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Chinesisches Haus Oranienbaum Chinesisches Haus Oranienbaum: Die nickende Chinesin

Von Ilka Hillger 10.05.2017, 14:24
Auch ein Blick nach oben auf den Lebenskreis lohnt sich im Teehäuschen in Oranienbaum.
Auch ein Blick nach oben auf den Lebenskreis lohnt sich im Teehäuschen in Oranienbaum. Klitzsch

Oranienbaum - Für die alte Dame mit feinem Lächeln und strenger Frisur hat Robert Hartmann noch ein passendes Accessoire in der Pappschachtel. „Diese Ohrringe fehlen noch“, sagt der Restaurator und fummelt sie durch die Löcher im Ohrläppchen aus Gips.

Nun ist die Nickfigur einer alten Chinesin komplett. Zum Dank wackelt sie mit dem Kopf. Zaghaft noch. „Das könnte mehr Schwung haben“, sagt der Mitarbeiter der Kulturstiftung Dessau-Wörlitz.

Zischen 1930 und 1945

Die nickende Chinesin trifft man fortan im Chinesischen Haus der Oranienbaumer Schlossanlage. Am Dienstag wurde sie als neues Interieur des Pavillons der Öffentlichkeit vorgestellt. In einer Ecknische des großen Raumes hat sie jetzt einen festen Platz gefunden und fügt sich – selbst wenn sie nur eine Kopie ist – perfekt ins chinesische Raumgefüge.

Robert Hartmann hat in seinem Karton nicht nur Ohrringe transportiert, sondern auch drei Bruchstücke der originalen Figur. Viel mehr als diese Stücke aus Ton mit wenigen Farbresten sind nicht geblieben und niemand weiß, wann und wie die Chinesin und ihr männliches Pendant in der anderen Ecke zwischen 1930 und 1945 zerstört wurden. „Es war sicher Vandalismus, in jenen Jahren stand die Tür hier offen“, sagt der Restaurator.

Ursprünglich befanden sich in den südlichen Raumecken des Mittelraumes im Chinesischen Haus auf hölzernen Podesten lebensecht bemalte keramische Statuen eines alten chinesischen Mannes und einer alten Frau.

Derartige Nickfiguren wurden in China in großer Zahl für den Export nach Europa hergestellt. Die Körper und die Köpfe wurden aus Ton gefertigt, der in Formen gedrückt, aber nicht gebrannt wurde. Nach dem Trocknen wurden sie individuell und sehr aufwändig bemalt. Die Köpfe wurden so beweglich eingebaut, dass sie leicht zum Nicken gebracht werden konnten. Solche Figuren stellten die verschiedensten Menschentypen vom Kuli bis zum Kaiser dar.

Aus den Jahren zuvor existieren in der Stiftung nur noch schemenhafte Fotografien. Die aber beweisen, dass es die Nickfiguren ebenso gab wie zwei eiserne Öfen in den anderen beiden Ecken des Raumes, die bereits nach der Komplettrestaurierung des Gebäudes 2013 wieder aufgestellt wurden, wenn auch ohne Figuren.

Die Rekonstruktion der nickenden Chinesin ist die vorerst letzte Maßnahme der Kulturstiftung im Chinesischen Haus, die mit Landesmitteln für die Innenausstattung ermöglicht wurde.

Vorbild in Amsterdam

Ein Vorbild für die Statuette fand sich im Rijksmuseum in Amsterdam. Dort im Depot wurde eine gleich aussehende Statue ausfindig gemacht. Gute Fotos, die das Rijksmuseum der Kulturstiftung gestattete, waren die Vorlage für die Arbeit des Berliner Bildhauers Andreas Hoferick.

Ein Restauratorenkollege erarbeitete die Farbfassung. „Nun setzt die Figur einen neuen Akzent im Haus“, findet Robert Hartmann. Ein verloren gegangenes Ausstattungsstück sei ersetzt worden und das Ergebnis verdeutliche, wie einzigartig und stimmig die Grundausstattung des Gebäudes einst gewesen ist.

Was Fürst Franz und schon dessen Vorfahren dazu trieb, sich ein Stück China in die eigenen vier Wände zu holen, berichtet bei der Statue-Vorstellung Wolfgang Savelsberg. „Lackmöbel und Porzellane waren damals das Vornehmste, was man an Einrichtungsgegenständen haben konnte“, so der Abteilungsleiter Schlösser und Sammlungen.

Schon die Urgroßeltern von Fürst Franz seien an chinesischem oder chinoisem Kunsthandwerk interessiert gewesen. Henriette Catharina (1637-1708) habe das Schloss nach seinem Bau mit Porzellan, Lackmöbeln und mit Wandpaneelen mit chinoisen Szenen ausgestattet.

Vor allem die Niederländer und die Engländer hatten eine Vormachtstellung im europäischen Ostasienhandel und brachten all das kostbare Kunsthandwerk in die europäischen Herrscherhäuser. „Man stellte sich China als eine heile Welt vor“, so Savelsberg. Fürst Franz, als universaler Geist, habe China ebenso wie natürlich England, Italien und sogar die Südsee in sein kleines Gartenreich einfließen lassen.

Einzigartig in Deutschland

Der Fürst und sein Architekt von Erdmannsdorf holten sich ihre Anregungen dabei vor allem beim englischen Architekten William Chambers. Der war selbst nach China gereist und skizzierte und publizierte das Gesehene.

Seine Bücher standen in der Bibliothek des Fürsten. Die Anleihen, die sich der Landesherr daraus auch für den englische-chinesischen Garten in Oranienbaum nahm, machen diesen heute einzigartig in Deutschland. „Das ist ein Superlativ in der deutschen Gartengeschichte“, lenkt Gartendirektor Michael Keller den Blick vom Gebäude in die grüne Umgebung.

Stiftungsdirektorin Brigitte Mang hebt vor allem hervor, wie sich die chinesischen Elemente durch die Anlagen des Fürsten ziehen, sie nennt die entsprechenden Zimmer im Wörlitzer Schloss oder auch den Pavillon in Mosigkau. Eine Nickfigur aber gibt es nur in Oranienbaum, und die ist natürlich weitaus stilvoller als eine Winke-Katze, die man sich heute für chinesisches Flair in die Stube holen kann.

Das Chinesische Haus in Oranienbaum kann in diesem Jahr an folgenden Terminen von 11 bis 16 Uhr besichtigt werden: 21. Mai, 4. Juni, 12. August und 10. September. Gruppenführungen sind nach Anmeldung darüber hinaus möglich, Telefon 034904/2 02 59.

(mz)