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Interview mit OB Wiegand Interview mit OB Bernd Wiegand: "HFC kann nicht mehr zahlen"

13.03.2017, 07:45
Halles Oberbürgermeister Bernd Wiegand
Halles Oberbürgermeister Bernd Wiegand Holger John

Halle (Saale) - Es ist ein stürmisches Frühjahr für Halle und Oberbürgermeister Bernd Wiegand (parteilos). Der HFC, die Bildungspolitik, Wirtschaft, Flüchtlinge, der Untreueprozess: Es gibt jede Menge Diskussionsbedarf. Für die MZ haben Hartmut Augustin, Gert Glowinski und Dirk Skrzypczak mit dem OB gesprochen.

Die Landesregierung setzt Sie unter Druck. Es geht um den HFC und das Stadion. Der Innenminister kritisiert den Betreibervertrag. Haben Sie eine Erklärung, warum der Minister die Daumenschrauben anzieht?

Wiegand: Nein. Fest steht, dass wir die Anordnungen des Landesverwaltungsamtes aus 2015 umsetzen. Dazu gehörte im vergangenen Jahr, dass die Stadion Halle Betriebs GmbH nun wieder zu 100 Prozent der Stadt gehört.

Der Minister argumentiert mit der EU-Beihilfe. Da geht es um die Vorteilsgewährung bei Zuschüssen einer Kommune an Unternehmen. Städte wie Chemnitz haben sich das Okay aus Brüssel geholt. Hat Halle hier etwas versäumt?

Wiegand: Dem Land ist das Thema der EU-Beihilfe seit 2010 bekannt. Die Stadt ist seitdem der Auffassung, dass eine Vorteilsgewährung nicht vorliegt. Deshalb muss Brüssel auch nicht eingeschaltet werden. In der Gesamtbetrachtung der Einnahmen und Ausgaben und der Nutzungsmöglichkeiten ist die Miete im Vergleich zu anderen Stadien angemessen. Eine höhere Miete kann der HFC nicht zahlen.

Bernd Wiegand: „Ich vermisse das Ziel, den Aufstieg in die 2. Bundesliga wirklich zu wollen“

Sie selbst fordern vom HFC mehr Mut und auch ein höheres Risiko bei der Transferpolitik. Warum mischen Sie sich derart ein?

Wiegand: Aus dem Konzern Stadt Halle fließen rund 1,3 Millionen Euro in das Sponsoring des HFC. Die Stadt betreibt das Stadion, wir planen ein neues Fußball-Nachwuchsleistungszentrum im Rahmen der Fluthilfe: Als OB ist es meine Aufgabe, hier eine klare Position zu vertreten. Ich vermisse das Ziel, den Aufstieg in die 2. Bundesliga wirklich zu wollen.

Sie haben mit Ihrer Kritik bewusst den Weg über die Öffentlichkeit gewählt, um die Vereinsführung unter Druck zu setzen. War intern eine Klärung nicht möglich?

Wiegand: Seit einem Jahr fordern Großsponsoren ein Marketingkonzept vom HFC. Das Thema konnte in Aufsichtsgremien von Wirtschaftsunternehmen bis heute nicht behandelt werden, da der HFC-Verwaltungsrat die vorgelegte Broschüre zum Marketingkonzept wegen Mängeln im Februar 2017 nicht bestätigt hat. Das Präsidium tritt in dieser Frage seit einem Jahr auf der Stelle.

Sie verlangen vom HFC mehr Selbstbewusstsein. Der Verein soll sich an der Stadt orientieren. Das klingt arrogant. Wo ist Halle selbstbewusst?

Wiegand: In unserem Auftreten nach außen. Und sehen Sie sich in der Stadt um. Wir arbeiten an vielen Großprojekten wie dem Stadtbahnprogramm mit der Neugestaltung des Steintors. Für den Star Park und viele Liegenschaften in der Stadt konnten wir große, zum Teil auswärtige Investoren wie DHL gewinnen. Das macht uns selbstbewusst.

Stadt Halle plant neue Gewerbegebiete

Sie sprechen den Star Park an, der sich gut entwickelt. Sind weitere Ansiedlungen in Sicht?

Wiegand: Ja. Wir haben viele Anfragen, die wir sorgfältig prüfen. Bei dieser positiven Entwicklung könnte der Star Park im nächsten Jahr bereits voll belegt sein. Deshalb sind wir schon dabei, neue Gewerbegebiete zu planen und die Stadt nach geeigneten Grundstücken zu durchforsten.

Sind Sie fündig geworden?

Wiegand: Momentan warten wir auf das Ergebnis einer Machbarkeitsstudie für Flächen in der Nähe von Tornau. Und wir hoffen, nach der Einbeziehung des Stadtrats, das Gebiet möglichst schnell entwickeln zu können.

Ist der Logistikbereich die Branche, in der Sie das größte Potenzial für neue Arbeitsplätze sehen?

Wiegand: Das ist der Einstieg gewesen. Die Logistik von früher ist nicht mehr mit der von heute vergleichbar. In Halle wird weit über Mindestlohn gezahlt. Und auf den Hektar im Star Park bezogen, schafft die Logistik mehr Arbeitsplätze als das produzierende Gewerbe.

