an allen sozialversicherungspflichtig Beschäftigten ist mit 2,6 Prozent allerdings relativ gering. In der Branche gibt es nicht erst seit diesem Jahr einen Mindestlohn. Im vergangenen Jahr lag dieser im Osten bei 7,86 Euro. Zum ersten April 2015 steigt er auf 8,20 Euro, ab Mitte 2016 liegt er bei 8,50 Euro in den neuen Ländern und neun Euro im Westen. Diese Einstiegstarife gelten in der Regel für Hilfsarbeiten. (sth)

Wie die Landesarbeitsagentur Sachsen-Anhalt auf MZ-Anfrage mitteilte, entfielen im Jahr 2013 rund 25 Prozent der gemeldeten freien Stellen bei der Behörde auf die Zeitarbeit. In absoluten Zahlen heißt das: Von 51 700 freien Stellen kamen 13 600 aus der Zeitarbeit. In Thüringen lag der Anteil mit 40 Prozent noch weitaus höher, in Sachsen waren es 30 Prozent. Daten für das Jahr 2014 liegen noch nicht vor, dürften aber nicht grundsätzlich anders ausfallen.

Entlohnung niedriger

Der deutlich höhere Anteil Thüringens und Sachsens geht nach Angaben von Landesarbeitsagentur-Chef Kay Senius auf die Wirtschaftsstruktur zurück. In diesen Ländern ist die Metallbranche (Autozulieferer, Maschinenbau), die deutlich mehr Zeitarbeiter einsetzt, besonders stark. In sozialen und gesundheitlichen Berufen werden dagegen vergleichsweise wenig Leiharbeiter eingestellt.

Nun vermittelt die Arbeitsagentur nur einen Teil der Stellen. Viele Arbeitslose bewerben sich in Eigeninitiative bei Firmen oder suchen Arbeit über private Jobportale. Doch auch insgesamt zeigt sich, dass die Zeitarbeit einen hohen Anteil bei neu besetzten Arbeitsplätzen einnimmt. In Sachsen-Anhalt nahmen laut Statistik im Jahr 2013 rund 14 500 Menschen, die zuvor arbeitslos waren, eine Leih-Beschäftigung auf. Das entspricht knapp einem Fünftel (18,9 Prozent) aller Stellenaufnahmen. In Thüringen lag die Quote bei 20,2 Prozent, in Sachsen bei 17,8 Prozent.

Nach Ansicht von Udo Gebhardt Landesvorsitzender des Deutschen Gewerkschaftsbundes, sind die Leiharbeitsverhältnisse nicht gleichzusetzen mit regulären Stellen etwa in einem Industriebetrieb. „Trotz eines Mindestlohns liegen die Löhne der Zeitarbeiter im Schnitt 43 Prozent niedriger“, sagt Gebhardt. Die Arbeitnehmer müssten höchste Flexibilität mitbringen und dennoch würden viele der Arbeitsverhältnisse nach kurzer Zeit wieder beendet.

Nach Erhebungen der Landesarbeitsagentur werden im Land „knapp die Hälfte aller begonnenen Zeitarbeitsverhältnisse binnen der ersten drei Monate wieder aufgelöst“. Agentur-Chef Senius verweist darauf, dass einige Zeitarbeiter von den Industriefirmen übernommen werden. Nach Einschätzung von Arbeitsmarktexperten dürfte jedoch ein großer Teil wieder arbeitslos werden. Genaue Zahlen dazu liegen nicht vor.

Laut Thomas Hetz, Hauptgeschäftsführer des Bundesarbeitgeberverbandes der Personaldienstleister (BAP), stieg die Verweildauer in der Zeitarbeit in den vergangenen Jahren an. Der Verbandschef betont: „Die Zeitarbeit ist eine der wenigen Branchen, die Geringqualifizierten und Langzeitarbeitslosen eine Chance bietet. So gesehen ist es doch als Erfolg zu werten, wenn mehr als 46 Prozent der Langzeitarbeitslosen auch nach einem Jahr noch immer sozialversicherungspflichtig beschäftigt sind“.

Der sogenannte Drehtüreffekt - schnell in den Job und schnell wieder heraus - führt offenbar auch dazu, dass die Zahl der Zeitarbeiter insgesamt vergleichsweise niedrig ist. Im Jahresschnitt 2013 waren in Sachsen-Anhalt lediglich 22 307 Frauen und Männer bei Zeitarbeitsfirmen tätig, das sind nur 2,9 Prozent aller Arbeitnehmer.

Gesetzesänderung geplant

Die Bundesregierung plant in diesem Jahr Einschränkungen für die Zeitarbeit. So ist im Koalitionsvertrag vereinbart worden, dass Zeitarbeiter nach spätestens neun Monaten den Lohn erhalten sollen, der in dem Einsatzbetrieb gezahlt wird. Die Ausleihdauer in einem Betrieb soll auf 18 Monate beschränkt werden. Gebhardt begrüßt dies: „Damit wird der Ausbeutung von Zeitarbeitern ein Riegel vorgeschoben.“ In der Metall- und Chemiebranche sei die gleiche Bezahlung bereits jetzt in Tarifverträgen vereinbart.

Mit den Hartz-Arbeitsmarktreformen ab dem Jahr 2003 bekamen die Zeitarbeitsfirmen ein breiteres Betätigungsfeld. Das große Plus der Leiharbeit ist, dass sie gerade Industrie-Firmen ermöglicht, Auftragsspitzen mit fremden Personal abzuarbeiten. Die Unternehmen erhalten so mehr Flexibilität, die bei dem Auf und Ab der Weltkonjunktur wichtig ist.

Beim Abbau der Arbeitslosigkeit in Sachsen-Anhalt spielt die Zeitarbeit keine Rolle. Seit Jahren schwankt die Zahl der Zeitarbeiter um die 25 000. Insgesamt waren 2014 im Schnitt 125 600 Sachsen-Anhalter arbeitslos gemeldet. Die Quote sank im Oktober erstmals unter zehn Prozent. Der Rückgang hat vor allem demografische Gründe. Mehr ältere Menschen gehen in Rente als jüngere nachrücken. Die Zahl der sozialversicherungspflichtig Beschäftigten hat sich nur leicht um 4 300 auf 773 500 erhöht. Vor allem Teilzeitjobs haben zugenommen. (mz)