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7-Seen-Wanderung um Leipzig 7-Seen-Wanderung um Leipzig: Eines der größten Wander-Events in Deutschland

Von Alexander Schierholz 06.05.2017, 04:00
Die Luftaufnahme des Cospudener Sees
Die Luftaufnahme des Cospudener Sees dpa-Zentralbild

Leipzig - An diesem Samstagmittag wird Wolfgang Flohr erst einmal „eine Mütze voll Schlaf nehmen“, wie er es nennt. Die Nacht war lang. Nachtwanderung, 54 Kilometer im Dreiländereck von Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen. Am Nachmittag wird er dann im Ziel stehen und die eintreffenden Wanderer begrüßen bei der „7-Seen-Wanderung“. „Ich schätze, ich kenne jeden Dritten persönlich“, scherzt Flohr.

„7-Seen-Wanderung“: Bis Mitte April hatten sich bereits über 4.200 Wanderfreunde angemeldet

Seit 2004 können Wanderfreunde alljährlich an einem Wochenende im Mai rund um die Tagebauseen südlich von Leipzig auf Tour gehen. Die „7-Seen-Wanderung“ ist über die Jahre zu einem der größten deutschen Wander-Events geworden - fast unbemerkt von der breiten Öffentlichkeit. Im vorigen Jahr zählten die Organisatoren des Vereins „Sportfreunde Neuseenland“ mehr als 6.000 Teilnehmer. In diesem Jahr hatten sich bis Mitte April bereits über 4.200 Wanderfreunde angemeldet. Gemeinsam werden sie an diesem Wochenende rund 100.000 Kilometer auf mehr als 40 unterschiedlich langen Routen zurücklegen - von der drei Kilometer langen „Schatzsuche“-Tour für Kinder bis zur 107 Kilometer umfassenden Langstrecke.

Und wer hat’s erfunden? Wolfgang Flohr. „Organisationstalent bescheinigt man mir schon“, sagt der Mann mit dem grauen Bart und dem verschmitzten Grinsen bescheiden. Er ist passionierter Wanderer, unterwegs mit Gleichgesinnten auf organisierten Touren um die 100 Kilometer. In Sachsen musste er dafür früher ins Vogtland fahren oder in den Raum Dresden. „Irgendwann habe ich mich gefragt: Warum gibt es das eigentlich nicht bei uns?“

Bei uns, das heißt: in einer Gegend, die vor einem Vierteljahrhundert statt einer Seenplatte nur Staub und Dreck, Braunkohle und Riesenbagger kannte. Nicht nur der Leipziger Südraum war über Jahrzehnte geprägt von der Braunkohle, auch die Region Bitterfeld oder das Geiseltal nahe Merseburg. Längst sind aus Tagebauen Freizeit- und Erholungsgebiete geworden. Überall schmücken sich Orte an den neuen Seen mit Yachthäfen.

In Sachsen-Anhalt werden Goitzsche oder Geiseltalsee getrennt vermarktet

Aber nur in Sachsen haben sie schon eine Marke daraus gemacht. Während in Sachsen-Anhalt Goitzsche oder Geiseltalsee getrennt vermarktet werden, wirbt der Freistaat mit dem sogenannten Neuseenland, genauer: dem Leipziger Neuseenland. Dazu zählt die gesamte Seenlandschaft südlich der Stadt. Dahinter steckt die städtische Tourismus- und Marketing GmbH - und mit Leipzig ein Ziel, das Touristen in aller Welt kennen.

In Sachsen ging auch manches schneller als in Sachsen-Anhalt. Als der Geiseltalsee bei Merseburg Anfang 2012 noch gesperrt war, zog im Zwenkauer See bei Leipzig schon lange ein Ausflugsschiff seine Bahnen, obwohl das Gewässer damals noch gar nicht komplett geflutet war. Eine Ausnahmegenehmigung machte es möglich. In Sachsen-Anhalt dagegen sind die Behörden nach dem Erdrutsch mit drei Toten am Concordiasee in Nachterstedt im Juli 2009 vorsichtig geworden. So ließen sie sich auch mit der Freigabe des Geiseltalsees lange Zeit - zu lange, sagen Anrainer und Lokalpolitiker.

Wolfgang Flohr erlebte, wie in der DDR Dorf um Dorf weggebaggert wurde

Wolfgang Flohr ist in Markkleeberg aufgewachsen. Die südlich von Leipzig gelegen Kleinstadt, 24.000 Einwohner, ist so etwas wie das heimliche Zentrum des Neuseenlands. Vor ihrer Haustür liegen gleich zwei Seen - der Cospudener und der Markkleeberger. Wo einst die Tagebaukante war, stehen moderne Villen. Im nahen Wildwasserpark werden internationale Meisterschaften im Kanu-Slalom ausgetragen.

Für Flohr ist all das auch so etwas wie eine Wiedergutmachung an einer geschundenen Region. Er hat miterlebt, wie in der DDR Dorf um Dorf weggebaggert wurde, die Plätze, an denen er als Kind gespielt hat. „Ich habe die Auenwälder sterben sehen“, sagt er. Die Erinnerung daran schmerzt ihn noch heute. „Aber jetzt werden wir mit dieser wunderbaren neuen Landschaft belohnt“ - ein Paradies, von Menschenhand geschaffen.

„7-Seen-Wanderung“: 2.320 Liter Wasser werden ausgeschenkt und 3.600 Stück Streuselkuchen verteilt

Von der Mondlandschaft zum Erholungsgebiet - kaum etwas verdeutlicht diesen Wandel so gut wie die „7-Seen-Wanderung“. Dabei können längst mehr als sieben Seen umwandert werden. Mit sieben aber, blickt Flohr zurück, haben sie 2004 angefangen - Waldsee Lauer, Cospudener und Zwenkauer See, Stausee Rötha, Bockwitzer, Störmthaler und Markkleeberger See. Noch heute verläuft die mit 107 Kilometern längste Strecke entlang dieser Gewässer. „Die Sieben ist einprägsam“, sagt Flohr, der mit seinen Mitorganisatoren im ersten Jahr 180 Teilnehmer auf vier Routen begrüßen konnte. Im Jahr darauf waren es schon doppelt so viele Wanderer. „Wir haben einfach gesagt, beim nächsten Mal bringt jeder, der dabei war, noch jemanden mit.“

Als leidenschaftlicher Wanderer weiß Wolfgang Flohr am besten, was Wanderfreunde wollen - interessante Touren, gute Verpflegung und Betreuung. Deshalb werden unterwegs 2.320 Liter Wasser ausgeschenkt und 3.600 Stück Streuselkuchen verteilt. 1.000 weiße Pfeile markieren die Strecken; 15 Helfer waren per Rad unterwegs, um die Hinweise anzubringen. Es gibt Mitternachts- und Sonnenaufgangstouren, Familienwanderungen und das „Wandersingen“, geführt von einem singenden Ukulele-Spieler. Einige Touren sind bereits ausgebucht. Kurzentschlossene sollten daher am besten einen Blick ins Internet werfen.

Und was braucht es dann am Start, außer einer griffbereiten Trinkflasche, guten Schuhen und Bekleidung nach dem Zwiebel-Prinzip? Wolfgang Flohr rät: gelassen bleiben und sich nicht selbst unter Zeitdruck setzen: „Sieger ist, wer ankommt.“ (mz)