Geht es bei Ihrer Wirtschaftspolitik um die Masse an Arbeitsplätzen oder gute Löhne?

Wiegand: Um beides. Rund 50 Prozent der Menschen, die im Star Park arbeiten, wohnen im Raum Halle. Kriterium zwei ist der soziale Ansatz. In Verhandlungen mit Investoren achten wir darauf, dass die Unternehmen über Mindestlohn zahlen. Ohne diese Zusicherung wird kein Vertrag unterschrieben.

Nicht weniger wichtig ist das Investitionsprogramm für die Schulen. Sie werden von Eltern scharf attackiert, weil Sie jetzt keine zweite Aula für die IGS II bauen wollen, obwohl der Stadtrat das Geld freigegeben hat. Wie geht es weiter?

Wiegand: Mit dem Investitionsprogramm Bildung 2022 will die Stadt rund 172 Millionen Euro aus Fördermitteln, Eigenmitteln der Stadt und Förderdarlehen des Landes in Neubauten und die Sanierung von Schulen und Kitas investieren. Wir müssen an unseren Schulen zuerst die gesetzlichen Auflagen beim Brandschutz erfüllen. Dafür benötigen wir rund 40 Millionen Euro. Die Sicherheit hat Vorrang. Danach können wir über zusätzliche Wünsche reden. Der Stadtrat wurde deshalb angeschrieben und es wird eine neue Beratung zur Aula geben.

Sind die Eltern mit ihren Forderungen zu egoistisch?

Wiegand: Die Planungen für die Sanierung der IGS II laufen seit einem Jahr. Wir waren überrascht, als Vertreter der Schule im November neue Forderungen aufgemacht haben. Wir investieren in den künftigen Schulstandort der IGS II rund sechs Millionen Euro. Ich lehne eine neue Aula ja auch nicht ab, ich plädiere dafür, den Bau zu verschieben bis der Brandschutz an allen Schulen vollständig umgesetzt ist.

6.500 Flüchtlinge leben in Halle

Vor einem Jahr hat das Flüchtlingsthema noch alles andere überlagert. Wie viele Flüchtlinge leben heute in der Stadt und wie viele kommen pro Monat dazu?

Wiegand: Etwa 6.500, seit Jahresanfang kommen monatlich etwa 30 Personen hinzu. Wir stellen uns auf den Nachzug von Familienmitgliedern ein, vor allem aus Syrien.

Wie bewerten Sie den Prozess der notwendigen Integration?

Wiegand: Da sind wir mit führend im Vergleich zu anderen, mit der Unterstützung vieler Partner. Durch die vielen Förderprogramme des Bundes und des Landes kommen ständig neue Organisationen hinzu. Rund um die Betreuung von Flüchtlingen ist ein großes Angebot entstanden. Diese Aktivitäten wollen wir über unser Dienstleistungszentrum für Migration und Integration bündeln. Ziel muss es sein, die Menschen so schnell wie möglich fit für den Arbeitsmarkt zu machen.

Aber ist es nicht hinderlich, wenn zu viele Akteure mitmischen?

Wiegand: Es ist eine Herausforderung. Allerdings orientiert sich der Markt nach der Förderkulisse. Wir versuchen, das aufzufangen. Aus unserer Sicht ist eine 1:1-Betreuung der Migranten über Paten der effektivste Weg, um sie so zu qualifizieren, dass sie arbeitsfähig werden.

Beim Thema junge ausländische Männer denken viele an sexuelle Übergriffe auf Frauen. Gibt es diesbezüglich eine höhere Zahl an Sexualstraftaten in Halle?

Wiegand: Nein. Die Kriminalitätsstatistik weist das nicht aus. Auch sonst gibt es keinen signifikanten Anstieg bei den Straftaten, die auf Flüchtlinge zurückzuführen ist.

Wie lässt sich Ghettobildung in Halle-Neustadt verhindern?

Bewohner beispielsweise aus Halle-Neustadt fürchten eine Ghettobildung, weil zu viele Flüchtlinge in einzelnen Wohnblocks untergebracht werden. Wie lässt sich das verhindern?

Wiegand: Auf dem freien Markt kann sich jeder seine Wohnung aussuchen. Wir können in unterschiedlichen Stadtteilen unterschiedliche Wohnniveaus anbieten und arbeiten gemeinsam mit den Wohnungsgesellschaften intensiv daran, das Miteinander vor Ort zu stärken. Ganz verhindern können sie eine Konzentration nicht.

Am 4. Mai wird der Untreueprozess gegen Sie am Landgericht in Magdeburg neu aufgerollt. In der ersten Instanz haben Sie gewonnen. Wie ist Ihr Gefühl?

Wiegand: Auch der Generalbundesanwalt hat klar gesagt, dass an dem Vorgang nichts dran ist. Insofern werde ich versuchen, auch das Landgericht in Magdeburg davon zu überzeugen, dass ich rechtmäßig gehandelt habe.

Wie bereiten Sie sich vor?

Wiegand: Die Verhandlung ist mit der ersten Instanz vergleichbar. Ich werde an den Prozesstagen wieder Urlaub nehmen.

Zahlen Sie die Prozesskosten aus eigener Tasche?

Wiegand: Dazu gebe ich keine Auskunft, der Prozess wurde politisch eingeleitet.

(mz)