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Mordfall Yangjie Li Mordfall Yangjie Li: Ex-Revier-Chef wird Stabsleiter Einsatz in der Direktion

Von Lisa Garn 03.05.2017, 13:00
Der Stiefvater von Sebastian F. hat am Dienstag vor Gericht ausgesagt.
Der Stiefvater von Sebastian F. hat am Dienstag vor Gericht ausgesagt. Lutz Sebastian

Dessau - Nach fast einem Jahr kehrt der ehemalige Leiter des Dessau-Roßlauer Polizeireviers zurück in den Dienst - zur Polizeidirektion Ost. Das hat das Innenministerium Sachsen-Anhalt  bestätigt. Nach MZ-Informationen wird er im Juni als Leiter des Stabsbereiches Einsatz antreten.  

Der 53-Jährige war 2016 im Zusammenhang mit dem Mordfall Yangjie Li bei Innenminister Holger Stahlknecht (CDU) in Ungnade gefallen. Im Juni wurde Jörg S. vom Dienst suspendiert und sollte an die Fachhochschule der Polizei nach Aschersleben (Salzlandkreis) versetzt werden. Dagegen hatte der Revierleiter erfolgreich geklagt.

Vorwürfe vom Innenminister Holger Stahlknecht

Jörg S. ist der Stiefvater des 21-jährigen Hauptangeklagten im Dessauer Mordprozess Yangjie Li. Die Dienstgeschäfte wurden ihm damals untersagt, weil er bei der Eröffnung der Gartenkneipe seiner Frau - die Mutter des Angeklagten und ebenfalls Polizeibeamte - dabei war. Das war nur einen Tag nach der Trauerfeier für die getötete chinesische Studentin. Beide Polizisten waren damals krankgeschrieben.

Stahlknecht warf Jörg S. „unsensibles und pietätloses Verhalten“ vor. Der Revierleiter sei dem moralischen Anspruch und der Vorbildfunktion als Führungskraft der Polizei nicht gerecht geworden. Auch Ramona S. wurde wenig später suspendiert. Beide sind  bis heute krankgeschrieben.

Ein Grund für die neue Entscheidung ist der Gesundheitszustand von Jörg S. „Eine Wiederaufnahme der Polizeitätigkeit nach längerer Erkrankung wird wohnortnah besser gelingen“, begründet Ministeriumssprecher Stefan Brodtrück die überraschende Wende. Entschieden wurde die Rückkehr nach Dessau auch nach langer Auseinandersetzung um die Versetzung.

Nach der Klage von Jörg S. hatte die Dienstbehörde die Aufgabe, mildere Mittel zu prüfen: eine Umsetzung innerhalb der Polizeidirektion Ost oder eine vorübergehende Abordnung nach Aschersleben. Stahlknecht entschied sich für letzteres. Ob Jörg S. auch gegen diese Abordnung geklagt hatte, ließ das Ministerium offen. Das Verbot der Dienstgeschäfte war schon Anfang Dezember 2016 aufgehoben worden. Nach MZ-Informationen aus dem Innenministerium einigte man sich in einem Gespräch auf den neuen Posten.  

Der Polizeioberrat Jörg S. hat Anspruch auf eine amtsangemessene Verwendung, also auf eine gleichwertige Funktion. Formal bleibt er auch in der neuen Position Leiter des Dessau-Roßlauer Polizeireviers. Bis Ende 2017 soll er Chef des Einsatz-Stabsbereiches sein, danach wird er Leiter des Führungsstabes in der Direktion. Das ist der dritthöchste Posten in der Behörde.

Zweifel an der moralischen Integrität von Jörg S. sieht das Innenministerium nach MZ-Informationen „weitgehend“ ausgeräumt. Zwar sei die Entscheidung zur Suspendierung im vergangenen Jahr „zu 100 Prozent richtig gewesen“. Allerdings habe seine Aussage  im Mordprozess den Ausschlag dafür gegeben, ihm eine zweite Chance einzuräumen. Vor dem Landgericht in Dessau hatte Jörg S. eigene Fehler eingeräumt, allerdings ohne diese konkret zu benennen. „Im zeitlichen Abstand bewertet er heute einige Dinge offensichtlich anders“, heißt es im Innenministerium.

Im Prozess sind der Stiefsohn des Polizisten, Sebastian F., und dessen Ex-Freundin  Xenia I. angeklagt, die chinesische Studentin Yangjie Li im Mai 2016 gemeinsam ermordet und vergewaltigt zu haben. Jörg S. hatte ausgesagt, dass er sich von der „abscheulichen Tat“ distanziere und eine höchstmögliche Bestrafung gefordert. Gleichzeitig sah er sich und seine Frau als Opfer einer medialen Hetzjagd. Der Polizist lässt sich derzeit anwaltlich vertreten, um gegen eine Vielzahl von Medienberichten vorzugehen.

Mit dem neuen Posten will das Innenministerium Jörg S. auch aus dem Fokus der Öffentlichkeit nehmen. „Die Aufgaben sind nicht in dem Maße mit öffentlichen und gesellschaftlichen Verpflichtungen verbunden wie die Leitung des Reviers“, heißt es. Eine spätere Rückkehr als Chef des Polizeireviers ist damit nicht ausgeschlossen.

Mordfall Yangjie Li: Sonderermittler für Untersuchung gegen Stiefvater von Sebastian F. eingesetzt

Das Verbot der Dienstgeschäfte für seine Ehefrau war bereits im  August 2016 aufgehoben worden, erklärt die Polizeidirektion Ost. Ramona S. war suspendiert worden, um eine Beeinflussung der Ermittlungen gegen ihren Sohn Sebastian F. zu prüfen. „Mit der Untersuchung wurde ein Sonderermittler des Landeskriminalamtes betraut“, sagt Polizeisprecher Ralf Moritz. „Er konnte keine rechtswidrige Beeinflussung feststellen.“ Gleiches gilt laut Innenministerium auch für Jörg. S.  

Auch Ramona S. hatte die Gerichte bemüht. Sie klagte gegen  das Verbot der Polizeidirektion, eine Gartenkneipe zu betreiben. Das Verwaltungsgericht untersagte  ihr aber ebenso die Nebentätigkeit als Geschäftsführerin. Sie ging gegen das Urteil in Berufung, erlitt aber auch am Oberverwaltungsgericht eine Niederlage. Wann Ramona S. in die Direktion zurückkehrt und ob sie weiter im Zentralen Kriminaldienst tätig sein wird, ist  offen. (mz)