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Magdeburger Flüchtlingsheim Magdeburger Flüchtlingsheim: Kritik an unerwarteter Abschiebung

Von Kai Gauselmann 18.06.2014, 05:54
Vertreter von Flüchtlingsorganisationen mit einem Plakat «Abschiebung Nein!»
Vertreter von Flüchtlingsorganisationen mit einem Plakat «Abschiebung Nein!» dpa Lizenz

Magdeburg/MZ - Die unangekündigte Abschiebung einer libyschen Flüchtlingsfamilie hat parteiübergreifend Kritik ausgelöst. Die vierköpfige Familie Haji wurde am Dienstag um sechs Uhr morgens von Polizisten aus einem Magdeburger Flüchtlingsheim abgeholt und am Flughafen Berlin-Tegel nach Italien abgeschoben - nur Stunden, bevor eine Petition an den Landtag übergeben werden sollte. Darin fordern 14 500 Unterstützer, dass die Familie bleiben darf. „Die Abschiebung der Familie mit ihren zwei kleinen Kindern ist verantwortungslos“, kritisierte der Grünen-Landtagsabgeordnete Sören Herbst. „Die Art und Weise sowie der Zeitpunkt der Abschiebung erwecken den Eindruck einer Machtdemonstration“, sagte er weiter. Andreas Steppuhn (SPD) kritisierte einen „schlechten Stil“ des Landesinnenministers Holger Stahlknecht (CDU), weil so die Petition nicht mehr übergeben werden konnte.

Ministerium verweist auf Bund

Das Innenministerium konnte nach eigener Auskunft nicht eingreifen. „Die zuständige Ausländerbehörde Magdeburg und auch das Ministerium für Inneres und Sport als Fachaufsicht über die Ausländerbehörde sind an die gerichtlich bestätigte Feststellung des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge gebunden“, sagte Ministeriumssprecherin Anke Reppin der MZ. In dem Fall habe es bereits mehrere Eingaben gegeben und das Ministerium habe gegenüber der Familie „ausführlich Stellung genommen“. Das Ministerium gehe „von einem rechtsstaatlich einwandfreien Verfahren“ aus.

Familie Haji war 2011 vor dem Bürgerkrieg in Libyen geflüchtet und über Italien nach Deutschland gelangt. Die Stadt Magdeburg als zuständige Ausländerbehörde setzte nun die Abschiebung um. Ein Stadtsprecher sagte dem MDR, es gebe dazu klare Entscheidungen der Bundesamtes für Migration sowie des Verwaltungsgerichts Magdeburg. Entscheidend sei gewesen, ob Italien die Familie unterbringen könne. Das sei nach Ansicht der Behörde und des Gerichts der Fall. Grundsätzlich ist nach dem sogenannten Dublin-2-Abkommen der Mitgliedstaat für Flüchtlinge zuständig, über dessen Außengrenzen sie zuerst in die Europäische Union eingereist sind.

Zweifel an Willkommenskultur

Unterstützer der Familie verweisen auf die schlechten Zustände in italienischen Flüchtlingseinrichtungen und eine psychische Erkrankung der Mutter. Ihr war attestiert worden, nur unter der Begleitung eines speziell geschulten Sanitäters reisefähig zu sein. „Wir sind tief betroffen, traurig und zugleich voller Zorn. Die von Innenminister Holger Stahlknecht oft beschworene Willkommenskultur ist nichts anderes als eine Karikatur eines unmenschlichen Abschieberegimes“, sagte Alexandra Will vom Unterstützerkreis der Familie. Morgen soll es vor dem Landtag eine Mahnwache für die Familie Haji geben. Im Parlament steht auch eine Debatte über das Asyl-System an. „Rechtmäßigkeit heißt nicht Gerechtigkeit, schon gar nicht in Fragen des Asylrechtes“, sagte Henriette Quade (Linke).