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Abriss unterm Schlossberg Abriss unterm Schlossberg: Aus für kleines Tagelöhnerhaus

Von Petra Korn 08.03.2017, 12:41
Das Wohnhaus in der Wassertorstraße 15/16 in Quedlinburg wurde abgerissen. In der entstandenen Lücke  soll bis Jahresende ein zeitgemäßer Neubau entstehen.
Das Wohnhaus in der Wassertorstraße 15/16 in Quedlinburg wurde abgerissen. In der entstandenen Lücke  soll bis Jahresende ein zeitgemäßer Neubau entstehen. Wohlfeld

Quedlinburg - Über Jahrhunderte stand es an die Wassertorstraße unterhalb des Quedlinburger Schlossberges geschmiegt - zu dieser hin ist es überwiegend ein-, zur Kaiser-Otto-Straße hin zweigeschossig. Jetzt wird das aus zwei Gebäuden zusammengelegte Wohnhaus Wassertorstraße 15/16, das unter Denkmalschutz stand, abgerissen.

„Das Haus war nicht zu retten“, sagt Architekt Horst Danscher. Er verweist auf das geänderte Denkmalschutzgesetz, wonach ein Abriss zu genehmigen sei, wenn eine Sanierung wirtschaftlich nicht vertretbar sei - wie bei dem Haus in der Wassertorstraße „von der Substanz her, vom Grundriss her, mit Raumhöhen von 1,65 Metern“.

Seit Jahren wurde um das Haus gekämpft

„Es ist eine Niederlage“, sagt Oliver Schlegel, Leiter der Unteren Denkmalschutzbehörde beim Landkreis Harz. Er verweist darauf, dass die Denkmalpflege seit Jahren um das Haus gekämpft, auch Teilerfolge erreicht habe.

Denkmalschutz sei aber auch immer ein Kompromiss. „In diesem Fall ist es ein Verlust geworden. Es ist ein Verlust eines Gebäudes, das beredtes Zeugnis der Wohnkultur der armen Bevölkerung dieser Stadt war“, so Schlegel, der aber auch sagt: „Es war ein Sterben auf Raten.“

Die Zukunft des Denkmals hatte polarisiert, seit das Haus 2010 verkauft und dann auch ein Schild angebracht wurde: „Mut zur Lücke - hier entsteht Wohnen von heute - Ersatz des Denkmals Wassertorstraße 15“.

Abriss wurde erst nicht genehmigt

So verfolgte Horst Danscher zunächst selbst als Eigentümer, dann als Vertreter eines neuen Eigentümers den Abriss und einen Neubau in der Kubatur des alten Gebäudes. Das Landesverwaltungsamt als Obere Denkmalschutzbehörde lehnte einen kompletten Abriss ab.

Eine durch den Architekten eingereichte Klage wies das Verwaltungsgericht ab. „Das Gericht hat die Ansicht des Landesverwaltungsamtes bestätigt, dass das Haus insgesamt nicht abgerissen werden darf“, sagte Gabriele Städter, Pressesprecherin des Landesverwaltungsamtes.

Das Besondere am Haus wurde klar definiert

Im Laufe dieses Verfahrens sei auch definiert worden, was das Besondere an dem Haus sei, das „Denkmal-Entscheidende“, „das definitiv nicht fallen“ dürfe, erklärt Oliver Schlegel.

Das seien letztlich Teile des Dachstuhls - bei Holzuntersuchungen in die Luther-Zeit um 1527 datierte acht Dachsparren -, das Kellergewölbe sowie eine historische Stützmauerkonstruktion im Kellergeschoss gewesen. Laut Landesverwaltungsamt, das sich dann zurückgezogen habe, hätten diese „denkmalbestimmenden Bestandteile“ erhalten werden müssen; der Rest habe abgerissen oder umgebaut werden dürfen.

War das Haus wirklich noch Denkmal?

Da habe die Frage gestanden, was an dem Haus dann eigentlich noch Denkmal sei, sagt Schlegel. Die Dachflächen, in den 1960er Jahren mit Betondachsteinen gestaltet, hätten neu gedeckt werden müssen. Und die bestehende Dachkonstruktion sei nicht mehr zu sanieren gewesen.

Die acht historischen Dachsparren „waren Fichtenstämme, die aus dem Wald gezogen, abgeschält und zusammengenagelt wurden“, so Schlegel. Zudem befallen von Holzwürmern, hätten sie keinen Dachstuhl mehr halten können.

Die Frage der Sinnhaftigkeit stand

Die Alternative wäre ein neuer Dachstuhl mit dem alten Gebinde darunter gewesen. „Da stellt sich die Frage nach der Sinnhaftigkeit“, so Schlegel. So sei entschieden worden, „das Kellergewölbe und die historische Stützmauerkonstruktion im Kellergeschoss zu erhalten und den Rest dem Abriss anheim fallen zu lassen. Das ist definitiv nicht im Sinne der Denkmalpflege, aber ein strukturelles Dilemma“, so Schlegel.

Besonders bitter sei hier, dass das Haus in einer 150 Meter umfassenden historischen Häuserreihe mit Fassaden verschiedener Bauphasen gestanden habe.

Wie Horst Danscher sagt, soll der Neubau beginnen, sobald die Sanierungsarbeiten an der Giebelwand des Nachbarhauses beendet sind. Errichtet werden solle ein zeitgemäßes Haus, das sich in die Bebauung einfüge. Das Bauvorhaben soll bis Ende des Jahres abgeschlossen sein.

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Das Haus  Wassertorstraße 15/16 in Quedlinburg verdeutliche ein Problem, das es auch bei vielen anderen  denkmalgeschützten Gebäuden im gesamten Landkreis Harz gebe, sagt Oliver Schlegel, Leiter der Unteren Denkmalschutzbehörde. Das Haus  - wie übrigens auch die Häuser auf dem Quedlinburger Münzenberg - sei Zeugnis seiner Zeit, „weil es seine Geschichte erzählt von Leuten, die mit dem auskommen müssten, was sie sich leisten konnten“.

Ein solches Tagelöhnerhaus, betont Oliver Schlegel, „hat genau die gleiche Berechtigung, erhalten zu werden, wie das Jugendstilhaus am Stadtrand“. Doch ein  Jugendstilhaus mit viel besserer Bausubstanz - die Bauherren hätten sich damals Fachleute leisten können - könne  wesentlich leichter für heutige Wohnverhältnisse umgebaut werden als ein Tagelöhnerhaus wie das in der Wassertorstraße. Dieses lasse sich  nur wesentlich schlechter, wenn überhaupt, erhalten und einer neuen Nutzung zuführen.  „Es ist extrem schwierig nachzunutzen und in seiner überlieferten Struktur gar nicht - außer    für museale Zwecke“, so Schlegel. Wie er weiter erklärt, sei das Haus Wassertorstraße 15/16 vor dem Abriss - formal ein Rückbau, weil das Kellergewölbe erhalten bleibe -  dokumentiert worden.

Problematisch seien  beispielsweise auch die Wehrmauertürme - „Sonderbauten, die erhaltungswürdig sind, die zu erhalten sich wirtschaftlich lohnt, wenn eine Nutzung möglich ist“. Als Beispiel, wo eine    Umnutzung gelungen ist, nennt Oliver  Schlegel die Höhlenwohnungen in Langenstein, heute ein Museum.
(mz)

So sah das Gebäude in der Wassertorstraße bis vor kurzem aus (weißes Haus)
So sah das Gebäude in der Wassertorstraße bis vor kurzem aus (weißes Haus)
Archiv Wohlfeld