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Experte Wolfgang Christ nimmt Stadt unter die Lupe Experte Wolfgang Christ nimmt Stadt unter die Lupe: Wo stecken die drei großen "A"?

Von Harald Vopel 15.05.2017, 07:19
Wolfgang Christ hat am Wochenende die Ascherslebener Innenstadt erkundet.
Wolfgang Christ hat am Wochenende die Ascherslebener Innenstadt erkundet. harald vopel

Aschersleben - In Aschersleben stecke soviel Potenzial, nachdem sich vergleichbare Städte in den alten Bundesländern durchaus die Finger lecken würden, ist sich Wolfgang Christ, der unter anderem bis 2013 Professor an der Bauhaus-Universität in Weimar war, sicher.

Am Wochenende war der renommierte Architekt und Stadtplaner in Aschersleben unterwegs und hat dabei so gut wie alle Ecken der Innenstadt unter die Lupe genommen. Und weil sich mit dem Flugplatzfest die Gelegenheit bot, warf er auch noch einen Blick aus der Vogelperspektive auf die Stadt.

Beratervertrag mit Kaufmannsgilde geschlossen

Dabei war Christ keinesfalls zufällig oder als Tourist an die Eine gekommen. Die Ascherslebener Kaufmannsgilde habe mit ihm einen Beratervertrag in Sachen Entwicklung der Innenstadt abgeschlossen. Gilde-Chef Martin Lampadius erwartet sich davon zumindest zahlreiche Anregungen, von denen aber auch der City-Manager, Frank Fischer, der seit dem 2. Mai im Amt ist, profitieren könne.

Das Funktionieren einer Innenstadt mache er an drei großen „A“ fest, sagt Christ: Aura, Authentizität und Atmosphäre. Und von allen drei habe Aschersleben durchaus genügend zu bieten.

Unter Aura versteht der Experte, wenn man in einer Stadt wie in einem Geschichtsbuch lesen könne und auf jeder Seite wieder Neues entdecke. Und gerade das habe die älteste Stadt des Landes Sachsen-Anhalt zu bieten.

Dazu komme, dass das Stadtzentrum durch den einmaligen Promenadenring umschlossen wird, der - zusammen mit der Herrenbreite - so etwas wie einen Anker zum Innehalten ist.

Authentisch werde eine Stadt unter anderem dadurch, dass sich der Handel auf das besinnt, was hier auch hergestellt wird, der Händler nicht nur Händler sondern vielleicht auch Produzent ist, dass er mit den Kunden in Kontakt tritt und seine Individualität vermarktet.

Und als Atmosphäre betrachtet Wolfgang Christ, wenn eine Stadt für alle Sinne etwas biete und mit allen Sinnen gespürt werden könne. Mit anderen Worten - wenn es was zu sehen, riechen, hören, schmecken und fühlen gibt.

Viel Handfestes wurde entdeckt

Neben diesen eher erst einmal theoretisch anmutenden Kriterien, hat der Stadtplaner bei seinem ersten Besuch in Aschersleben aber auch Handfestes entdeckt, mit dem die Stadt wuchern könne: Eine weitgehend sanierte Bausubstanz, eine gute infrastrukturelle Anbindung an Zentren wie Magdeburg, Halle, Leipzig oder Hannover, Kindertagesstätten, Schulen, kulturelle Einrichtungen und - besonders wichtig - vergleichsweise bezahlbaren Wohnraum.

Mit Blick auf die zukünftige Entwicklung der Stadt sagt Christ: „Ich wäre gelassen. Alles deutet in Richtung Aschersleben“.

Gemeint ist der Trend, dass Großstädte und Dörfer für viele Menschen als Wohnort ausgedient haben. Gefragt seien immer mehr Klein- und mittelgroße Städte - wenn die das erkennen und ihr schlummerndes Potenzial freilegen. Übrigens - aufgrund der vorhandenen Infrastruktur wirke Aschersleben, mit seinen gerade einmal knapp 25.000 Einwohnern in der Kernstadt, auf ihn viel größer.

Konkrete Vorschläge auf den Tisch legen

Bevor Christ, der in Darmstadt studiert hat, in drei bis vier Wochen wieder nach Aschersleben kommt, werde er seine am Wochenende gewonnen Eindrücke verarbeiten und dann konkrete Vorschläge für eine zukünftige Stadtentwicklung auf den Tisch legen.

Mindestens einen Tipp hat er aber schon jetzt hiergelassen. Eine Empfehlung an die Einzelhändler. Die sollten nicht jedem auf dem Leim gehen, der ihnen dazu rät, auf Biegen und Brechen in den Online-Handel einzusteigen. Dort seien die Pfründe längst unter den großen Anbietern aufgeteilt. Jedenfalls dann, wenn es um Produkte geht, die allerorten verkauft werden. Die Zukunft eines gut funktionierenden Handels sieht Wolfgang Christ auch hier im Besonderen, Ausgefallenen, Einzigartigen und Regionalen. Was nicht heißen soll, dass der Kleinstadt-Einzelhändler nicht auch auf sich im Internet aufmerksam machen kann. (mz)