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Wachsender Einfluss im Land Andrej Babis: Tschechiens Trump in Sachsen-Anhalt

Von Steffen Höhne 04.05.2017, 15:54
PR-Kampagne für Babis
PR-Kampagne für Babis Agentur

Halle (Saale) - Proc? Warum? Die Partei des Milliardärs und tschechischen Finanzministers Andrej Babis ließ am Mittwoch eine Anzeige schalten, die den Spitzenpolitiker mit einem zugeklebten Mund zeigt. Die Botschaft: Babis soll nicht mehr die Wahrheit aussprechen dürfen. Der beliebte Politiker werde in Misskredit gebracht.

Hintergrund der PR-Aktion: Am Vortag hatte der sozialdemokratische Ministerpräsident Bohuslav Sobotka überraschend die Mitte-Links-Regierung platzen lassen. Er wirft Babis Steuerbetrug mit seiner Unternehmensgruppe Agrofert vor. Er soll wirtschaftliche und politische Interessen verquickt haben. Die Affäre rückt einen Mann in den Fokus, der die tschechische Antwort auf Donald Trump werden könnte.

Andrej Babis hat sein deutsches Hauptquartier in Wittenberg aufgeschlagen

Und Babis ist auch in Sachsen-Anhalt sehr aktiv, hat sein deutsches Hauptquartier inzwischen in Wittenberg aufgeschlagen. Doch ist der Milliardär, dessen Firmen-Imperium mehr als 250 Unternehmen umfassen soll, hierzulande noch kaum bekannt.

Der 62-jährige gebürtige Slowake baute nach dem Fall des Eisernen Vorhangs in Tschechien eine Agrar-Holding auf. Zunächst erwarb er Lebensmittel- und Futtermittelfirmen, dann stieg er ins Düngemittel-Geschäft ein. Inzwischen gehören ihm mit „Mlada Fronta Dnes“ und „Lidove noviny“ auch zwei große tschechische Tageszeitungen.

Im Jahr 2011 setzte sich Babis an die Spitze der neu gegründeten Bürgerinitiative „Akce nespokojených občanů“ (Aktion unzufriedener Bürger), die ein Jahr später zur Partei ANO wurde. „ANO ist eine One-Man-Show“, sagt der Osteuropaexperte Kai-Olaf Lang von der Stiftung Wissenschaft und Politik in Berlin. Babis liberal-populistische Partei profitiere von Politikverdrossenheit in Tschechien.

Babis wettert - wie US-Präsident Donald Trump in Washington - gegen das Politik-Establishment, das er von seinen Verwaltungs- und Parteiposten in der Hauptstadt Prag vertreiben will. Sein Slogan: „Wir sind keine Politiker, wir arbeiten hart!“ Im Parlament ist ANO zweitstärkste Kraft und Babis seit drei Jahren Finanzminister. „Babis betreibt keine Fundamental-Opposition, er agiert sehr pragmatisch“, sagt Lang. „Ähnlich wie der US-Präsident setzt er auf Deals.“ Babis agiere allerdings kontrollierter und berechenbar.

Affäre um steuerfreie Schuldscheine beschäftigen die Ermittler

In der aktuellen Affäre um ihn geht es um steuerfreie Schuldscheine, die der Unternehmer 2012 seiner Agrofert-Holding abgekauft hatte. Dies geschah kurz vor einer Gesetzesänderung, die das „Steuer-Schlupfloch“ schließen sollte. Kritiker werfen ihm Missbrauch des Systems vor. Babis selbst spricht dagegen von „Steueroptimierung.“ Nach seinen Worten „zahlt niemand mehr als nötig.“ In der Affäre ermitteln derzeit sowohl die Finanzbehörden als auch die Polizei.

Vor einiger Zeit gab Babis die Holding in einen Treuhänder-Fonds, dem seine langjährige Lebenspartnerin und Vertraute vorsitzt. Kritiker werfen ihm auch vor, dass die staatlichen Fördermittel an seine Firmen deutlich gestiegen sind, seit er Finanzminister ist. Seiner Popularität im Volk tut das keinen Abbruch. Seine Partei hat bei der nächsten Parlamentswahl gute Chancen, stärkste Kraft zu werden - und er damit Regierungschef.

Babis engagiert sich wirtschaftlich wie gesellschaftlich im Raum Wittenberg

Wie Babis vorgeht, lässt sich aktuell auch in Sachsen-Anhalt gut beobachten. Agrofert ist seit einigen Jahren Eigentümer des großen Düngemittel-Herstellers SKW in Wittenberg. Babis lässt in der Lutherstadt einen Betriebskindergarten bauen, saniert historische Häuser in der Innenstadt, finanziert ein Museum und die neue Feuerwache. Wittenberg ist inzwischen der Sitz der deutschen Agrofert-Holding und für 200 Millionen Euro entsteht auf dem SKW-Firmengelände ein neues Backwerk. Kurz: Babis engagiert sich wirtschaftlich wie gesellschaftlich.

Den Bau des Backwerks fördert das Land Sachsen-Anhalt allerdings auch mit elf Millionen Euro. Gleichzeitig schließt der Backwaren-Hersteller Lieken, der zu Agrofert gehört, ein Werk in Weißenfels (Burgenlandkreis). Von den 200 Produktionsmitarbeitern, die Tariflohn erhalten, wechselt laut Lieken-Betriebsrat kein einziger nach Wittenberg. Dort läuft die Produktion nach MZ-Recherchen zunächst mit Leiharbeitern an, die nach drei Monaten übernommen werden sollen. Tariflöhne und die Gewerkschaft bleiben außen vor. Das passt zu Aussagen ehemaliger Geschäftspartner, die Babis als knallharten Unternehmer beschreiben.

Nach Einschätzung von Osteuropaexperte Lang nehmen die Verquickungen von Politik und Wirtschaft in Tschechien aber zu: „Nicht nur Babis, auch andere Finanzgruppen gewinnen im Hintergrund an Einfluss.“ Das traditionelle Parteiensystem, das unter anderem aus Sozialdemokraten und Christdemokraten besteht, erodiere dagegen.

(mz)